12. November 2015 1 Likes

„Wir wissen genau, wer diese Figuren sind.“

Interview mit „Star Wars“-Autor Greg Rucka („Imperium in Trümmern“)

Lesezeit: 10 min.

Greg Rucka machte sich als Autor vieler starker Comics und Roman-Krimis einen Namen und schrieb auch schon Bücher zum SF-Videogame „Perfect Dark“. Im Comic-Bereich erschuf er eigene Serien wie das verfilmte „Whiteout“, die Spionage-Serie „Queen & Country“ und das neue Science-Fiction-Prunkstück „Lazarus“. Außerdem verfasste der 1969 geborene Fußball-Fan, der mit seiner Familie in Portland lebt, für DC und Marvel Titel wie „Batman“, „Gotham Central“, „Batwoman“, „Wonder Woman“, „Superman“, „52“, „Wolverine“, „Elektra“ und „Punisher“, die oft von seiner Vorliebe für Noir-Stoffe und seinem Augenmerk auf starken Frauenfiguren geprägt sind. Für das LucasArts/Marvel/Disney-Imperium textete Rucka zuletzt die vierteilige Panel-Miniserie „Star Wars: Imperium in Trümmern“, die größtenteils nach dem Abspann von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ spielt und vorzüglich auf J. J. Abrams’ „Das Erwachen der Macht“ einstimmt. Parallel dazu schrieb Rucka ein neues Prosa-Abenteuer mit Han Solo und Chewbacca („Im Auftrag der Rebellion“) und drei Geschichten mit den neuen Helden aus der nahenden Episode VII („Before the Awakening“). Im Interview spricht Mr. Rucka über die Reinheit des Star Wars-Universums, die Arbeit im Schatten des neuen Films und die TV-Adaption von „Lazarus“.

Hallo Greg. Bist du wirklich so ein riesiger Star Wars-Fan, wie es heißt?

Irrsinnig riesig. Hier daheim in meinem Arbeitszimmer im Keller muss ich mich nicht einmal auf meinem Stuhl umdrehen und sehe drei Lichtschwerter (na ja, zwei, eines ist ein Master Replica Doppelklingen-Schwert von Darth Maul, aber es ist zerteilt), zwei Blaupausen an der Wand – eine von Qui-Gons Lichtschwert, eine von Lukes aus Die Rückkehr der Jedi-Ritter –, und eine besonders detailreiches, maßstabsgetreues Modell des Millennium Falcon. Das sehe ich also, ohne mich umzudrehen. Du willst nichts über das wissen, was sich im Regal hinter mir befindet, oder auf dem Kamin zu meiner Linken. Oder über den BB-8, der neben meiner Tastatur sitzt. Oder über die Bücher im Buchregal zu meiner Rechten. Oder die Bücher, die im nächsten Raum gestapelt sind. Oder ein Stockwerk höher. Die Liste geht immer so weiter.

Verspürt man als Autor einen anderen Druck, wenn man statt Batman in einem Comic Han Solo und Luke Skywalker schreibt?

Ich bin mir nicht so sicher, dass der Druck anders ist, aber ich war seiner viel stärker bewusst. Augenscheinlich habe ich schon vorher Auftragsarbeiten erledigt. Das tue ich jetzt schon seit über 15 Jahren im Comic-Bereich. Doch ich denke, dass es bei der Arbeit für Marvel und DC ein wenig Spielraum gibt – jeder weiß, wer Batman ist, aber es gibt immer den Raum für Autoren, ‚ihren’ Zugang zur Figur zu erkunden, verstehst du? Doch das kann man nicht mit Star Wars machen. Ich hätte es sicher nicht gekonnt. Nicht in den beiden Projekten, die bisher veröffentlicht wurden. Der Roman „Im Auftrag der Rebellion“ ist direkt nach Episode IV angesiedelt, und Han und Chewie sind in diesem Film ganz klar gezeichnet. Wir wissen, wie sie klingen, wie sie sich verhalten sollten. Das lässt kaum Interpretation zu. Ebenso der Comic „Imperium in Trümmern“, der unmittelbar nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ einsetzt, und wieder wissen wir genau, wer diese Figuren sind, was sie taten und was wir von ihnen erwarten. Also yeah, mir war vollkommen bewusst, dass ich versuchen musste, es richtig hinzukriegen, oder zumindest so richtig, wie mir möglich. Es ist eine gewaltige Ehre, in diesem Universum spielen zu dürfen, und ich wollte den Fans auf keinen Fall Geschichten präsentieren, die nicht glaubhaft klingen. Diese Verantwortung habe ich äußerst ernst genommen, wodurch ich mir selbst enormen Druck gemacht habe.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit den Entscheidern bei Lucasfilm, Disney und Marvel?

