17. November 2017

Körperflüssigkeiten

Der Experimentalfilm „Fluido“ ist explizit und enigmatisch

Lesezeit: 2 min.

Als „Cypherpunk Sci-Fi“ bezeichnet Autorin und Regisseurin Shu Lea Cheang ihren Film „Fluido“, was sich zunächst einmal durchaus spannend anhört. In einer Zukunft, in der AIDS überwunden ist spielt dieser abstrakte Film, der weniger eine auch nur annähernd klassischen, also nachvollziehbaren Geschichte folgt, als – um es positiv zu formulieren – auf assoziative Weise Bilder und Ideen aneinanderzureihen, die mehr oder weniger Sinn ergeben.

Man könnte nun versuchen, „Fluido“ anhand seiner sehr losen Story zu beschreiben, die wie gesagt in einer Zukunft spielt, in der es kein AIDS mehr gibt, Körperflüssigkeiten also nicht mehr mit Vorsicht zu genießen sind, sondern, im Gegenteil, das Aphrodisiakum sind. Mutierte Post-AIDS-Wesen haben dabei besonders verführerische Säfte und verdingen sich als Produzenten einer Flüssigkeit, die weiße Pülverchen als Droge der Wahl abgelöst haben. Schon die Berührung mit dieser Droge erzeugt einen einzigartigen Rausch, um es auf den Punkt zu bringen: Wer von dem weißen Saft angespritzt wird, wird ausgesprochen geil.

Nicht umsonst hört sich das wie die Beschreibung des finalen Cumshots an, der Höhepunkt jedes Pornos also, genauer gesagt jedes heterosexuellen Pornos, in dem die normativen Geschlechterrollen in aller Regel dadurch bestätigt werden, dass ein Mann über vor ihm knienden Frauen steht, die unterwürfig darauf warten, dass der Mann ihnen ins Gesicht spritzt. Eine unverhohlene Kritik an diesen Unterdrückungsmechanismen ist nun ein Teil des Films von Shu Lea Chaeang, einer aus Taiwan stammenden Multimediakünstlerin, die vor einigen Jahren „I.K.U.“ gedreht hat, einen angeblich von „Blade Runner“ inspirierten Sci-Fi-Porno.

In Berlin entstand nun „Fluido“, ein passender Ort, gilt die Hauptstadt doch als Ort sexueller Libertinage und tolerantes Spielfeld für Menschen aller Geschlechter und sexueller Orientierungen. Heterosexualität ist in „Fluido“ dann auch kaum zu finden, statt dessen bestimmen Schwule, Lesben und Transmenschen die Szenerie, was zumindest eine ungewöhnliche, auch willkommene Abwechslung der sonst meist von hetereosexuellen Menschen und Normen bestimmte Filmwelt bietet.

Allerdings ist das Vergnügen an „Fluido“ ein eher theoretisches, ein Erkennen von Verweisen zu Diskursen und Debatten, ein Bestätigtfinden von subversiven Gedanken.

Klassisches Underground-Kino ist „Fluido“ also, das seinen Platz in den Spät- oder Mitternachtsvorführungen ambitionierter Kinos finden mag, die ihren Zuschauern Futter für Diskussion über Genderfragen, Sexualität und Unterdrückungsmechanismen liefern wollen.

„Fluido“ läuft seit dem 16. November im Kino. Abb. J. Jackie Baier.

Fluido • D 2017 • Regie: Shu Lea Cheang • Darsteller: Candy Flip, Bishop Black, Kristina Marlen, Nicki Misfit

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