28. Februar 2013

Philip K. Dick meets Hannibal Lecter

„Blast“ von Manu Larcenet

Lesezeit: 2 min.

Spätestens mit seinem viel gelobten Der alltägliche Kampf hat sich Emmanuel »Manu« Larcenet als herausragende Stimme unter den nachrückenden französischen Comic-Schaffenden seiner Generation hervorgetan. Mit Masse ist im Spätsommer 2012 der erste Band der Reihe Blast auf Deutsch erschienen, Larcenets neuestem Werk als Autor und Zeichner.

Darin zeigt sich der 1969 in Issy-les-Moulineaux geborene Künstler von seiner düstersten Seite und konzentriert sich ganz auf seinen Protagonisten, den übergewichtigen Polza Manzini, der in einem Polizeiverhör seine Geschichte erzählt. Nicht um seine finstere Tat zu rechtfertigen, sondern damit andere genau wie er verstehen. Verstehen, wie die Erfahrung des Blasts – einer Explosion aus Farben und Schärfe und Erkenntnis – Manzinis Wahrnehmung der Wirklichkeit auf immer verändert hat. Wie er danach unmöglich einfach so weitermachen konnte. Wie er von der Suche nach dem nächsten erleuchtenden Blast gelockt wurde und sein altes Leben als Ehemann und Schriftsteller von heute auf morgen kurzerhand hinter sich ließ. Und wie der überdurchschnittlich intelligente und fette Mann freiwillig zu einem obdachlosen Streuner und Ausgestoßenen wurde, dabei immer tiefer in den Abgrund hinabgestiegen ist und zwischen all seinen exzessartigen Abstürzen und Visionen eine groteske Form der Freiheit und der Realität gefunden hat.

Bereits im großformatigen Auftaktband sieht das nicht nur durchgehend fantastisch und berauschend aus, was Larcenet mit überzeichneten Gesichtern und Gestalten aus Tusche vornehmlich in kratzigem Schwarz und Weiß und Grau abbildet, konzentriert im drückenden Schwarz der riesigen Moais, die fernab der Osterinseln vor Manzini schweben, und unterbrochen von den leuchtenden Farbspritzern des Blasts.

Außerdem wirkt die hervorragenden Lektüre die ganze Zeit und die gesamten 200 Seiten über so, als hätte der späte, paranoide Philip K. Dick das verstörend vernünftige und eloquente Tagebuch von Hannibal Lecter geschrieben, der einen mit psychopathischer Präzision und Poesie davon überzeugen möchte, dass er wirklich hinter den tristen Vorhang des Alltags geblickt hat. Was wirklich unter die Haut geht und einen ganz eigenen Thrill hat.

In jederlei Hinsicht ein Wahnsinns-Comic und einer der besten Comic-Trips, die das Jahr 2012 zu bieten hatte!

Manu Larcenet: Blast 1 • Reprodukt, Berlin 2012 · 204 Seiten · € 29,–

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