18. August 2022 1 Likes

„She-Hulk: Die Anwältin“ auf Disney+

Aus den Comics, durch die vierte Wand und ins MCU der Streaming-Wars-Ära

Lesezeit: 4 min.

Im Februar 1980 inszenierten die Marvel-Comic-Altmeister Stan Lee und John Buscema das US-Heft „The Savage She-Hulk“ 1, das nicht zuletzt von den Erfolgen der TV-Serien „The Incredible Hulk“ und „The Bionic Woman“ getriggert war. Stan the Man und Big John stellten der Marvel-Leserschaft die Anwältin Jennifer Walters vor, bei der es sich um die Cousine des unglaublichen Hulk Dr. Bruce Banner handelte. Als sie von Gangstern angeschossen wurde, rettete Bruce Jen kurzerhand mit einer Bluttransfusion das Leben, woraufhin Ms. Walters sich erstmals in die grüne, gamma-starke She-Hulk verwandelte – allerdings ihre Persönlichkeit und Intelligenz weitgehend behielt, ihre Hulk-Wut meistens unter Kontrolle hatte. Seitdem kämpft sie als Anwältin und Superheldin für das Gute.

In Marvels Comic-Universum schloss sich Jen mehrfach den Avengers und den Fantastic Four an. Zudem durchbrach sie noch Jahre vor Deadpools Debüt die vierte Wand zwischen Protagonisten und Publikum, zerfetzte im „Heldenfall“-Crossover unter dem Einfluss von Wanda Maximoff den armen Vision und ging später auf Missionen für SHIELD. Aber sie hatte auch Ärger mit der Time Variance Authority, traf auf kosmische Schwergewichte wie den Watcher und Thanos, heiratete den Sohn von Spider-Man-Hasser J. Jonah Jameson und mischte in Event-Meilensteinen wie „Marvel Super-Heroes Secret Wars“ (dem ersten Marvel-Crossover) oder „Civil War“ (dem erfolgreichsten Event-Spektakel aus dem Haus der Ideen) mit. Ihre Gefechte vor Gericht gewann sie in jüngerer Vergangenheit dank Autor Dan Slott teils mit Präzedenzfällen aus vielen Comic-Boxen in den Archiven der Kanzlei Goodman, Lieber, Kurtzberg & Holliway (die ersten drei Namen stehen für den Gründer des Timely/Atlas/Marvel-Verlags Martin Goodman sowie die realen Nachnamen von Stan Lee und Jack Kirby, falls jemand etwas Party-Wissen fürs Wochenende braucht).

Bereits 1983 tauchte She-Hulk in der damaligen „Hulk“-Zeichentrickserie im Fernsehen auf, eine geplante Verfilmung mit Brigitte Nielsen scheiterte trotzdem. Nach 42 Jahren startete am 18. August auf Disney+ nun die nächste Marvel-Streaming-Serie „She-Hulk: Die Anwältin“, von Showrunnerin Jessica Gao („Rick and Morty“, „Robot Chicken“) und mit Tatiana Maslany aus „Orphan Black“ als sensationeller grüner Gamma-Titelheldin. Die erste Episode nutzt ihre gute halbe Stunde Laufzeit zum Einstand, um den sympathischen Ton der Serie zu etablieren, die effektiv und launig etwas cheesige Oldschool-Hulk-Action mit dem gegenwärtigen Post-Blip-Status-quo des MCU, moderner Gesellschaftskritik und ersten zaghaften Anwalts-TV-Show-Elementen verbindet. Außerdem wird auch in „She-Hulk: Die Anwältin“ die vierte Wand durchbrochen, Shulkie wendet sich also direkt an ihre Fans, was in den Comics damals vom legendären Autor und Zeichner John Byrne in She-Hulks prägenden Panel-Soloabenteuern der späten 1980er, früher 1990er eingeführt wurde (unvergessen: die grüne Furie verhandelte mit Byrne auf den Comic-Seiten teils sogar über einzelne Storys und Szenen).

Einen größeren Unterschied zwischen Bildergeschichten und Streaming-Storys bietet die Origin, die Entstehungsgeschichte der Gamma-Juristin: Bruce’ Blut ist noch immer Schuld an Jens Verwandlung in She-Hulk, im Marvel Cinematic Universe jedoch nicht in Folge eines Attentatsversuchs auf die Anwältin, sondern eines durch außerirdische Beteiligung ausgelösten Autounfalls, bei den Jen und ihr Cousin (Mark Ruffalo aus allen möglichen MCU/Avengers-Streifen, diesmal als leicht arroganter Smart Hulk) verletzt werden und sich ihr Blut vermischt. Danach erleben wir in der Premieren-Episode, wie Bruce in seinem abgelegenen Domizil am Strand von Mexiko versucht, Jennifer dank seines langjährigen Hulk-Erfahrungsschatzes auf ihr neues Leben vorzubereiten. Aber Jen ist, das wird recht schnell deutlich, in vielerlei Hinsicht eine andere Art von Hulk und braucht die ganzen Hightech-Tests und den meditativen Zen gar nicht. Und so kehrt sie einfach in ihr altes Leben als aufsteigende Anwältin zurück. Denkt sie. Oh, und in der Post-Credit-Szene erfahren wir, ob eine Helden-Ikone wirklich Jungfrau war, also einmal mehr unbedingt bis zum Ende schauen oder spulen …

Für ein endgültiges Urteil der Jury ist es noch etwas zu früh, aber „She-Hulk: Die Anwältin“ könnte Woche für Woche auf unkomplizierte Weise Spaß machen – die Origin-Nummer von Regisseurin Kat Coiro („Florida Girls“, „The Mick“) tut es jedenfalls schon mal. Im Vorfeld wurde einiges über ‚maue CGI-Gamma-Effekte’ und Tatiana Maslany als ‚grün angemalte’ She-Hulk gelästert, beim Schauen des Serien-Debüts auf Disney+ denkt man, wie zu erwarten, letzten Endes kein einziges Mal darüber nach. Dafür hat man mit dem beiden Hulks, die sich verwandtschaftlich in paradiesischer Umgebung kabbeln, zu viel Fun, ohne dass da jetzt irgendetwas neu erfunden oder über die Grenzen gepusht werden müsste. Hoffentlich bleibt das so.

Abb.: Screenshots - Photo courtesy of Marvel Studios. © 2022 MARVEL; Comics © 2022 Marvel

She-Hulk: Die Anwältin – Staffel 1, Folge 1 • USA 2022 • Regie: Kat Coiro • Darsteller: Tatiana Maslany, Jameela Jamil, Mark Ruffalo, Ginger Gonzoga

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