23. Oktober 2017 2 Likes

Im Gespräch mit Rachel Bach

„Jedes Genre braucht eine knallharte Frau, die reinhaut, die Welt rettet und flachgelegt wird.“

Lesezeit: 9 min.

Als die amerikanische Fantasy-Autorin Rachel Aaron einen actionreichen Liebesroman mit Science-Fiction-Setting lesen wollte, fand sie nichts Passendes. Also machte sie sich einfach selbst daran, ein solches Buch zu schreiben. Unter dem Pseudonym Rachel Bach (im Shop) verfasste sie drei coole Science-Fiction-Romane, in denen sie typische Elemente der Military-SF und der Space Opera kombiniert und doch auch immer Platz für Leidenschaft und Herzeleid ist. Bei Heyne liegen mit „Sternenschiff“, „Söldnerehre“ und „Kommando“ inzwischen alle Bände der schwer unterhaltsamen „Paradox-Saga“ auf Deutsch vor. Im Mittelpunkt der Serie steht die hammerharte Söldnerin Deviana ‚Devi’ Morris, deren Ziel es ist, in der legendären Leibgarde des Geweihten Königs vom Planeten Paradox zu dienen. Um sich als würdig zu erweisen, heuert sie auf einem Raumfrachter an, der in dem Ruf steht, ständig in besonders heftige Schwierigkeiten zu geraten. Devi steht auf vier Dinge: Ihre Hightech-Kampfrüstung namens Lady Grey, ihre mächtigen Wummen, ihr Flammenschwert und den gut aussehenden Schiffskoch Rupert, der Teil eines düsteren Geheimnisses ist, das über das Schicksal des Universums entscheiden könnte. Im Interview spricht Rachel Aaron über ihre Einflüsse zwischen Warhammer 40K und Ursula K. Le Guin, Sexismus in der Game-Szene, die Military-SF im Angesicht unserer konfliktbeladenen Gegenwart und die Möglichkeit einer Fortsetzung ihrer „Paradox-Saga“.


Foto: © Travis Bach

Hallo Rachel. Wer deine Bücher über Devi Morris liest, erahnt schnell die Bedeutung von Warhammer 40K und Super Metroid für dich. Gab es noch weitere große Einflüsse auf deine Science-Fiction?

Warhammer war definitiv ein großer Einfluss, besonders als es um die Gesellschaft von Paradox und um den Geweihten König ging. Außerdem haben mich Aliens, die Starcraft-Games und Starship Troopers inspiriert, genauso wie fast alles andere, das in den späten 90ern, frühen 2000ern im Weltall angesiedelt war. Science-Fiction war schon immer mein Action-Genre der Wahl. Als ich mich also hinsetzte und meine eigene Variante schrieb, ergab es einfach nur Sinn, dass all die Dinge zurückkamen und mir halfen, die ich als Teenager und als junge Erwachsene geliebt habe! Eine weitere Inspirationsquelle, die Erwähnung verdient, sind die Werke von SciFi-Autorin Ursula K. Le Guin (im Shop). Ihre Bücher gehörten zum Ersten, was ich selbstständig aus dem Bereich Science-Fiction las, und sie blieben mein ganzes Leben lang bei mir. Ihre Kurzgeschichte „Die Omelas den Rücken kehren“ war tatsächlich sogar die Inspiration, die meine gesamte Trilogie lostrat. Ihre Arbeit und meine sind äußerst verschieden, doch sie ist eine atemberaubend brillante Autorin und ich empfehle ihre Bücher jedem, der sich an bewusstseinsverändernder Science-Fiction erfreut.

In den letzten Jahren war Sexismus in der Videogame-Szene immer wieder ein Thema. Hast du als Gamerin auch Erfahrung mit dieser Schattenseite der Fankultur gemacht?

