28. Juli 2018 1 Likes

Resterampe oder Heimat ambitionierter Filme?

Statt im Kino läuft „Extinction“ bei Netflix – nur und immerhin

Lesezeit: 3 min.

Viel ist in den letzten Monaten über einen Aspekt des Netflix-Geschäftsmodells geschrieben worden, nämlich Filme zu kaufen, die eigentlich fürs Kino produziert wurden und diese als „Netflix-Originale“ zu vermarkten. Wobei „vermarkten“ im Fall von Netflix in der Regel bedeutet, sie an einem Freitag freizuschalten und im Wust von all dem anderen Content zu versenden, der Netflix so groß und mächtig gemacht hat.

Im Frühjahr erlebten so die sehr lose Fortsetzung „The Cloverfield Paradox“ und etwas später Alex Garlands „Annihilation“ ihre Premieren, letzterer war immerhin noch in den USA ins Kino gekommen. Nun ist es an Ben Youngs „Extinction“, der eigentlich Ende Januar im Kino hätte starten sollen, dann von Netflix gekauft wurde und nun ohne viel Brimborium Online gestellt wurde.

Und hat man sich den 95 Minuten Misch-Masch aus Science-Fiction-Fantasy-und Endzeitdrama angeschaut, mag man es gleichzeitig bedauern, dass dieser in Ansätzen bemerkenswerte Film nicht ins Kino kam, kann es andererseits aber verstehen, dass die Produktionsfirma angesichts der oft konfusen Erzählweise und allzu generischen Bilder das Risiko eines Kinostarts scheute und lieber einen – vermutlich – kostendeckenden Netflix-Scheck annahm.

Es beginnt mit dem Putzmann Peter (Dauer-Nebendarsteller Michael Peña in einer Hauptrolle, vermutlich auch ein Grund für Skepsis der Produzenten gegenüber einem Kinostart.), der von Albträumen geplagt wird, in denen er von einer Alien-Invasion träumt, sieht, wie seine Frau Alice (Lizzy „Masters of Sex“ Caplan) und die beiden Töchter von Außerirdischen gejagt werden, sich mit schweren Waffen verteidigen und die Welt zu enden droht. Doch in der Wirklichkeit sind seine Angehörigen schwer genervt von ihrem zunehmend abwesend wirkenden Vater und Ehemann, der nach gut 20 Minuten jedoch sagen könnte: Ätsch, hab ich doch gesagt. Denn dann beginnt tatsächlich die geträumte Alien-Invasion und gleichzeitig ein zweiter Akt, der aus erstaunlich langweiliger, generischer Action besteht, angesichts derer der einzige Unterhaltungswert ist, zu raten, in welchem Film man die Bilder von einstürzenden Gebäuden und einer verzweifelten Familie im Todeskampf schon mal gesehen hat.


Familienstress der dritten Art? – „Extinction“

In dieser Phase meint man absolut zu verstehen, warum dieser dann öde Film, der seine anfangs so spannende, vielversprechende Prämisse nun vollkommen außer Acht lässt, nicht ins Kino kam, sondern zum äquivalenten Schicksal einer straight-to-DVD-Veröffentlichung verdammt wurde. Doch dann, nach gut 50 Minuten, wechselt der vom australischen Regie-Talent Ben Young inszenierte und von Eric Heisserer („Arrival“), Brad Kane und Spenser Cohen geschriebene Film noch einmal die Tonart und erweist sich als erstaunlich intelligenter, vielschichtiger Science-Fiction-Film. Welche Themen in diesen letzten 40 Minuten verhandelt bzw. zumindest angerissen werden, wird hier nicht verraten, denn es lohnt sich durchaus „Extinction“ in die Netflix-Wunschliste aufzunehmen.

Wirklich rund ist das alles zwar nicht erzählt, immer noch bestimmt allzu viel Standard-Action das Geschehen, wirken viele spannende Aspekte kaum mehr als an-, aber nicht zu Ende gedacht. Doch gerade im Vergleich mit den erzählerisch oft wenig überraschenden Hollywood-Großproduktionen steckt hier doch einiges drin. Weswegen man sich einen Kino-Start von „Extinction“ durchaus gewünscht hätte, denn im Wust des unendlichen Netflix-Contents versendet, wird dieser kleine Film untergehen, keine Frage. Andererseits ist er dann auch gerade stilistisch wiederum zu schlicht, um wirklich auf die Leinwand zu gehören. Ein Konflikt, der die Debatte Netflix vs. Kino noch eine ganze Weile bestimmen dürfte.

„Extinction“ ist ab sofort bei Netflix zu sehen.

Extinction • USA 2018 • Regie: Ben Young • Darsteller: Michael Peña, Lizzy Caplan, Mike Colter, Emma Booth, Israel Broussard, Tom Riley

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