Nun, es ist eine Auftragsarbeit, nicht wahr? Ich habe keine Illusionen mehr darüber, für wen ich arbeite, oder über die Macht, die man dort besitzt. Es wäre albern von mir, mir das nicht vor Augen zu führen, und wäre ich losgezogen und hätte etwas völlig lächerliches oder seltsames für die Figuren vorgeschlagen, wäre ich ausgesprochen naiv gewesen, hätte ich geglaubt, Lucasfilm würde das absegnen. Ich weiß, dass es viele Autoren gibt, die sich über jede Art von Einschränkung ärgern, aber ich finde so was seltsamerweise befreiend – ich erhalte die Parameter, mit denen ich arbeiten werde, und mein Job ist es, innerhalb dieses Gebildes und Rahmens zu liefern. Das kann ziemlich dankbar sein.  

Und mit Lucasfilm und Marvel kann man echt fantastisch zusammenarbeiten. Sicher können sie manchmal ganz schön fordernd sein, aber das geschah stets im Dienste der bestmöglichen Geschichte, und daran werde ich niemals Anstoß nehmen. In beiden Firmen arbeiten einige richtig schlaue Leute, Redakteure und Berater, die sich in ihrem Job hervorragend auskennen. Wenn du solche Ressourcen zur Unterstützung hast ist das immer ein enormer Vorteil, den man meines Erachtens am fertigen Produkt sieht.

Ja, tut man. Ich finde es z. B. großartig, dass du in „Imperium in Trümmern“ mit Shara eine eigene, neue Figur eingeführt hast. Durch sie hast du Han, Luke und Co. auch nicht überstrapaziert. War das eine schwere Entscheidung?

„Imperium in Trümmern“ wurde mir mit einigen sehr spezifischen Bedingungen und Einschränkungen übergeben. So sehr es mir gefallen hätte, alle vier US-Hefte einfach über die Leia nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ zu schreiben, so war das nicht meine Aufgabe – meine Aufgabe war es, den Zustand der Galaxis unmittelbar nach der Zerstörung des zweiten Todessterns zu zeigen. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass all diese Werke – „Im Auftrag des Imperiums“, „Imperium in Trümmern“ – dafür gedacht sind, zu „Das Erwachen der Macht“ hinzuführen … und „Das Erwachen der Macht“ ist genauso eine Geschichte über die Hauptfiguren des Kanons wie über die neue Generation, die darin eingeführt wird. Die Filme geben den Takt vor – sie sind schließlich die Quelle. Ich soll versuchen, das aufzuwerten und zu ergänzen.

Mit all dem im Hinterkopf, war es zu gleichen Teilen gesunder Menschenverstand wie Notwendigkeit, die dazu führten, Shara und Kes als primäre Hauptfiguren für „Imperium in Trümmern“ zu etablieren. Und wer meine Arbeit kennt, der weiß vermutlich, dass ich zu solchen Figuren neige, die am Rand ‚großer Ereignisse’ stehen, um es mal so zu sagen. Figuren, die alle Handlungen und Auswirkungen der großen Figuren erleben, der Beweger und Erschütterer.

Du hast den Ruf, einer der besten Noir-Autoren der amerikanischen Comic-Szene zu sein. In „Imperium in Trümmern“ gibt es für entsprechende Elemente keinen Raum. Vermisst du das im Weltraum, im Star Wars-Universum?

