10. Juli 2018 2 Likes

„Es wird noch mindestens hundertfünfzig Jahre dauern, bis wir einen Menschen teleportieren können.“

Tal M. Klein spricht im Kurzinterview über Zukunftstechnologien, KIs und „Star Trek“

Lesezeit: 4 min.

In seinem Debütroman „Der Zwillingseffekt“ (im Shop) hat der amerikanisch-israelische Autor Tal M. Klein eine wahrhaft visionäre Zukunftswelt entworfen: Man teleportiert, statt mit dem Bus zu fahren, genmodifizierte Mücken halten die Luft sauber und die Unsterblichkeit ist eine Frage der finanziellen Mittel geworden. Wie recherchiert man für so einen Roman? Was ist das Faszinierende an KIs? Und ist sein Roman-Universum auch eine realistische Zukunftsvision? Elisabeth Bösl hat den Autor interviewt.

 

Wenn man Ihren Roman aufschlägt, fallen einem als erstes die vielen Fußnoten auf, die jede Menge Hintergrundinformationen liefern. Wie lange haben Sie für „Der Zwillingseffekt“ recherchiert? Hatten Sie dabei Hilfe von Wissenschaftlern?

Eines muss ich vorneweg sagen: Ich selbst bin kein Wissenschaftler, sondern Unternehmer. Ich entwerfe und vermarkte hauptberuflich Produkte aus dem Technik-Bereich. Die Recherchen für „Der Zwillingseffekt“ dauerten etwa drei Jahre. Dabei hatte ich Hilfe von einem befreundeten Physiker – am Ende des Buches gibt es ein Interview, das ich mit ihm geführt habe (Anm. d. Red.: das auch auf diezukunft.de erschienen ist). Der erste Entwurf zu „Der Zwillingseffekt“ war quasi eher ein Sachbuch als ein Roman; mehr Science als Fiction. Die Fußnoten sind der einzige Teil dieser ersten Fassung, der es in den fertigen Roman geschafft hat.

Man könnte sagen, dass die Teleportation und ihr „Bruder“, die Replikation, in Ihrem Roman den Technologien, die in der TV-Serie „Star Trek“ (im Shop) vorkamen, ähneln. Ohne gleich alle Geheimnisse preisgeben zu wollen, können Sie uns ein wenig mehr darüber erzählen, wie diese Technologien in Ihrem Universum im Vergleich zu „Star Trek“ funktionieren? Sind Sie selbst auch ein Trekkie?

Ich mag „Star Trek“, aber ich würde nie von mir behaupten, ein Trekkie zu sein, weil ich glaube, dass dieser Begriff für Fans reserviert ist, die wesentlich mehr über die Serie wissen als ich. In „Star Trek“ wird ja eigentlich nie wirklich verraten, wie das mit dem Transporter genau funktioniert. Es gibt da zum Beispiel eine Episode mit dem Titel „Ein Parallel-Universum“ („Mirror, Mirror“), in der Kirk und der Landetrupp durch böse Versionen ihrer selbst ersetzt werden, die aus einem Paralleluniversum kommen. Wieder eine andere Version von Captain Kirk erscheint in der Folge „Kirk : 2 = ?“ („The Enemy Within“), in der Kirk dupliziert wird und gegen seinen bösen Doppelgänger kämpfen muss. Die Transporter in „Star Trek“ machen allerlei verrückte Sachen, man kann mit ihnen sogar durch die Zeit reisen! Doch die „Star Trek“-Folge, die den Erfahrungen meines Protagonisten Joel Byram am ähnlichsten ist, ist die Folge „Riker : 2 = ?“ („Second Chances“) aus „Star Trek: The Next Generation“: Als Commander Riker noch auf der USS Potemkin gedient hat, kam es auf dem Planeten Nervala IV zu einer Transporter-Fehlfunktion, als er auf das Schiff zurückbeamen wollte. Atmosphärische Störungen bewirkten, dass der Transporterstrahl zur Oberfläche zurückgelenkt wurde, wo dann ein Riker-Duplikat entstand. Diese Kopie saß acht Jahre lang auf Nervala fest, bis die Enterprise sie gerettet hat. Sie kämpft darum, ihr vermeintlich altes Leben wiederaufzunehmen und sich auch ihrer Freundin Deanna Troi wieder anzunähern – deren Beziehung mit dem Original-Riker beendet ist, doch für die Riker-Kopie ist das ja nie passiert. Der wissenschaftliche Hintergrund ergibt überhaupt keinen Sinn, aber immerhin ist die Geschichte dieser Episode meinem Roman ein bisschen ähnlich.

Glauben Sie, dass wir in absehbarer Zukunft ein Teleporter-System haben werden? Und würden Sie es benutzen?

Ich glaube, dass es mindestens noch hundertfünfzig Jahre dauern wird, bis wir einen Menschen irgendwohin teleportieren können. Wenn es aber schon morgen einen kommerziell nutzbaren Teleport gäbe, stünde ich weit vorne in der Schlange. Ich würde allerdings warten, bis jemand, den ich kenne, sicher teleportiert worden ist - erst dann würde ich mich da selbst hineintrauen.

Ihre Hauptfigur Joel ist ein „Salter“; jemand, der KIs trainiert, indem er ihnen durch Rätsel und Witze neuen Input gibt. Das bezahlt zwar die Miete, aber Joel ist ein bisschen beunruhigt, weil die KIs immer smarter werden. Viele Menschen haben Angst vor dem, was passieren könnte, wenn wir Künstliche Intelligenzen erschaffen. Wie denken Sie darüber?

Ich würde nicht sagen, dass Joel beunruhigt ist. Ich denke eher, er akzeptiert die Weiterentwicklung der KIs als feststehende Tatsache. Mir geht es an der Stelle, auf die Sie sich beziehen, aber nicht um Singulariät, sondern darum, dass Technologien manche Jobs obsolet machen, während sie andere schaffen. Ich sehe das nicht als Problem, und ich glaube Joel auch nicht. Es gibt eine Reihe ernsthafter Herausforderungen, was KIs angeht, doch wir als Gesellschaft diskutieren lieber über hyperintelligente Killer-Roboter als über die wirklich wichtigen Fragen, wie zum Beispiel: Wie bewerten wir die Entscheidungen, die eine KI trifft? Können wir die Fehler einer KI korrigieren, wenn sie welche macht? Und wenn eine KI einen Fehler macht, wer ist dann dafür verantwortlich? Diese Liste könnte ich endlos fortführen, und sie wird jeden Tag länger. Über diese Fragen sollten wir nachdenken. Die Singularität ist erst einmal nicht so wichtig.

Wird es noch mehr Bücher im „Zwillingseffekt“-Universum geben? Woran arbeiten Sie als nächstes?

Ja, ich werde zwei Folgebände zu „Der Zwillingseffekt“ schreiben. Mehr kann ich jetzt darüber aber noch nicht verraten. Außerdem wird es einen SF-Kurzgeschichten-Band mit dem Titel „Once Removed“ geben. Die erste Story daraus, „Kerouac’s Renascence“, erscheint in der Juli-Ausgabe des Apex-Magazins.

Vielen Dank für das Interview!

 

Tal M. Klein: „Der Zwillingseffekt“ ∙ Roman ∙ Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 ∙ 416 Seiten ∙ Preis des E-Books € 11,99 (im Shop)

 

 

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