14. Oktober 2019

Namensänderung

Tiptree Award wird zu Otherwise Award (vielleicht)

Lesezeit: 3 min.

Das auch Autoren nur Menschen sind, dürfte klar sein, Menschen, die eben auch Fehler machen, ebenso. Dass nach Autoren Preise benannt werden ist nicht selten, schließlich hat das Werk dieser Menschen meist viele andere Menschen bewegt. Oft genug steht das Werk auch für etwas, ein spezielles Anliegen, oft untrennbar mit der Biografie des Autors verbunden.


Alice Sheldon

Das gilt auch für Alice Sheldon alias James Tiptree Jr. (1915-1987) die besonders in den 1970ern die amerikanische SF mit ihren frischen Erzählungen auf Links drehte. Dass sie fast zehn Jahre unerkannt unter einem männlichen Pseudonym schrieb und von männlichen Größen der Zunft für ihren männlichen Stil gelobt wurde, ist Teil der schillernden Legende, die Tiptree ausmacht.

Dass sie immer wieder Gender-Themen berührte, zum Beispiel in einer ihrer bekanntesten Geschichten, „The Women Men Don’t See“, machte Tiptree nach ihrem Tod zur idealen Kandidatin als Namensträgerin für einen SF-Preis, der speziell Werke auszeichnen sollte, die sich mit Geschlechterthemen befassen. Der Preis wird seit 1991 verliehen, zu den Ausgezeichneten gehören u.a. Maureen F. McHugh, Ursula K. Le Guin, Mary Doria Russell, Kelly Link, M. John Harrison, Matt Ruff, Catherynne M. Valente, Caitlin R. Kiernan und Jo Walton.

Es gibt wohl niemanden, der Tiptrees Bedeutung für die SF kleinreden würde, aber ihr Lebensende stand nun im Mittelpunkt einer ganz anderen Diskussion. Sheldon hatte nämlich 1987 ihren durch Krankheit schwerbehindert gewordenen Mann getötet und sich anschließend selbst das Leben genommen. Von einem verabredeten Selbstmordpakt war lange die Rede. Jetzt wurden Stimmen laut, die die Tötung von Sheldons Mann als Mord bezeichnen. Hier ging es nicht (nur) um eine juristische Frage, sondern vor allem um die Art und Weise, wie die Gesellschaft mit behinderten Menschen umgeht, Stichworte Ableismus und Disablismus.

Gerade der Wunsch nach Veränderung von scheinbar zementierten Werten und Betrachtungsweisen steht aber nun auch im Zentrum jeder Gender-Diskussion, und daher kann man wohl verstehen, wie hellhörig das Kommittee (das „Motherboard“) des James Tiptree Jr. Awards wurde, als die Debatte Fahrt aufnahm. Und kam dann zu dem Schluss, den Namen des Preises zu ändern, weil man auf dem Weg in eine Gesellschaft, die im Wandel begriffen ist und das als Chance versteht, nach Möglichkeit jeden mitnehmen will. Man möchte hier anfügen, dass die Diskussion, soweit sie an die Öffentlichkeit gedrungen ist, sehr an- und verständig verlaufen ist, leicht gemacht haben es sich beide Seiten nicht.

Das Motherboard hat nun nach interner Diskussion beschlossen, den Preis in Zukunft Otherwise Award zu nennen, wobei sich das „Otherwise“ auf das Andere bezieht, das neben der Norm eben auch existiert. Aber gleichzeitig lässt man die Tür offen für weitere Vorschläge, sollten sich starke Argumente dafür finden, dass auch dieser Name vielleicht auf Widerstände trifft. Nachzulesen ist die ganze Begründung des Motherboards hier.

Das Gesamtwerk von Tiptree liegt auf Deutsch im Septime-Verlag vor. Dort erschien auch die exzellente Biografie „James Tiptree Jr. - Das Doppelleben der Alice B. Sheldon“ von Julie Phillips.

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