Hah! Ich weiß nicht, welchen Ruf ich habe! Du sagst, es ist ‚noir’, und andere sagen, dass es ‚Spionage’ ist, und wieder andere ‚toughe Frauen’ oder sonst was. Ich bin ein Geschichtenerzähler. Mein Job ist es, eine Geschichte so gut zu erzählen, wie ich kann, egal was für eine Geschichte das ist. Im Star Wars-Universum gibt es bestimmt einen Platz für Noir-Geschichten, so, wie man darin Spionage-Geschichten, romantische Geschichten und so weiter erzählen kann. Ich habe „Imperium in Trümmern“ nie als ein anderes Genre als ‚Star Wars’ wahrgenommen, das sein eigener, gewaltiger Schirm ist.

Auf gewisse Weise ist „Imperium in Trümmern“ auch eine Analogie auf den Krieg und das Soldatenleben. Ist es schwer, über Imperien und Rebellen zu schreiben, während in der echten Welt Konflikte wie in Syrien toben?

Nicht schrecklich schwierig, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Ich war mir dessen absolut bewusst – es wäre schwer, die potenziellen Parallelen nicht zu sehen. Doch die Tatsache, dass es sich um Star Wars handelt, ist in dieser Beziehung enorm befreiend. Jede Science-Fiction kann als Allegorie oder Analogie gelesen werden, und in manchen Fällen klappt das richtig, richtig gut. Aber Star Wars besitzt eine Reinheit, die sich dem auf gewisse Weise verweigert, anders als zum Beispiel Star Trek, das es viel mehr sogar annimmt. Star Wars hingegen ist vor allem anderen ein Märchen. Deshalb sind alle Parallelen, die jemanden zur echten Welt ziehen möchte, wesentlich weniger zwingend und können wesentlich subtiler gezogen werden, wenn sie jemand unbedingt ziehen möchte.

Wir leben in einer Welt, in der es entsetzlich viel Grau gibt – wo der Unterschied zwischen Richtig und Falsch selbst im besten Fall schwer zu erkennen ist, und wo das Richtige tun oft zu desaströsen Komplikationen und Durcheinander führt. Doch die Welt von Star Wars lässt Absolutes auf einen äußerst direkten Weg zu – da gibt es die Helle Seite der Macht, und die Dunkle Seite der Macht, und wir wissen weitgehend, wer wo steht.

Was ist besonders schwierig, wenn du das Star Wars-Universum in einen Young-Adult-Roman wie „Im Auftrag der Rebellion“ kleiden musst?

Ich bin das Buch mit Han und Chewie nicht mit besonderem Augenmerk auf eine jugendliche Zielgruppe angegangen – für ‚middle readers’, wie man sie in den Vereinigten Staaten nennt. Ich wollte eine solide, unterhaltsame Star Wars-Geschichte schreiben und dachte mir, wenn mir das gelungen ist, hätte ich etwas geschrieben, das für jeden zugänglich wäre, egal wie alt er ist. So viel Spaß hatte ich beim Schreiben eines Romans selten, muss ich gestehen. Den ersten Entwurf schrieb ich nonstop innerhalb einer Woche, wobei ich die Film-Soundtracks in Endlosschleife hörte, immer und immer wieder. Der Auftrag kam zu einem günstigen Zeitpunkt, als ich Platz in meinem Terminkalender hatte. Mehr noch, hinter mir lagen gerade einige schmerzhafte emotionale Erfahrungen. Mich in eine ‚weit, weit entfernte’ Galaxis zurückziehen zu können, wo Han Solo und Chewbacca auf mich warteten, machte es viel, viel erträglicher.

„Im Auftrag der Rebellion“ ist Teil einer Reihe von Büchern, die für ‚junge Leser’ gedacht sind, allerdings glaube ich aufrichtig daran, dass sie Leser jedweden Alters gefallen können und werden, und das ist nur richtig. Star Wars selbst ist all-age, also sollten die unterstützenden Materialien – seien es Comics oder Romane oder was auch immer – das ebenfalls sein, wie schon gesagt.

Mit „Before the Awakening“ hast du einen weiteren Roman geschrieben, der allerdings erst am 18. Dezember erscheint und sich um die Figuren des neuen Films dreht. Wie muss man sich deine Arbeit an diesem Buch vorstellen?

