Heutige Comic-Querdenker über das Morgen
Die Cloudburst Edition von „The Private Eye“ im Hardcover
Über den Comic „The Private Eye“ von US-Autor Brian K. Vaughan („Saga“) und dem spanischen Zeichner Marcos Martin („Spider-Man“) zu schreiben, heißt zwangsläufig zu schwärmen. Ihr Science-Fiction-Panel-Krimi spielt in einer mehr als fünfzig Jahre entfernten Zukunft nach der großen Flut und nach Bloßlegung der Cloud, der sozialen Medien und jeder Online-Suchanfrage, weshalb Privatsphäre wieder über alles geht und alle Erwachsenen Masken tragen – und ist einfach zu gut. Ein überragender Comic, und unabhängig vom Medium überragende Science-Fiction, die als Neo-Noir-Story das Heute geschickt in ein faszinierend andersartiges, nichtdestotrotz komplett nachvollziehbares Morgen verwandelt.
Ein Deal mit Robert „The Walking Dead“ Kirkman machte es möglich, dass die zehn ursprünglich digital im Eigenverlag publizierten Kapitel, deren Preis jeder Leser obendrein selbst bestimmen kann, nun von Image noch einmal als englischsprachiger Print-Sammelband veröffentlicht wurden. Das Hardcover kommt als schmale „The Private Eye: The Cloudburst Edition“ im Querformat mit 31 x 19 cm daher. Natürlich merkt man, dass die 2015 mit dem Eisner und dem Harvey Award als bester digitaler Comic ausgezeichnete Maxiserie eigentlich für ein anderes Medium konzipiert wurde. Wer die PDFs, CBZs oder CBRs in 16:9 am Bildschirm oder auf dem Tablet gelesen hat, wird zum Beispiel die Größe der gedruckten Panels monieren, die strahlende Leuchtkraft der Farben vermissen oder dem Klick-by-Klick-Umblätter-Effekt der Einzelseiten nachtrauern. Gleichzeitig ist die Print-Ausgabe im aufgeklappten Zustand relativ unhandlich, und das Papier hätte gerne etwas dicker sein dürfen.
Dennoch ist es toll, dass „The Private Eye“ seinen Weg in Druck gefunden hat – allein schon wegen aller Leser und Sammler, die noch konsequent in schwindenden Regalmetern denken und rechnen. Trotz allem Fanboy-Genörgels über die vermeintliche Unhandlichkeit des Bandes oder das durchscheinende Papier, ist der Comic inhaltlich und visuell schließlich großartig. Und das ist ja etwas, das man in der Diskussion um E-Books und/oder gedruckte Bücher gar nicht oft genug erwähnen kann – dass eine geile Geschichte immer eine geile Geschichte ist und bleibt, egal, ob man sie auf totem Holz oder lebloser Technik goutiert…
Mal sehen, ob „Barriers“, das Vaughan und Martin Anfang Dezember wie gehabt zunächst auf Panelsyndicate.com starteten, am Ende auch wieder eine Print-Fassung kriegt, und wann ihr „The Walking Dead“-Mehrteiler online folgt, der die andere Hälfte des angesprochenen Hardcover-Deals mit Mr. Kirkman war. Oh, und wen der Größenvergleich The Cloudburst Edition/Dackel interessiert, möge sich die nachfolgenden Fotos betrachten, auf denen BKVs tierischer Sidekick Hamburger mit dem Band posiert. Vaughan postete die Bilder via Twitter mit diesem Text: „Marcos Martin und ich machten einen Comic darüber, wie soziale Medien die Zukunft zerstören, also meldete ich mich in den sozialen Medien an, um euch das zu sagen.“
Brian K. Vaughan & Marcos Martin: The Private Eye. The Cloudburst Edition • Image, Berkeley 2015 • 300 Seiten • $ 49,99 • Sprache: Englisch


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