22. Juni 2016 1 Likes

Salto in Space

Wie mich urbaner Extremsport zu meinem Science-Fiction-Roman „Tracer" inspiriert hat

Lesezeit: 3 min.

Parkour tut weh. Das weiß ich spätestens, seit ich in Höchstgeschwindigkeit mit dem Kinn voraus gegen eine Backsteinmauer knallte, woraufhin ich mindestens die Hälfte meines Körpergewichts in Blut verlor. Auf diese Kollision folgte ein zwei Meter tiefer Fall, bei dem ich natürlich auf einem Steinboden landete, sodass sich Fasern meines T-Shirts in meinen Rücken einbrannten. Mein kleiner Ausflug endete schließlich im Krankenhaus - Kernspintomographie und Schmerztherapie inklusive.

Ich war nie wirklich gut in Parkour, aber diese Sportart und alles, was damit einhergeht – verdrehte Knöchel, Hautabschürfungen und ein gutes Dutzend weiterer Verletzungen, die ich mir dabei zugezogen habe – ließen mich erkennen, wie faszinierend es ist, sich auf diese Art und Weise fortzubewegen. Bei Parkour geht es nicht um Akrobatik, nicht um halsbrecherische Vorwärts- oder Rückwärtssalti, auch wenn eine Vielzahl von YouTube-Clips uns das Gegenteil weismachen will. Es geht darum, auf möglichst effektive und schnelle Weise von A nach B zu gelangen. Statt ein Hindernis zu umgehen, kriecht man unten durch, klettert oben drüber oder schlängelt sich dazwischen hindurch. Wenn man Parkour beherrscht (und glauben Sie mir, es wird lange dauern, bis Sie das tun), kann man sich in jeder Umgebung behaupten. Und was machen da schon ein paar Knochenbrüche aus?

Glücklicherweise bin ich im Schreiben besser als in Parkour.

Als ich mit „Tracer“ (im Shop) anfing, merkte ich schnell, dass meine Parkour-Erfahrungen genau das waren, was meine Geschichte brauchte. Ich wusste, dass mein Roman auf einer gewaltigen, alten Raumstation spielen sollte, die bereits seit Hunderten von Jahren um die Erde kreist. Sie ist kaputt, rostet und bricht beinahe auseinander. Öffentliche Verkehrsmittel?  Ha, ha – die gibt es natürlich nicht. Es geht um eine ehemals hoch technologisierte Gesellschaft, die im Lauf der Zeit wieder in einen fast primitiven Zustand zurückgefallen ist. Und wie gesagt, die Raumstation sollte so groß wie eine Stadt sein: ein sechs Meilen großer Ring mit einem Kreisumfang von achtzehn Meilen. Je intensiver ich mich mit der Raumstation beschäftigte, desto häufiger fragte ich mich, wie die Menschen dort – in einer Umgebung, in der man nicht auf einen fahrbaren Untersatz zurückgreifen kann – ihre Gegenstände von A nach B transportieren.

Hier kommen die Tracer ins Spiel: Kuriere, die Nachrichten und Pakete durch die Raumstation bringen. Für sie ist Parkour die natürlichste Art der Fortbewegung – wer den schnellsten Weg findet, kann mehr Waren transportieren und verdient mehr Geld, ganz einfach. Und wer Treppen runterspringen, richtig landen und sich richtig abrollen kann, ist da klar im Vorteil. Die Kuriere müssen schnell sein, beweglich und dürfen keine Angst haben, sich zu verletzen.

Doch Hindernisse sind nicht das Einzige, womit die Tracer auf der Raumstation zu kämpfen haben: Es gibt kriminelle Banden, und die Waren, die sie transportieren, sind auch nicht immer legal – weshalb die Tracer niemals wissen, was sie bei sich tragen. Als eine von ihnen jedoch eines Tages angegriffen wird, erhascht sie einen zufälligen Blick auf ihre Fracht – ein menschliches Auge. Der Name der Tracer ist Riley Hale. Sie ist schnell, talentiert und clever, und sie mag es überhaupt nicht, wenn man ihr heimlich abgetrennte Körperteile unterschiebt. Sie wird herausfinden, woher dieses Auge stammt. Und wenn es das Letzte ist, was sie tut …
 

Rob Boffards Debütroman „Tracer“ ist am 09.05.2016 im Heyne Verlag erschienen.

Rob Boffard: „Tracer“ ∙ Roman ∙ Aus dem Englischen von Bernhard Kempen ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2016 ∙ 512 Seiten ∙ E-Book: € 11,99 (im Shop)

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