Ich spiele viele Online-Games und ärgere mich seit Langem über die feindselige Umgebung, die sie für weibliche Spieler schaffen. Mir selbst ist nie etwas wirklich Schlimmes widerfahren, aber ich gehe dem Ganzen auch aus dem Weg, indem ich online verberge, dass ich ein Mädel bin, was mein Risiko erheblich verringert. Ich denke, dass das viele Frauen tun, weil man beim Spielen viel weniger drangsaliert wird, wenn man als Kerl anstatt als Mädel wahrgenommen wird, und das ist tragisch. Nicht nur, weil wir Frauen das Gefühl haben, verbergen zu müssen, wer wir sind, um unser Hobby genießen zu können; sondern auch, weil es eigentlich viel mehr weibliche Gamer gibt als die Leute wahrnehmen, und wir uns von den Kerlen so sehr einschüchtern lassen, dass wir schweigen. Um das klar zu stellen, ich verurteile Frauen nicht dafür, sich zu verstecken. Ich mache es genauso, denn Videogames sind, was ich zum Vergnügen mache, und wer will sich schon angegriffen fühlen, wenn er nach der Arbeit zur Entspannung eine Quest am Laufen hat? Ich habe großen Respekt vor Frauen wie Anita Sarkeesian und Briana Woo, die Stellung beziehen und diese vergiftete Kultur herausfordern; denn der einzige Weg, dass das jemals besser wird, besteht darin, dass Gamer und die Industrie aufstehen und sagen: „Das ist nicht, was wir wollen.“ Das passiert im Augenblick. Die Dinge verändern sich sowohl in der Games-Branche als auch im Fandom, und obwohl die Wellen, die das verursacht, vielen Menschen Unbehagen bereiten, werden wir bessere Spiele und eine bessere Gaming-Kultur für jeden haben, wenn die Dinge sich wieder beruhigen.

Lass uns über Devi und die „Paradox“-Trilogie sprechen. Wie gesund ist es für den Haussegen, wenn dein Ehemann als erster Testleser sich in eine Hammerfrau wie Devi verliebt, die du geschaffen hast?

(Lacht sich tot) Von all meinen Figuren ist Devi am meisten wie ich. Ich bin selbstverständlich nicht so gewalttätig oder dem Geweihten König ergeben, aber wir sind einander sehr ähnlich in der Art und Weise, wie wir Entscheidungen treffen und auf Probleme reagieren. Wenn mein Ehemann (der Rupert ausgesprochen ähnlich sein kann, nur nicht annähernd so tragisch oder brütend) sich in Devi verlieben würde, wäre das für mich ein Zeichen, dass ich ihren Charakter richtig hinbekommen habe!

Devi hat eine enge Beziehung zu ihren Waffen und gibt ihnen sogar Namen. Hast du auch Gadgets oder Geräte, die dir so viel bedeuten?

Sich auf seine Werkzeuge zu verlassen, ist vermutlich für alle möglichen Professionen normal. Ich war nie so hardcore wie Devi, aber ich habe definitiv bevorzugte Küchenmesser, Autos, Werkzeuge und solche Dinge, die ich so verhätschle, wie Devi das mit ihren Knarren macht. Ich gebe ihnen keine Namen, doch manchmal war ich kurz davor. Dass Devi sich zum Überleben auf ihre Ausrüstung verlassen muss, macht ihre Beziehung wesentlich intensiver, allerdings glaube ich nicht, dass ihre Liebe und ihr Respekt für ihre erstaunliche Rüstung so seltsam ist. Wenn ich etwas so außergewöhnliches hätte wie die Lady Grey, würde ich es ebenfalls wie einen wertvollen Liebling behandeln!

Die „Paradox“-Bücher sind tierisch leicht und unterhaltsam zu lesen. Haben sie sich auch so geschrieben?

