8. März 2016 2 Likes

Ihre Zukunft, unsere Zukunft

Zum Weltfrauentag: Meine persönlichen Top 5 Romane von Science-Fiction-Autorinnen

Lesezeit: 3 min.

Frauen können schon immer alles. Zwar im großen und ganzen weder schlechter noch besser als Männer, denn die können ja auch immer alles. Aber, wie Kameron Hurley in ihrem Essay im Science Fiction Jahr 2015 feststellt, Frauen „kämpfen seit jeher“ – und darum gibt es den Weltfrauentag. Dass in einem zukunftsgewandten Genre wie der Science-Fiction die Existenz von Autorinnen überhaupt noch hervorgehoben werden muss, ist eigentlich ein Unding, aber Geschlechterklischees haften nach wie vor an bestimmten Sparten der Unterhaltungsliteratur wie Pech (nicht nur in der SF, wie die Krimiautorin Zoë Beck klarstellt).

Der Weltfrauentag existiert aber offenbar genau aus diesem Grund, um solchen Hervorhebungen und Klarstellungen so lange Raum zu geben, bis dieser Raum zu einem selbstverständlichen Aufenthaltsort in unserem kulturellen Bewusstsein geworden ist. Im dortigen Bücherregal sollten deshalb die folgenden Romane von meisterhaften Autorinnen auf gar keinen Fall fehlen. Nicht weil sie von Frauen geschrieben wurden – das auch –, aber weil sie ganz einfach wunderbare, genreprägende und horizonterweiternde Geschichten erzählen.

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5) C.J. Cherryh: Pells Stern (Downbelow Station, 1981)

Die weit von der Erde entfernte Raumstation Downbelow gerät in einem interstellaren Krieg zwischen die Fronten. Flüchtlinge und Verletzte treffen ein und werden zum Spielball mächtiger politischer und militärischer Gegenspieler … Also wenn es einen Roman gibt, den man angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingssituation in Europa lesen sollte, dann wohl diesen! Überhaupt ist C.J. Cherryh eine wiederentdeckenswerte Autorin, die ich allen nur ans Herz legen kann.
 

4) Octavia Butler: Die Parabel vom Sämann (The Parable of the Sower, 1993)

Lauren Olamina, eine junge schwarze Frau, verfügt in dieser Zukunft über eine seltene Erbkrankheit namens Empathie – sie kann den Schmerz anderer Menschen fühlen. In einem Land, das von marodierenden Banden terrorisiert wird und in dem sich alle anderen in abgeschottete, quasi-religiöse Gemeinschaften zurückgezogen haben, kommt Lauren Olamina den verhängnisvollen Veränderungen der menschlichen Gesellschaft auf die Spur. Ein eindringliches Buch von einer Kämpferin für Frauen- und Minderheitenrechte!
 

3) Mary Doria Russell: Sperling (The Sparrow, 1996)

Was passiert, wenn ein jesuitischer Missionar mit einer außerirdischen Zivilisation Kontakt aufzunehmen versucht – und dann auf eine Kultur trifft, die jeden philosophischen und ethischen Horizont übersteigt? Ich habe „Sperling“ fast in einem Rutsch durchgelesen – und bin begeistert über die Intelligenz, Weisheit und Unterbittlichkeit, mit der Russell hier Menschen und Außerirdische, aber auch Religion und Wissenschaft aufeinanderprallen lässt. Wer „Sperling“ liest (leider nur noch antiquarisch erhältlich), wird sich ein Leben lang daran erinnern.
 

2) Ann Leckie: Die Maschinen (Ancillary Justice, 2013)

Ann Leckies Romandebüt hat 2014 die Welt der Science-Fiction aufgerollt, denn mit „Die Maschinen“ hat sie so ziemlich alle großen Genrepreise eingeheimst, die es gibt. Zu recht, wie ich finde – denn Leckie gelingt das seltene Kunststück, in einem Roman nicht nur sprachliche Geschlechterparadigmata durcheinanderzuwirbeln, sondern uns auch eine Heldin von einer schroffen und gleichzeitig nahbaren Nicht-Menschlichkeit vorzustellen (Breq ist eine Militärschiff-K.I. im Körper eines, nun ja, Zombie-Cyborgs) und das ganze in eine faszinierende galaktische Zukunftskultur einzubetten, die einem zurzeit höchstens noch bei Dietmar Dath (im Shop) begegnen kann. Wie ich schon einmal sagte: Dieses Buch hat aus mir eine Leserin gemacht.
 

1) Ursula K. Le Guin: Die linke Hand der Dunkelheit (The Left Hand of Darkness, 1969)

Wie fange ich an, über meinen Lieblings-Science-Fiction-Roman zu schreiben? Was lässt sich noch sagen über ein Buch, dessen Außerirdische mir mehr darüber erzählen, was es bedeutet Mensch zu sein, als so manches „realistische“ Buch? Dessen hermaphroditische Zwitterwesen auf ergreifende Weise vor Augen führen, warum das Weibliche und das Männliche nicht Gegner sein müssen, aber als Gegenüber einander ergänzen können? In dem Le Guin, eine im besten Wortsinn große Autorin, uns einen von aller Religion entkleideten Messias vor Augen führt – nämlich einen Menschen, der sich selbst gibt, um einen Weg für alle anderen frei zu machen? Nicht viel, außer: Lest dieses Buch!

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Das also ist meine Bitte von mir als Mann am Weltfrauentag und von mir als Science-Fiction-Lektor im Jahr 2016: Wenn ihr dieses Jahr nur ein Buch lest – dann lest „Die linke Hand der Dunkelheit“. Aber ihr macht ja sowieso, was ihr wollt. Hoffe ich.

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