12. Oktober 2016

Gevatter Tod die Hand reichen

Terry Pratchetts Gedanken über Alzheimer, den Tod und Sterbehilfe

Lesezeit: 2 min.

Sir Terry Pratchett, der am 12. März 2015 aufgrund einer schweren, seltenen Form von Alzheimer mit nur 66 Jahren viel zu früh eine runde und eine flache Welt verlassen musste, hatte ein besonderes Verhältnis zum Tod. Vermutlich kann man sogar sagen, dass er das Verhältnis von Millionen von Menschen zum Tod ein klein wenig veränderte, indem er den knochigen Sensenmann in seinen beliebten Scheibenwelt-Geschichten zu einer so ungeheuer menschlichen Lieblingsfigur machte.

Ende 2009 – nicht lange nach seiner Diagnose, als er bereits die Fähigkeit eingebüßt hatte, mit zehn Fingern zu tippen – wurde Pratchett von der Familie des Journalisten Frederick Richard Dimbleby (1913–1965) gefragt, ob er die alljährliche Richard Dimbleby Lecture übernehmen wolle, die seit 1972 im Fernsehprogramm der BBC ausgestrahlt wird und schon von Bill Gates, Prinz Charles und Helmut Schmidt gehalten wurde. Pratchett willigte ein, schrieb und diktierte seinen Text und gab im Februar 2010 an Ort und Stelle schließlich eine kurze Einführung, ehe sein in diverse Multimedia-Inkarnationen der Scheibenwelt involvierter Freund Tony Robbins die Rede gekonnt vortrug.

Sir Terrys klare, mit wohl dosiertem Witz („Wir sind eher aufstrebende Affen als gefallene Engel“) und jeder Menge Weisheit abgepackte Gedanken sind zusammen mit einer kurzen Einleitung seines Freundes und Assistenten Rob Wilkins Anfang Oktober bei Manhattan als schmales Hardcover und als E-Book unter dem Titel „Dem Tod die Hand reichen“ erschienen – vermutlich einer der persönlichsten Texte, die der große englische Autor im Verlauf seiner großen Karriere verfasst hat. Pratchett sinnierte prägnant über den Abschied von geliebten Menschen, Alzheimer, den Umgang mit Patienten, das Wissen um die eigene Sterblichkeit, ein würdevolles Dahinscheiden, die Überholung des gesunden Menschenverstandes durch die Technologie, die Verbindungen von Medizin, Politik und Religion sowie den Unterschied zwischen verzweifeltem Selbstmord und rationaler medizinischer Sterbehilfe. Ein dünnes, nichtsdestotrotz kluges Büchlein.

Hier findet sich eine Leseprobe zu einem der gleichzeitig wohl traurigsten Bücher der Saison, denn natürlich wird einem dadurch wieder bewusst, dass Terry Pratchett nicht mehr da ist, um uns zu erklären, wie wir Menschen ticken und wie die Welt funktioniert. Dass er beides über Gebühr verstanden hat, zeigten auch die wenigen Seiten in „Dem Tod die Hand reichen“. Bleibt zu hoffen, dass dieses Buch über Pratchetts ergebenen Fan-Kreis hinaus die richtigen Leute erreicht.

Terry Pratchett: Dem Tod die Hand reichen • Manhattan, München 2016 • 77 Seiten • 10,00 Euro

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