Das erste Buch wahr wahnsinnig einfach zu schreiben. Die Erstfassung von „Sternenschiff“ schrieb ich sogar innerhalb von zwölf Tagen! Es war unglaublich, die Worte flogen nur so von meinen Fingern. Doch der zweite Roman, „Söldnerehre“, war von vorn bis hinten eine einzige Katastrophe. Ich habe dieses Buch so oft umgeschrieben, dass ich fast aufgegeben hätte. Der Plot hat sich nicht groß verändert, aber ich bekam die emotionalen Reaktionen der Figuren einfach nicht hin, speziell die von Rupert und Caldswell. Ich hab außerdem in einem fort vermasselt, wie viele Geheimnisse ich verraten muss, damit die Handlungselemente Sinn ergeben, ohne das ich die ganze Story preisgebe. Das war ein ganz schöner Drahtseilakt! Am Ende habe ich aber, denke ich, den Nagel auf den Kopf getroffen. Fast jeder, der die Serie liest, sagt, dass das zweite Buch sein Favorit ist, also war all die Arbeit eindeutig nicht umsonst. Es kam darauf an, diese authentischen Emotionen aus meinen Figuren herauszubekommen, denn in „Söldnerehre“ wird es ernst. Ich hasste das Buch zu der Zeit, als ich es abschloss, doch das Endergebnis war genau das, was ich erreichen wollte, und das ist jedes Fitzelchen Kummer und Leid wert.

Ich möchte das hier nicht zu politisch machen, zumal Military-SF, die in erster Linie unterhält, immer eine gute Sache ist und sein wird. Aber denkst du, dass das Genre angesichts der aktuellen Ereignisse um Waffen und Kriege wieder ein wenig mehr auf Antikriegsgeschichten setzen müsste, wie damals z. B. „Der ewige Krieg“ von Joe Haldeman (im Shop)?

Meine aktuelle Urban Fantasy-Serie, die mit „Nice Dragons Finish Last“ beginnt, dreht sich eigentlich genau darum! Julius, die Hauptfigur, ist ein Pazifist, aber zugleich der jüngste Drache in einer hypergewalttätigen und hinterhältigen Familie. Seine Mutter hat sogar damit gedroht, ihn zu fressen, wenn er nicht härter wird und nicht lernt, ‚ein Drache zu sein’. Doch Julius hat seine eigene Art, die Dinge zu tun, und die Bücher handeln alle davon, dass es oft sehr viel schwieriger und auf lange Sicht trotzdem sehr viel lohnender ist, vernünftig zu sein und die Dinge auszudiskutieren, statt auf Gewalt zu setzen.

Devi ist natürlich eine wesentlich gewalttätigere Figur. Doch obwohl sie als Kriegerin keine Bedenken hat zu töten, bemühen sich die Bücher darum, den ungeheuren Verlust von Ressourcen und menschlichen Leben zu zeigen, der mit Krieg einhergeht. Devi ist häufig das Opfer ihres eigenen gewalttätigen Lebens und ihrer gewaltbereiten Entscheidungen, und das wirkt sich in der Fiktion genauso aus wie im wahren Leben, was so viel heißt wie: schmerzhaft.

Ich glaube nicht, dass Military-SF Antikriegsliteratur sein muss, weil ich nicht daran glaube, den Leuten aufzudrängen, was sie schreiben sollen; aber ich glaube, dass wir als Autoren die Verantwortung haben, alle Themen, die wir uns aussuchen und ansprechen, realistisch zu schildern. Krieg kann glorreich und heroisch sein, doch er ist auch tragisch und oft bedeutungslos, wenn man ihn mit dem Leid vergleicht, das er verursacht. Autoren haben meiner Meinung nach die Pflicht, diese Hölle nicht zuletzt allein um ihrer Geschichten willen abzubilden. Eine Kriegsgeschichte, die nur die Siege zeigt, ist eine dürftige Geschichte. Wir Menschen haben beinahe unsere gesamte Existenz in irgendeiner Art von Konflikt verbracht. Wenn dein Kriegsroman nicht zumindest den Versuch unternimmt, alle Facetten dieses allzu menschlichen Konflikts darzustellen, weshalb schreibst du dann überhaupt?

Hast du Pläne, die „Paradox-Saga“ über die erste Trilogie hinaus fortzusetzen, und wie sieht es zwischen „The Expanse“ (im Shop) und „Destiny“ mit einer Multimedia-Zukunft für Devi aus?

