12. März 2018 3 Likes

Die Gedanken sind frei

Chinesischer Science-Fiction-Superstar: Cixin Lius neuer Roman „Der Dunkle Wald“

Lesezeit: 3 min.

Mit seinem preisgekrönten Weltbestseller „Die drei Sonnen“ (im Shop) leistete Cixin Liu (im Shop) nicht nur einen ganz erheblichen Beitrag zur Wahrnehmung, Anerkennung und Verbreitung der chinesischen Science-Fiction-Literatur auf der internationalen Bühne – letztlich polierte er das Image der gesamten SF abseits der Space Opera auf, nachdem Barack Obama, Mark Zuckerberg, Kim Stanley Robinson (im Shop), Dietmar Dath (im Shop) und viele andere den ersten Roman der „Trisolaris“-Trilogie in höchsten Tönen lobten. Jetzt liegt mit „Der dunkle Wald“ (im Shop) endlich die Fortsetzung von „Die drei Sonnen“ auf Deutsch vor und kann analog oder digital gelesen und sogar gehört werden.

Die ausladende Geschichte knüpft direkt an „Die drei Sonnen“ an: Darin hat die Menschheit Kontakt zum fernen Planeten der Trisolarier hergestellt, die wiederum eine Invasionsflotte losgeschickt haben. Rund vierhundert Jahre trennen die Armada der Außerirdischen von der Erde, auf der die logischen Denker aus dem All obendrein menschliche Agenten haben, derweil winzige KI-Partikel die Kommunikation und die Daten der Menschheit auslesen. Obwohl die Trisolarier noch weit entfernt sind, verändern ihre Präsenz und ihr drohender Schatten bereits den Lauf der Welt. Ein neues Raumfahrtprogramm wird gestartet, denn vielleicht liegt die Lösung ja in großen Raumschiffen zum Krieg – oder zur Massenflucht? Vor allem aber sollen vier ausgewählte Experten und Strategen aus China, den USA, England und Venezuela den größten Vorteil nutzen, den die Menschheit gegenüber den mächtigen Trisolariern hat. Die sind nämlich nicht zur Täuschung und kaum zur Lüge fähig. Die von der Welt auserkorenen Experten entwickeln daher mit schier unbegrenzten finanziellen und personellen Mitteln und unter Zuhilfenahme von Kälteschlaf-Sitzungen geheime Pläne zur Abwehr und zum Gegenschlag, die in ihrem Kopf absolut sicher sind vor den Trisolariern. Während drei Hoffnungsträger eher klassische Konzepte ausarbeiten, wählt der glücklose chinesische Experte für außerirdische Gesellschaften einen höchst unkonventionellen, zunächst wenig vielversprechend wirkenden Ansatz … 

„Der dunkle Wald“ ist ein ganz schöner Brocken. Über 800 Seiten im Paperback haben eine stattliche physische Präsenz – und bieten Cixin Liu Raum für viele Figuren, Ideen, Elemente und Szenen. Inhaltlich geht es weniger um Tempo oder Spannung, als viel mehr um ein möglichst fundiertes und vielseitiges Panorama unserer Welt, die sich mit einer noch fernen und doch unausweichlichen Alien-Invasion konfrontiert sieht. Dabei beeindruckt am meisten, wie mühelos Liu die Linse, also den Fokus seiner Erzählung, verändern kann: Im Prolog widmet er sich einer Ameise auf einem Grabstein; kurz darauf philosophieren außerirdische Intelligenzbestien mit ihren irdischen Agenten; und während die Bedrohung aus dem All so gut wie jeden Menschen berührt und beeinflusst, beleuchtet Liu sowohl einzelne Individuen, als auch ganze militärische und geopolitische Apparate, die durch die angekündigte Konfrontation mit den Trisolariern in Bewegung gesetzt werden (wobei sich Lius Ideen und Vorstellungen keineswegs auf China oder die Erde beschränken). Wie schon „Die drei Sonnen“, liest sich das aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Perspektive und der ungewohnten Taktung für einen westlichen Science-Fiction-Fan anders als die übliche Genre-Kost. Zugegeben, Lius nüchterner, zweitrangiger Stil beschleunigt nicht gerade den Herzschlag, doch das tut ja schon allein die Dimension und Tiefe seines Romans.

Der angesehene Futurologe, Comic-Gott und SF-Crack Warren Ellis hatte übrigens absolut Recht, als er in einem seiner Newsletter festhielt, dass man „Die drei Sonnen“ nicht zwingend gelesen haben muss, um der Story des Sequels folgen zu können und um die Üppigkeit, den Gehalt und den klassischen Hard-SF-Vibe von „Der dunkle Wald“ würdigen zu können. Denn ob man den aufsehenerregenden Vorgänger nun intus hat, oder nicht: Dieser imposante SF-Wälzer von Chinas Superstar der Zukunftsliteratur gibt einem Seite für Seite mächtig was zu kauen – und präsentiert eine gedankenreiche Alien-Invasions-Geschichte fernab der üblichen Standards, und mit ganz eigenen Parametern.  

Cixin Liu: Der dunkle Wald  Aus dem Chinesischen von Karin Betz Mit einem ausführlichen Glossar Wilhelm Heyne Verlag 816 Seiten E-Book: 11,99 € (im Shop)

Cixin Liu: Der dunkle Wald (Hörbuch) ∙ Gelesen von Mark Bremer Ungekürzte Lesung Gesamtspielzeit: ca. 21 Std. 55 Min. Random House Audio Hörbuch-Download: 9,95 € (im Shop)

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