21. Juni 2018 3 Likes

Innenwelten

Die Ausstellung „Welt ohne Außen“ untersucht die Möglichkeiten von immersiven Räumen

Lesezeit: 3 min.

Immersive Räume zählen seit Jahren zu den beliebten Topoi des Science-Fiction-Kinos von der Matrix bis The Cell, aber auch in der Realität wird das Betreten von anderen Welten dank der Verbreitung von Virtual Reality immer einfacher und immer häufiger Teil von Kunstausstellungen. So auch momentan im Berliner Gropius-Bau, wo eine VR-Installation den chronologischen Abschluss einer Schau bildet, die Immersive Räume seit den 60er Jahren vorstellt. Damit haben die Kuratoren – der Künstler Tino Sehgal und der Dramaturg Thomas Oberender – den Begriff der Immersion natürlich sehr weit gefasst, doch gerade dies macht die noch bis Anfang August laufende Ausstellung „Welt ohne Außen“ so spannend.

Die frühesten Arbeiten, etwa drei teilweise verspiegelte Glasscheiben, mit denen Larry Bell Illusionen des Verschwindens erzeugt, oder ein komplett weißer Raum von Doug Wheeler, in dem man nach einer gewissen Zeit zunehmend die Orientierung verliert, entstanden in den 60er Jahren. Mit späteren Experimente, etwa Carsten Höllers Wand aus Stroboskoplichtern, die ein wenig wie eine extreme Disco wirkt, beginnt das analoge Kunstwerk langsam den Platz frei zu machen für digitale Experimente, wie etwa Dominique Gonzalez-Foersters passenderweise 2001 entstandener Raum-Installation „Cosmodrome“. In einen stockdunklen Raum wird man anfangs geführt, der grobkörnige Sand unter den Füßen mag angesichts des Titels an die Oberfläche eines fremden Planeten erinnern, bald verstärken bunte Lichtpunkte und eine sonore Stimme, die aus dem Nichts zu kommen scheint, den Effekt, sich in einer fremden Welt zu befinden. Ein wenig erinnern die Lichtspiele, die hellen, bunten Dioden, die den Blick nach oben richten lassen, an die Landung des Raumschiffs in Spielbergs Unheimliche Begegnung der Dritten Art, das man diese Erfahrung mit anderen Besuchern teilt verstärkt den Effekt eines kollektiven Erlebnisses nur noch.

Die beiden jüngsten Arbeiten in 3D bzw. VR sind dagegen das Gegenteil: Dank der entsprechenden Brillen ist man ganz allein mit den Bilderwelten von Cyprien Gaillards „Nightlife“ (hier ein kleiner Eindruck), eine Reise durch die Nacht, eine Nacht ohne Menschen, in der die Pflanzen zum Leben erwachen, sich winden und ranken, zum Teil in Cleveland, wo die Black Panther-Bewegung ihren Anfang nahm, über Los Angeles bis zum Berliner Olympiastadion, wo 1936 der Schwarze Jesse Owens seine Medaillen gewann.

Um Unterdrückung geht es schließlich auch in der abschließenden VR-Arbeit „After Solitary“ von Nonny de la Pena (hier ein Ausschnitt). Nicht zum Ritt durch ferne Welten wird hier die VR-Technik benutzt, sondern journalistisch. Im Kern ist es eine Reportage über einen ehemaligen Häftling, der Jahre im Gefängnis verbrachte, viele Jahre in einer Einzelzelle und nach seiner Freilassung unter den Folgen der Haft leidet. Nun ist er zwar frei, aber jetzt ist ein kleines Zimmer seine neue Einzelzelle. So gerne wie hier verlässt man sonst nicht eine virtuelle Welt, doch diese 12 Minuten unter der VR-Brille zeigen besonders eindringlich, was mit den Möglichkeiten der Immersion heutzutage zu erreichen ist.

„Welt ohne Außen“ bis 5. August, Martin-Gropius-Bau Berlin. Infos unter: Berlinerfestspiele


© Carsten Höller, courtesy the artist and Henie Onstad Kunstsenter, Hovikudden


© Larry Bell, courtesy the artist and White Cube, Foto: Mathias Völzke

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