Ich würde es LIEBEN, wenn Devi eine Multimedia-Zukunft hätte (Studios! Ruft mich an!), aber im Augenblick ist nichts im Busch. Dafür habe ich Pläne für eine weitere Trilogie im Paradox-Universum, welche die Geheimnisse des Geweihten Königs und von Paradox selbst beantworten würde, die sich nach dem Ende des dritten Buches in der Schwebe befinden. Ich habe gerade viel zu tun, es könnte also eine Weile dauern, bevor ich dazu komme, aber ich schwöre, ich werde diese Bücher schreiben! Die Geschichte, wie die Paradoxier die Paradoxier in all ihrer glanzvollen, König-verehrenden Merkwürdigkeit wurden, ist eines meiner liebsten Fragmente des gesamten Settings, und ich werde nicht eher ruhen, bis ich die Geschichte erzählt habe!

Gibt es noch andere Subgenres, die du gerne mit der Devi-Formel einer knallharten Protagonistin zwischen Gewalt und Romantik aufmischen würdest?

Meines Erachtens braucht jedes Genre eine knallharte Frau, die reinhaut, die Welt rettet und unterwegs flachgelegt wird. Ich meine, das ist einfach gute Fiction! Ich schrieb „Sternenschiff“, weil ich eine harte Military-SF-Geschichte lesen wollte, in der auch geküsst wird, und keine finden konnte. Da ich eine Autorin bin, schrieb ich meine eigene, und es war super! Wenn ich ein weiteres Genre finde, das ich liebe und das eine Devi vermissen lässt, werde ich es wieder tun. Allerdings habe ich mehr als genug Ideen für Storys, die mich für eine sehr, sehr lange Zeit beschäftigen werden, ohne dass ich dafür neuen Einfällen nachjagen muss. Für mich war Devi einfach genau die richtige Figur zur rechten Zeit, und ich bin über-, überglücklich, dass ich die Chance hatte, ihre Geschichte zu erzählen!

Gibt es noch etwas, das du deinen deutschen Lesern sagen möchtest?

Vielen Dank! [Red.: Auch im englischen Original auf Deutsch]. Die eigenen Bücher in eine andere Sprache übertragen zu bekommen, ist der Traum eines jeden Autors. Dass ich es geschafft habe, ins Deutsche übersetzt zu werden, macht mich besonders froh, da ich weiß, dass die Deutschen eine erstaunliche ScFi- und Fantasy-Kultur haben. Ihr kriegt auch zweifellos die besten Cover. Das deutsche Titelbild zu „Sternenschiff“ ist großartig, und ich liebe es! Falls ihr noch nie von mir gehört haben solltet, hoffe ich sehr, dass ihr meinen Büchern eine Chance gibt. Wenn ihr Ripley aus Aliens mochtet oder bloß gerne seht, dass eine eigensinnige Frau keine Angst davor hat, wütend zu werden, sich dreckig zu machen oder auf etwas zu schießen, dann werdet ihr Devi lieben. Und denjenigen unter euch, die meine Geschichten gelesen haben, danke ich sehr. Ihr seid der Grund, wieso ich den besten Job der Welt ausüben darf! Millionenfach Danke dafür, dass ihr meine Leser seid! 

Und wir sagen Danke für deine Geschichten und das Interview, Rachel.

Rachel Bach: Sternenschiff (Die Paradox-Saga Bd. 1)  • Aus dem Amerikanischen von Irne Holicki • Heyne, München 2016 • 448 Seiten • E-Book: € 8,99 (im Shop)

Rachel Bach: Söldnerehre (Die Paradox-Saga Bd. 2) • Aus dem Amerikanischen von Michael Pfingstl • Heyne, München 2017 • 511 Seiten • E-Book: € 8,99 (im Shop)

Rachel Bach: Kommando (Die Paradox-Saga Bd. 3) • Aus dem Amerikanischen von Michael Pfingstl • Heyne, München 2017 • 512 Seiten • E-Book: € 8,99 (im Shop)

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