1. Juni 2019

Die Geister, die ich rief

Fünf Romane, in denen die Menschheit sich gegen ihre eigene Erfindung wehren muss

Lesezeit: 4 min.

Eigentlich klingt diese Sache mit dem Internet-of-Things ja ganz gut: Sie nehmen die letzte Milch aus dem Kühlschrank, und das Gerät bestellt sofort eine neue. Sie machen sich einen Toast, und der Toaster erkennt sofort, welches Brot Sie dazu verwenden, und sorgt automatisch dafür, dass es perfekt zubereitet wird. Doch was, wenn der Toaster nur noch das Brot einer ganz bestimmten Firma annimmt, Sie aber lieber ein anderes möchten? Das ist die Spitze des Eisbergs an Problemen, mit denen sich die junge Migrantin Salima in Cory Doctorows Novelle „Wie man einen Toaster überlistet“ (im Shop) herumschlagen muss. Eigentlich gute Ideen, die uns dann doch mehr Schaden als Segen bringen, gibt es in der Science-Fiction zuhauf – hier sind fünf besonders widerspenstige Beispiele:

 

Natürlich, die KI – aber auf dem Mars: Peter Cawdrons „Das Habitat“

Stephen Hawking war der Meinung, dass eine echte Künstliche Intelligenz das Ende der Menschheit bedeuten könnte. Tatsächlich ist die Angst vor dem Übercomputer, der eines Tages die Macht übernimmt, eine der am weitesten verbreiteten Sorgen in der Science-Fiction. Andererseits könnten KIs eine echte Bereicherung und Hilfe sein, beispielsweise bei Missionen zum Mars: der Computer überwacht und reguliert das Habitat „Endeavour“ in Peter Cawdrons „Das Habitat“, das seine menschliche Besatzung am Leben erhält. Problematisch wird es für das internationale Wissenschaftlerteam, als auf der Erde ein Krieg ausbricht und die Funksignale verstummen – und damit auch die Signale, mit denen auch die KI mit ihren „Artgenossen“ auf der Erde Kontakt hält …

Peter Cawdron: Das Habitat • Roman • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2019• 352 Seiten • Paperback und E-Book • Preis des E-Books: € 9,99 • im ShopLeseprobeGastkolumne von Peter Cawdron

 

Der problematische Teleporter: Tal M. Kleins „Der Zwillingseffekt“

Dieser Star-Trek-Transporter wäre schon klasse: Man stellt sich auf einen leuchtenden Kreis, sagt „Energie!“, und schwupps!, erreicht man sein Ziel. Die ganze Sache hat allerdings nicht nur einen gewaltigen Haken, sondern gleich zwei: Wenn etwas schiefgeht, schwirrt die in ihre Atome zerlegte Person am Ende auf ewig durch den Äther. Es könnte aber auch passieren, dass man dupliziert statt teleportiert wird – und genau das passiert Tal M. Kleins nonchalantem Helden Joel Byram in „Der Zwillingseffekt“. Der will eigentlich mit seiner Freundin Sylvia in den dringend benötigten Liebesurlaub nach Costa Rica reisen, doch wegen eines Terroranschlags geht die Teleportation schief. Nicht genug damit, dass Sylvia nun mit seinem Doppelgänger urlaubt, jetzt wird Joel auch noch von dem mächtigen Konzern International Transport gejagt …

Tal M. Klein: Der Zwillingseffekt • Roman • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 • 416 Seiten • Paperback und E-Book • Preis des E-Books: € 11,99 • im ShopLeseprobeInterview mit Tal M. Klein

 

