19. Januar 2016 2 Likes

Eiskalte Hölle

Taufrisch: Die postapokalyptische Comic-Saga „Winterwelt“

Lesezeit: 4 min.

Zwischen 1987 und 1988 erschien beim amerikanischen Verlag Eclipse Comics, der sich erstaunlich lange gegen die Platzhirsche Marvel und DC behauptete, die dreiteilige Schwarzweiß-Miniserie „Winterworld“. Getextet vom vielseitigen Vielschreiber Charles ‚Chuck’ Dixon und gezeichnet vom Argentinier Jorge Zaffino, entführt


Winterwelt Classic

„Winterworld“ in eine bitterkalte, zugefrorene postapokalyptische Welt. Hier kämpfen der ruppige Haudegen Scully, sein aggressiver Dachs Rah-Rah und die junge Wynn ums nackte Überleben, da inmitten von Schnee und Eis mehr denn je das Gesetz des Stärkeren gilt …

„Winterworld“ war quasi schon Schnee von Gestern, als Chuck Dixon im US-Mainstream der 90er eine prägende Gestalt der Welle grimmiger, düsterer Helden/Antihelden-Stoffe wurde. In den nächsten Jahren schrieb er zahlreiche Geschichten über Batman, Robin und Nightwing, aber auch den Punisher oder die Simpsons. Dazu textete er das Script zu David Wenzels Comic-Adaption von Tolkiens „Hobbit“ und lancierte diverse eigene Serien. Zaffino arbeitete mit Dixon für den US-Markt derweil noch an Panel-Storys um den Punisher und Conan – er starb 2002 im Alter von 43 Jahren an einem Herzinfarkt in Buenos Aires (sein Sohn Gerardo ist mittlerweile in seine Fußstapfen getreten und illustriert für Marvel derzeit Warren Ellis’ „Karnak“). „Winterwelt“ schien unter den Schnee-Massen der Erinnerung vergraben. Erst 2009 kam in den USA beim Verlag IDW erstmals ein Sammelband heraus, der neben dem originalen Dreiteiler noch die nie zuvor veröffentlichte Fortsetzung von Dixon und Zaffino Sr. präsentierte. 2014 kehrte Dixon dann sogar mit neuen Zeichnern und brandneuen Geschichten in die zugefrorenen Ruinen unserer Welt zurück.


Winterwelt Classic

Auf Deutsch liegt das klassische Material von Dixon und Zaffino im Hardcover „Winterwelt – Classic“ bei Cross Cult vor. Dort erschienen 2015 auch die ersten beiden gebundenen Bände mit den neuen Abenteuern aus dem ewigen Winter der Zukunft, wobei hier und da durchaus Erinnerungen an Alan Dean Fosters klassische „Eissegler“-Romane (im Shop) wachwerden, wenngleich diese auf einem fremden Planeten spielen. In den neuen „Winterwelt“-Storylines „La Nina“ und „Die Gestrandeten“ kriegen es Scully, Wynn und Rah-Rah mit Kannibalen, Mördern, Betrügern, Dieben, Eisbären und Schwertwalen zu tun, während sie stets auf der Suche nach Nahrung, Treibstoff und dem Aufenthaltsort von Wynns Eltern sind. Darüber hinaus finden sie neue Gefährten und begegnen alten Feinden. Im vor Weihnachten ausgelieferten zweiten Hardcover „Die Gestrandeten“ reaktiviert Dixon außerdem das nicht zuletzt in den 90ern äußerst beliebte Konzept einer ‚späten Nullnummer’ – einer nachgeschobenen #0 mit einer Story aus der Vergangenheit – und enthüllt Wynns Vergangenheit als buch-vernarrtes Kind der Eis-Hölle.


Winterwelt: Die neue Serie, Bd. 2

Der Comic-Veteran bietet alten Fans der Winterwelt in den neuen Episoden also mehr als genug, macht es Quereinsteigern jedoch zugleich nie schwer, den Einstieg oder den Anschluss zu finden – wäre in diesen Hochzeiten postapokalyptischer Fiction ja auch reichlich ungeschickt. Dennoch hat Dixon das Setting in den neuen Kapiteln leicht aktualisiert, was sich z. B. in einem nutzlosen Laptop darstellt, den Wynn findet (durchaus legitim, Brian Azzarello machte kürzlich etwas Ähnliches mit der Zukunft aus Frank Millers „Der Dunkle Ritter kehrt zurück“). Ansonsten geht dem 61-jährigen Mr. Dixon das frostige Feeling nach wie vor gut von der Hand – und mit Butch Guice („Captain America“), Tomás Giorello („Conan“) oder Tommy Lee Edwards („Turf“) stehen ihm wieder ein paar richtig gute Zeichner zur Seite. Die Farbigkeit der neuen Storys schadet ebenfalls nicht.


Winterwelt: Die neue Serie

„Winterwelt“ steht und fällt mit seiner eisigen Prämisse, seiner wilden, rauen Kulisse und seinen sympathischen Protagonisten, die sich über Bob Marley, Victor Hugo oder Mickey Spillane zanken und letztlich immer füreinander da sind. Diese Dinge gehen Dixon fast 30 Jahre nach dem Original routiniert von der Hand, ohne an die Tiefe oder die Spannung von z. B. „The Walking Dead“ heranzukommen. Dafür bereitet es dem Eingeweihten ein paar Bauchschmerzen, wenn der Amerikaner, der politisch eher stark konservativ eingestellt ist, um drei Ecken über den Klimawandel und Al Gore witzelt.

Jetzt fehlt eigentlich bloß noch die angedachte Umsetzung von „Winterwelt“ als TV-Serie, an der IDW und Xbox Entertainment seit einiger Zeit basteln. Im November erzählte Dixon im englischsprachigen Roman „Winterworld: The Mechanic’s Song“ hingegen bereits Scullys ganze Geschichte aus der Zeit, bevor er Wynn traf. Zudem inszenierten Dixon und der Spanier Esteve Polls die Comic-Miniserie „Winterworld: Frozen Fleet“, die neueste Erzähleinheit der Saga, der die Erweckung aus dem Kälteschlaf keineswegs geschadet hat.

Chuck Dixon, Jorge Zaffino: Winterwelt Classic • Cross Cult, Ludwigsburg 2015 • 160    Seiten • Hardcover: 18,00 Euro

Chuck Dixon, Butch Guice: Winterwelt 1: La Nina • Cross Cult, Ludwigsburg 2015 • 96 Seiten • Hardcover: 16,00 Euro

Chuck Dixon, Tomas Giorello, Tommy Lee Edwards: Winterwelt 2: Die Gestrandeten • Cross Cult, Ludwigsburg 2015 • 96 Seiten • Hardcover: 16,00 Euro

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