Auf zum Mond!
Neue Erkenntnisse vom Erdtrabanten und die ersten Pläne der ESA für eine Rückkehr nach Luna
2015 blickten wir sehnsüchtig auf den Mars. Wir fieberten mit dem Marsianer (im Shop), stellten uns die erste bemannte Mission dorthin vor (im Shop), lasen in Roter Mars (im Shop) über die Zukunft des vierten Planeten und staunten über die Bilder der Rover. Doch so faszinierend der Mars auch ist: Sehr, sehr viel näher, in nur 384 400 km Entfernung, befindet sich ein Himmelskörper, der nicht weniger interessant ist. Und darauf wiederum steht Chinas Rover Yutu, zu Deutsch „Jadehase“. Der Rover landete am 14. Dezember 2013 an Bord der Sonde Chang’e-3 im Mare Imbrium auf dem Mond. Zwar kann er sich seit Ende Januar 2014 nicht mehr bewegen, sendete aber noch bis März 2015 Daten zur Erde. Er war damit der am längsten aktive Mond-Rover (Lunokhod-1 stellte nach elf Monaten 1970 den Dienst ein). Ausgerüstet mit einem Bodenradar, diversen Spektrometern zur Analyse von Gesteinsproben und mehreren Kameras auf Masten untersuchte Yutu das „Meer des Regens“. Einige der Ergebnisse wurden im Dezember 2015 auf Nature.com veröffentlicht, was zweierlei deutlich machte: Das Mondgestein, das Yutu untersuchte, ist anders als das, was wir bisher kennen, und die Entstehungsgeschichte des Mondes offenbar sehr viel komplexer, als wir dachten.
Die Hochzeit der Erforschung des Mondes war in den Siebzigerjahren. Die NASA landete von 1969 bis 1972 die Apollo-Missionen, und die Sowjetunion startete das Luna-Programm (1970-1976), in dessen Verlauf sie unter anderem die beiden Lunokhod-Rover absetzte. Danach beobachteten wir den Mond nur noch mittels Teleskope oder Orbiter, bis China auf den Plan trat und das Chang’e-Programm startete, benannt nach der chinesischen Mondgöttin, deren Begleiter Yutu ist. Das Reich der Mitte interessierte sich vor allem für die jüngere Mondgeschichte, daher entschied man sich für das Mare Imbrium als Landeort und gesellte sich so zu Apollo 15 und Lunokhod-1. Die Mondmeere sind flache, annähernd runde Tiefebenen, die vermutlich bei großen Einschlägen entstanden und sich danach mit Basalt aus dem heißen und flüssigen Mondinneren füllten, was sie dunkler erscheinen lässt. Vermutlich blieb der Mond nach seiner Entstehung einige Zeit lang heiß – eventuell gab radioaktives Material beim Zerfall ausreichen Hitze ab – und vulkanisch aktiv, sodass ein Teil des Mantelgesteins über mehrere Milliarden Jahre hinweg flüssig blieb und die Einschlagbecken schnell wieder füllen konnte.
Yutu setzte im Norden des Mare Imbriums in der Nähe des weniger als drei Milliarden Jahre alten Kraters Zi Wei auf. Der Basalt dort stammt aus einer Zeit, in der sich der größte Teil der Mondoberfläche bereits wieder abgekühlt hatte. Die Regolithschicht – der extrem feine Mondstaub, der bei Meteoriteneinschlägen entsteht – ist an dieser Stelle relativ dünn und besteht überwiegend aus demselben Material wie das Gestein darunter, sodass Yutu Einblicke in die junge Mondgeschichte erhält. Die Daten, die Yutu zur Erde schickte, unterscheiden sich gravierend von denjenigen der Apollo- und Lunokhod-Mission: Yutu fand das darin Titaneisen. Das hat einen sehr niedrigen Schmelzpunkt und gehört demnach zu den letzten Mineralien, die nach der großen Hitze abgekühlt sein dürften. Dabei sinkt dieses Mineral in den Boden ein und sammelt sich dort, sodass titanreiche oder -arme Regionen entstehen. Bei wiederholter vulkanischer Aktivität, wie sie bei einem langsam abkühlenden Himmelskörper zu erwarten ist, ist der Basalt dann entsprechend ebenfalls reich oder arm an Titaneisen. Apollo und Lunokhod-1 entdeckten beide Spielarten von Basalt, Yutu hingegen hat eine Region entdeckt, in der die Titanwerte im mittleren Bereich liegen. Wäre die Oberfläche nach und nach ausgekühlt, hätte sich das viel/wenig-Titaneisen-Muster eigentlich fortsetzen müssen. Der von Yutu entdeckte „Mittelwert“ deutet darauf hin, dass der Mond nicht gleichmäßig abgekühlt ist (wie unsere Erde), und dass die Lava im Mondmantel sich ganz anders zusammensetzt als die der Erde. Das Titaneisen könnte auch durch einen Meteoriteneinschlag in der noch flüssigen Mondoberfläche verteilt worden sein, aber über ausreichend große Einschläge aus der Zeit nach dem Großen Bombardement (vor 4,1-3,8 Milliarden Jahre) wissen wir nur wenig. Yutus Daten werfen vorerst mehr Fragen auf, als sie beantworten.
Der Jadehase fand außerdem heraus, dass das Mantelgestein des Mondes insgesamt sehr viel inhomogener ist als das der Erde, war wahrscheinlich an den großen Einschlägen liegt. Das fast kreisrunde Mare Imbrium ist ein solcher Einschlagkrater, das Südpol-Aitken-Becken übertrifft sogar das Hellas-Becken auf dem Mars und ist der derzeit größte bekannte Krater unseres Sonnensystems. Der Einschlag am lunaren Südpol muss gewaltige Störungen im Mantel hervorgerufen haben, weil dabei vermutlich Mantelgestein aus großen Tiefen an die Oberfläche getreten ist. Weil das Südpol-Aitken-Becken so tief ist, dass das Sonnenlicht nicht bis auf den Grund scheinen kann, vermuten Wissenschaftler dort außerdem Wassereis, das möglicherweise von dem Asteroiden mitgebracht wurde. Ein solcher Fund wäre eine Sensation.
Der Mond ist also nach wie vor ein lohnenswertes Ziel für die Wissenschaftler. Die chinesische Raumfahrtagentur will die Chang’e-Missionen in Zukunft fortsetzen. 2014 feierte man mit Chang’e-5 einen erfolgreichen Rundflug um den Mond, mit dem eine Sample-return-Mission getestet wurde. Chang’e-4 hingegen soll in den 2020er Jahren auf der dunklen Seite des Mondes landen, die bisher nur aus dem Orbit fotografiert wurde. Auch die ESA bekundet in letzter Zeit wieder verstärktes Interesse am Mond, vor allem vor dem Hintergrund des absehbaren Endes der ISS. ESA-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner sprach sich in der jüngsten Vergangenheit vermehrt für die Einrichtung eines dauerhaften Forschungsstützpunktes auf der dunklen Seite des Mondes aus. Dort wäre man von den Radiowellen, die von der Erde ausgehen, geschützt und könne in aller Ruhe ins Universum spähen und horchen. Auf einem Symposium Mitte Dezember 2015 stellte die europäische Weltraumagentur die ersten Pläne dafür vor.
Bilder: CNSA, CCTV
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