24. November 2018

Wenn das Internet Vergangenheit ist

Das Debüt von Josefine Rieks handelt vom Verlöschen der Datenströme

Lesezeit: 2 min.

Kaum eine moderne Errungenschaft neben dem Computer beeinflusst das tägliche Leben so sehr wie das Internet mit seinem permanenten Datenaustausch. Doch niemanden scheint es zu interessieren, was passieren würde, wenn das Netz aus dem einen oder anderen Grund nicht mehr zur Verfügung steht. Genau dies ist die Grundlage von Josefine Rieks klar und präzise erzähltem Debütroman „Serverland“, in dem das Netz bereits seit längerem der Vergangenheit angehört.

Josefine Rieks: ServerlandEr heißt Reiner, arbeitet bei der Berliner Post und begeistert sich für Relikte aus jener Zeit, als das Internet noch existierte. Tatsächlich ist es abgeschaltet worden; aus Gründen, über die nicht viel gesprochen wird. Reiner sammelt alte Rechner und bringt sie mehr schlecht als recht in Schwung, um antiquierte Computerspiele wie Command & Conquer: Alarmstufe Rot 2 zum Laufen zu bekommen, was meist nicht besonders gut funktioniert. Jenseits von Sexfilmen, Bier und Junkfood interessiert ihn sonst kaum etwas. Dies ändert sich, als er auf Meyer trifft, einen früheren und nicht übermäßig sympathischen Schulkameraden, der ihn in eine Halle voller inaktiver Server führt. Es gelingt Reiner tatsächlich, einige von ihnen unter Strom zu setzen und an das Datenmaterial heranzukommen; schließlich schreibt er sogar eine entsprechende Anwendung, die auch Laien bedienen können. Meyer ist nicht nur begeistert, sondern fährt mit ihm nach Holland, wo eine gigantische Serverhalle von Google steht. Zuerst geht es nur darum, Facebook-Profile abzuernten und Geld damit zu verdienen, das Bildmaterial an die ehemaligen Besitzer – oder an anderweitig interessierte Parteien – zu verkaufen. Doch dann rückt mehr und mehr eine Gruppe junger Idealisten in den Vordergrund, die nichts weniger als eine Revolution plant: Das Netz soll insgesamt wieder in Betrieb genommen werden. Aber warum erschöpfen sich ihre Ideen im Betrachten höchst banaler YouTube-Videos?

Josefine Rieks (Jahrgang 1988) hat ihrem Debüt „Serverland“ eine faszinierende Idee zugrunde gelegt, die sie schnörkellos entwickelt. Detailreiche Ausschmückungen – etwa nach Vorbild von William Gibsons „Neuromancer“-Trilogie (im Shop) – sind ihre Sache nicht, weshalb der Roman aus Genreperspektive bisweilen karg anmutet. Viele für die Science-Fiction typische Konsequenzen ihrer Grundidee scheinen sie nicht oder nur am Rande interessiert zu haben. Dies lenkt den Fokus aber umso mehr auf den eigentlichen Kern ihres Buchs. Es geht weder um Sinn und Unsinn des Internets, sondern vielmehr um die Unfähigkeit der Nutzer, etwas Produktives damit zu erreichen. Anders als bei Eugen Ruge, dessen Roman „Follower“ (2016) zwar ebenfalls internetkritisch ausfällt, seine Einwände aber gerade aus satirisch überspitzten Details entwickelt, konzentriert sich „Serverland“ auf die nicht übermäßig weitblickenden Protagonisten und ihre pseudorevolutionären Umtriebe. Da gilt es dann bereits als subversiv, wenn CDs mit YouTube-Filmchen an nichtsahnende Empfänger verschickt werden. Ein kühler Roman über das Scheitern fehlgehender Ambitionen.

Josefine Rieks: Serverland • Hanser Verlag • 176 Seiten, € 18,-

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