Homo homini arachnida: Adrian Tchaikovskys „Die Kinder der Zeit“

Klimawandel, Asteroideneinschlag, Dritter Weltkrieg – wir könnten auf eine ganze Reihe Arten aussterben. Eine mögliche Lösung wäre, die Erde zu verlassen und uns auf einem fremden Planeten ein neues Zuhause zu suchen. Wenn man schon umziehen muss, will man ein paar Dinge mitnehmen – Atemluft, Nahrung, Ökosysteme. Gut, dass die Menschheit in Adrian Tchaikovskys preisgekröntem Roman „Die Kinder der Zeit“ inzwischen das Terraforming beherrscht. Und wo wir schon dabei sind, könnten wir eigentlich auch gleich dafür sorgen, dass höhere Säugetiere wie Affen etwas intelligenter werden, damit sie uns zur Seite stehen. Dumm nur, dass das gewagte Experiment schiefläuft und die Affen beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen. Das Uplift-Wundermittel kommt dennoch auf dem Planeten Eden an – und verändert dort eine ganz andere Spezies, sehr zum Entsetzen der Siedler …

Adrian Tchaikovsky: Die Kinder der Zeit • Roman • Aus dem Englischen von Birgit Herden • Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 • 672 Seiten • Paperback und E-Book • Preis des E-Books: € 12,99 • im ShopLeseprobe

 

Da gibt’s ne App für: Alena Graedons „Das letzte Wort“

Ohne Smartphone geht gar nichts mehr – und in der Zukunft sieht es ganz danach aus, als würden die praktischen Geräte noch viel, viel mehr können. In Alena Graedons Roman „Das letzte Wort“ übernehmen die neuen Telefone, die sogenannten Mems, so ziemlich alles. Die neuste Generation hat sogar eine direkte Verbindung ins Gehirn seiner Nutzer. Damit wird jedoch auch ein Virus verbreitet, die sogenannte Wortgrippe, die den Menschen nach und nach die Sprache raubt. Anana Johnson ist Mitherausgeberin des letzten analogen Wörterbuchs und glühende Verfechterin des gedruckten Wortes. Als ihr Vater eines Tages spurlos verschwindet und zwei ihrer Freunde an der Wortgrippe erkranken, ist ihr sofort klar, dass diese Ereignisse im Zusammenhang mit dem neuen Mem stehen. Anana begibt sich auf eine abenteuerliche Spurensuche in der Welt der analogen und digitalen Kommunikation – und wir fragen uns unbehaglich, ob wir nicht vielleicht doch mal wieder das Handy ausschalten und weglegen sollten …

Alena Graedon: Das letzte Wort • Roman • Aus dem Amerikanischen von Sabine Thiele • Wilhelm Heyne Verlag, München 2016 • E-Book • € 11,99 • im ShopBuchvorstellung

 

Immer Ärger mit den Kleinen: Greg Bears „Blutmusik“

Was wäre, wenn intelligente Einzeller existierten? Oder, besser noch: wenn wir winzig kleine Maschinen bauen könnten, die auf eine ganze Reihe von Aufgaben programmiert werden könnten? Vergil Ulam, der einsame, kauzige Wissenschaftler aus Greg Bears Klassiker „Blutmusik“, steht kurz davor, das herauszufinden, als er seinen Job und damit auch sein Labor verliert. Nachdem er die Schwelle ethischer und legaler Methoden ohnehin längst überschritten hat, injiziert er sich seine „Forschungsergebnisse“ – und löst damit Veränderungen auf der ganzen Welt aus, denn die winzigen Lebewesen denken nicht daran, sich nur auf Ulams Körper zu beschränken. Wie wird man Geister, die man gerufen hat, wieder los, wenn man sie gar nicht richtig sehen kann? Die Teil von uns selbst sind? Angesichts der Entwicklungen in Nano- und Biotechnologie klingt „Blutmusik“, das 1983 als Story in Analog erschienen ist, heute aktueller – und beunruhigender – denn je …

Greg Bear: Blutmusik • Roman • Aus dem Amerikanischen von Ursula Kiausch • Wilhelm Heyne Verlag, München 2011 • E-Book • € 7,99 • im Shop

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