Dafür werden Kinos gebaut!
„Upgrade“ - Flotter, smarter Science-Fiction-Pulp in Luxus-Optik
In einer nahen, mit High-Tech vollgestopften Zukunft ist Grey Trace ein klassischer Oldschooler, der dem ganzen Technik-Firlefanz mit größtmöglicher Skepsis gegenübersteht und sich am liebsten in seiner Autowerkstatt die Hände noch so richtig schmutzig macht. Sein neuster Auftrag stammt von Eron Keen, Inhaber des Technologieunternehmens Vessel, doch als Grey und seine Frau Asha das Auto abholen, kommt es auf dem Rückweg zu einem brutalen Überfall, bei dem Asha getötet und Grey querschnittsgelähmt zurückbleibt. Allerdings wird er von Keen kontaktiert, der ihm anbietet eine künstliche Intelligenz namens STEM einzupflanzen, die als Unterstützung des Gehirns dient und wieder für einen vollen Funktionsumfang seines Körpers sorgen soll. Trace willigt ein und muss nicht nur feststellen, dass STEM mit ihm spricht, sondern er von nun an über ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten verfügt, was es ihm ermöglicht sich für den Tod seiner Frau zu rächen …
Gutes kommt oft unverhofft: Im Zusammenhang mit sehenswerten Filmen kam einem der australische Drehbuchautor und Gelegenheitsregisseur Leigh Whannell bisher nicht unbedingt als Erstes in den Sinn. Sicher der blutige Horrorthriller „Saw“ (2004), der sadistische Gewalt und finale Megaüberraschungstwists zur Mode machte, war halbwegs in Ordnung, aber bereits mit der ersten Fortsetzung purzelte die aktuell achtteilige Reihe ins Bodenlose beziehungsweise veranschaulichte deutlich, was man an den fantasievoll-surrealen, im Vergleich regelrecht avantgardistischen Italo-Splatterepen der frühen 1980er-Jahre eigentlich alles hatte.
Einen ähnlichen Verlauf nahm das „Insidious“-Franchise (2011 - 2018): Start okay, der Rest wurde nur noch durch Auftritte der altehrwürdigen Lin Shaye veredelt. Auch die Arbeiten abseits der beiden Reihen, „Dead Silence“ (2007), „Cooties“ (2014) und „The Mule“ (2014) kamen über gute Einzelmomente nicht wirklich hinaus.
2015 schwang sich Whannell auf den Regie-Stuhl und bewies mit „Insidious: Chapter 3 – Jede Geschichte hat einen Anfang“ zwar ein Händchen für routiniert inszenierte Jump-Scares, hinterließ der Welt aber trotzdem keinen Film, an dem man sich nach dem Abspann noch groß erinnert – ein typischer, völlig überflüssiger Nachklapp halt, welcher primär den Zweck hatte, die Kuh zu melken, solange sie noch nicht im kalten, nassen Grab liegt.


Doch mit dem Science-Fiction-Thriller „Upgrade“ zeigt der Australier, dass man mit ihm zukünftig wohl doch rechnen muss. Das liegt zum einen an den faszinierenden Bilderwelten, die der mit gerade mal fünf Millionen Dollar verblüffend preisgünstig hergestellte Film auffächert: Egal ob stimmungsvolle Momente in der Abenddämmerung, stahlgraue, mit Linsenreflektionen versetzte Stadtaufnahmen, irgendwo zwischen „Schöner Wohnen“ und mysteriöser Zukünftigkeit pendelnde Interieurs oder nächtliche Verfolgungsjagden mit verschiedenartig leuchtenden Vehikeln – die Produktion gibt sich nicht die geringste Blöße und begeistert mit tollen Settings, durchdachter Ausstattung und einer hervorragenden Kameraarbeit, die besonders in den übersichtlichen, extrem dynamisch eingefangenen und montierten Actionszenen zu Jubelarien hinreißt, aber auch sonst immer wieder mit kleinen Kabinettstücken, wie zum Beispiel einer direkt im Krankenhaus endenden Kreisfahrt nach dem Überfall auf Grey und Asha, auftrumpft.
Glücklich machen ebenso die inneren Werte: Whannell kann sich zwar erneut im Finale den ganz, ganz großen und bei genauerem Hinsehen nicht so ganz 100% stimmigen Überraschungstwist in die Haare schmieren, liefert bis dahin aber eine zwar nicht rasend originelle, aber flotte, straffe, mit galligem Humor gewürzte Mischung aus „Robocop“ (1987) und cronenbergschen Body Horror, die mit einer guten Prise „Death Wish“ (1974) abgeschmeckt wurde und aufgrund ähnlicher Basisplots und Hauptdarsteller außerdem an die letztjährige Comic-Gurke „Venom“ erinnert, weshalb „Upgrade“ mittlerweile auch als „Venom in gut“ bezeichnet wird. Leider lief dieser aber groß im Kino während Whannells Filetstückchen direkt auf dem Homevideomarkt verramscht wird, was wirklich jammerschade ist, denn für solche Filme werden Kinos gebaut!
„Upgrade“ ist seit dem 11.04.2019 von Universal Pictures auf DVD, Blu-ray und als VOD erhältlich!
Upgrade (Australien 2018) • Regie: Leigh Whannell • Darsteller: Logan Marshall-Green, Betty Gabriel, Harrison Gilbertson, Christopher Kirby, Benedict Hardie, Clayton Jacobson
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