24. September 2018 1 Likes

Traumwelten

Cary Joji Fukunagas „Maniac“ ist aufregend oberflächlich

Lesezeit: 3 min.

Vor ein paar Jahren sorgte die HBO-Serie „True Detective“ für Ekstase, die womöglich der Begeisterung für die Hauptdarsteller Matthew McConaughey und Woody Harrelson geschuldet war oder dem Wunsch, schon wieder eine neue Serie zu entdecken und abzufeiern, schließlich wird gern behauptet, dass wir uns im Goldenen Zeitalter der TV-Serie befinden. War das hyperventilieren aber vorbei konnte man auch zu dem Urteil kommen, dass Stil und Atmosphäre von „True Detective“ deutlich überzeugender und aufregender war, als die Handlung. Was ganz eindeutig an Regisseur Cary Joji Fukunaga lag, der seit seinem Debüt „Sin Nombre“ als neuer Regiestar gefeiert wird, ein Urteil, das er demnächst als James Bond-Regisseur bestätigen muss.

Das er stilistisch enorm vielseitig ist beweist er nun auch in der zehnteiligen Netflix-Seire „Maniac“, die wild mit Genremustern spielt, visuell herausragend ist, mit ihrem brillanten Look aber ein wenig übertüncht, dass sie nicht alles aus der Handlung herausholt, was möglich gewesen wäre.

Die Grundidee ist einfach: Zwei Menschen nehmen an einer Pharmastudie teil, während der sie drei Pillen schlucken, die mit ihren psychoaktiven Wirkstoffen zu lebhaften Halluzinationen führen. Zur Verwunderung sämtlicher Beteiligter – nicht zuletzt der betreuenden Ärzte, die nur bedingt zu wissen scheinen, was sie tun – finden sich Owen (Jonah Hill) und Annie (Emma Stone) immer wieder in den Visionen des Anderen wieder, die dadurch zu gemeinsamen Erlebnissen werden, in denen sie in immer neuen Versionen ihre Traumata durchleben.


Die willigen Psycho-Probanden …


… und die Herren der Algorithmen – „Maniac“ (Netflix)

Bei Owen ist das seine reiche Familie, deren schwarzes Schaf er ist. Um einen seiner Brüder vor dem Gefängnis zu bewahren, soll er vor Gericht lügen, was ihn, der seit Jahren an schizophrenen Schüben leidet, schwer belastet. Annie dagegen kommt aus ärmlichen Verhältnissen, schlägt sich mit Betrügereien durchs Leben (und hast sich auch die Teilnahme an der Studie nur erschlichen.) und macht sich Vorwürfe für den Unfalltod ihrer Schwester.

In einer Gangster-Welt, einer Kleinstadt-Hölle oder einer Art Herr der Ringe/Game of Thrones-Mash Up stellen sich Owen und Annie nun zunehmend ihren Dämonen, doch wie sie das tun läuft angesichts des spannenden Set Ups etwas antiklimatisch ab. Vielleicht liegt es daran, dass Fukunaga und sein Drehbuchautor Patrick Somerville noch kurz vor Drehbeginn weite Teile des Drehbuchs über den Haufen geworfen haben, vielleicht hat sich Fukunaga auch zu sehr bemüht, es den Netflix-Algorithmen recht zu machen, vielleicht ist der Stoff auch nicht ausreichend für eine zehnteilige Serie gewesen. Wie so oft stellt sich auch in „Maniac“ bisweilen das Gefühl ein, dass gerade Zeit geschunden wird, dass sich dies oder jenes auch viel flotter erzählen ließe, dass die Notwendigkeit, eine mindestens zehnteilige Serie zu kreieren, zum Aufblähen des Stoffs führt.

Vielleicht ist „Maniac“ in diesem Sinne dann auch eine ganz moderne Serie, die einerseits nie die volle Aufmerksamkeit benötigt, denn dafür sind Plot und Charaktere zu dünn, andererseits aber auch praktisch in jedem Moment ein visuelles Vergnügen ist, angefangen von der merkwürdigen Version eines New Yorks irgendwo zwischen 70er Jahre und Gegenwart, über den wunderbaren sprechenden Computer – einem Verwandten von HAL – zu dem die männlichen Wissenschaftler der Studie ein mehr als ödipales Verhältnis haben, bis hin zu den grellen Phantasiewelten, in die Owen und Annie eintauchen.

Vor allem visuell ist „Maniac“ also gelungen, auf dieser Ebene beweist Fukunaga einmal mehr sein großes Talent, mehr als alle andere macht diese Netflix-Serie dann also gespannt darauf was Fukunaga mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten eines Bond-Films anstellen wird.

Maniac • Regie: Cary Juji Fukunaga • Darsteller: Jonah Hill, Emma Stone, Justin Theroux, Sally Field, ab jetzt bei Netflix

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