Genau genommen handelt es sich um drei einzelne Geschichten, und jede folgt einem Helden der neuen Generation in den Tagen, Wochen und Monaten, bevor wir sie in „Das Erwachen der Macht“ treffen.

Mir wurde tatsächlich erlaubt, das Drehbuch zu Episode VII zu lesen, ehe ich mit der Arbeit am Buch begann. Das war definitiv nötig, und sei es auch bloß, da ich andernfalls nicht dafür hätte sorgen können, dass Rey wie Rey klingt, Poe wie Poe, und Finn wie Finn. Ich war ein mehrere Tage bei Lucasfilm und wurde mit einer Kopie des Drehbuchs in einem Büro eingeschlossen, wo ich es ein paar Stunden lang mehrfach durchlas und mir einige Notizen machte.

Das Großartige an Star Wars ist – jedenfalls für mich –, dass man niemals alleine daran arbeitet. Es gibt stets eine Vielzahl von Leuten, an die ich mich mit meinen Fragen wenden, mit denen ich Ideen austauschen und zusammenarbeiten kann, und das sorgt in meinen Augen für ein entschieden besseres Endprodukt. Es hat wirklich wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Vor Kurzem sprach ich mit SF-Autorin Jo Walton, die sagt, Blockbuster wie „Star Wars“ brächten der SF-Literatur nicht so viel, da sie eine andere Zielgruppe als die Leserschaft von SF-Büchern ansprächen. Wie siehst du das? Und denkst du, deine Arbeit im Star Wars-Universum generiert trotzdem neue Leser für deine famose SF-Comic-Serie „Lazarus“, die ab Januar auch auf Deutsch kommt?

Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin mir nie sicher, wie viele Leser von einem Projekt zum anderen übersetzen. Leser, die „Lazarus“ kaufen, weil sie denken, dass sie eine Geschichte wie in „Imperium in Trümmern“ bekommen, erwartet ein übler Schock! Doch ja, hoffentlich gibt es ein paar Leute, denen gefallen hat, was sie gelesen haben, und die Willens sind, mir zu einem anderen Projekt, einem anderen Titel zu folgen.

Was Jo Waltons Aussagen angeht, verstehe ich ihren Standpunkt und bin keineswegs sicher, ob ich widersprechen würde. Ein Film ist kein Comic ist kein Roman. Sie alle wirken auf ein grundverschiedenes Publikum, wobei Filme das breiteste Publikum von allen haben. Trotzdem bin ich nicht sicher, dass Sci-Fi-Literatur nicht von z. B. „Das Erwachen der Macht“ profitiert; man vergisst gerne, dass nach Release des originalen Krieg der Sterne-Films jedes Studio und jeder Sender versuchten, Kapital aus dem zu schlagen, was sie als neuen ‚Sci-Fi’-Wahn betrachteten. Die meisten dieser Projekte waren jämmerliche Fehlschläge, doch ein paar von ihnen wurden Hits. Wenn etwas populär ist, zahlt sich das stets aus, deshalb denke ich, dass wir definitiv eine Art Renaissance der Sci-Fi-Literatur sehen könnten, da neue Leser mit den Möglichkeiten des Genres vertraut gemacht werden.

Apropos Sender. Kannst du uns ein Update zur TV-Adaption von „Lazarus“ geben?

„Lazarus“ wurde im vergangen Frühling von Legendary Pictures optioniert. Die letzten Monate arbeitete ich am Script für die Pilotfolge. Wir stehen kurz davor, es auf die Reise zu schicken auf der Suche nach einem Sender, der Interesse an der Serie hat, und wenn das geschieht … nun, wir werden eine große Hürde genommen haben, wenn wir so weit gekommen sind. Wenn wir so weit kommen sollten, sehen wir Forever Carlyle womöglich in den nächsten Jahren im TV. Ich arbeite mit erstaunlichen Menschen zusammen und bin ziemlich optimistisch, und das will angesichts meiner Erfahrungen mit Hollywood innerhalb des letzten Jahrzehnts schon einiges heißen! Ich habe also hochgeschraubte Erwartungen!

Wir drücken die Daumen. Danke für das Interview, Greg.

Abb: © & TM 2015 LUCASFILM LTD.

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