Klein, aber fein
Mit „X-Men: Dark Phoenix“ endet die X-Men-Reihe – Für den Moment
Sieben Filme in 20 Jahren, das ist heutzutage nicht besonders viel für eine Filmreihe, erst recht nicht für eine, die im Kosmos der Superhelden statt findet. Doch neben den sieben richtigen X-Men-Filmen, die seit 2000 ins Kino kamen, gab es noch diverse Spinoffs, angefangen mit „X-Men Origins: Wolverine“, in dem der beliebteste Charakter der Reihe einen Solo-Film bekam, dem fraglos Solo-Auftritte anderer X-Helden folgen sollten, die aber ausblieben. Zählt man noch die beiden „Deadpool“-Filme mit kommt man auf 12 Filme, die im weitesten Sinn im X-Men-Kosmos spielen, zuletzt kam dadurch praktisch im Jahrestakt ein neuer Film der Reihe ins Kino.
Das – und die nicht ruhende Marvel/ DC-Konkurrenz – mag vielleicht erklären, warum sich eine gewisse Müdigkeit eingestellt hat und das große Finale der Reihe mit nicht wirklich großer Spannung erwartet wurde. Ein globales Ereignis wie jüngst noch „Avengers: Endgame“ ist „X-Men: Dark Phoenix“ dann auch nicht, weder marketingtechnisch und auch nicht was den Bombast angeht. Ein viel kleinerer Film ist das von Simon Kinberg inszenierte Abenteuer, mit gerade einmal 114 Minuten auch der kürzeste Superhelden-Film seit langem, aber beileibe nicht der schlechteste.
Die Story wird Fans des Comics sehr bekannt vorkommen und auch wer sich noch an Brett Ratners „X-Men: Der Letzte Widerstand“ erinnert dürfte nicht überrascht werden. Zum zweiten Mal steht hier die beliebte Comic-Storyline der Dark Phoenix Saga-Pate, die „X-Men“-Stammautor Kinberg – eine Art Kevin Feige für arme – Punkt für Punkt abhakt: Jean Grey (Sophie Turner) wird immer mächtiger, was sie zu einem Zeitpunkt, als die Mutanten der X-Men von der Menschen akzeptiert werden, zur Bedrohung des ganzen Unternehmens macht. Professor Xavier (James McAvoy) steht deswegen vor der schweren Frage, wie er mit Jean umgehen soll. Diese flieht schließlich kurzfristig zu Magneto (Michael Fassbender), wird jedoch vor allem von einem ätherischen außerirdischen Wesen namens Vuk (Jessica Chastain) umworben, die etwas von ihren Kräften abhaben möchte. Chaos folgt.
Vergleicht man „Dark Phoenix“ mit anderen Superhelden-Filmen der letzten Jahre, mutet das ganze Unterfangen klein und reduziert an. Seltsam ziellos wirkt das Verhalten der Figuren, weder die Zerstörung des Universums noch die Machtergreifung über die Erde oder andere Planten wird angestrebt, man könnte stattdessen sagen, das es um wenig mehr als Selbstfindung geht.
In der ersten Szene wird in die Kindheit Jean Greys zurückgeblickt, ein erster Moment, in dem sie ihre Fähigkeiten entdeckt, was gleich zum Tod der Mutter und einer unfreiwilligen Trennung vom Vater führt. An diesem Trauma knabbert auch die erwachsene Jean noch, worin sich die Themen spiegeln, die sämtliche X-Men-Filme durchziehen: Die Frage wer man ist und wie man mit dem Anderssein umgeht. Bei allem Bombast, bei allen Action-Exzessen und oft kaum noch zu durchschauenden Zeitreise-Geschichten, die die Reihe inzwischen prägen, ist dies der rote Faden geblieben, der sie von den oft austauschbaren Filmen der Konkurrenz abhob.
So brillant wie James Mangold in „Logan“ variiert Simon Kinberg dieses Thema hier zwar nicht, dafür ist sein Film viel zu sehr Stückwerk. Und doch ist „X-Men: Dark Phoenix“ gerade weil er so unspektakulär anmutet, weil er nicht mehr als eine einfache Geschichte erzählt – zugegebenermaßen mit einigen spektakulären Szenen aufgepeppt – und dabei verhältnismäßig bodenständig bleibt eine schöne Erinnerung daran, warum die X-Men zu den beliebtesten Superhelden zählen. Wie sie nach dem Zusammenschluss von Fox und Disney in das größere Marvel-Universum eingebaut werden, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren, darauf kann man gespannt sein.
„X-Men: Dark Phoenix“ läuft seit dem 6. Juni im Kino.
X-Men: Dark Phoenix • USA 2019 • Regie: Simon Kinberg • Darsteller: Sophie Turner, James McAvoy, Michael Fassbender, Jessica Chastain, Jennifer Lawrence
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