„Pandemie“ - Es ist (nicht) nur wie eine leichte Grippe ...
Corona im Zeitraffer
Sieben Jahre alt ist der koreanische Thriller „Pandemie“ schon, fühlt sich aber fast an wie eine Dokumentation über die letzten Monate. Betonung auf „fast“, denn was Kim Sung-su hier zeigt wäre in etwa das, was womöglich passiert wäre, wenn die Reproduktionszahl des Corona-Virus bei circa 1000 gelegen hätte.
Den Anfang nimmt die filmische Seuche in Hong Kong, ganz klassisch also, so wie auch in Steven Soderberghs „Contagion“, der zwei Jahre vorher entstand und in vielerlei Hinsicht als Vorbild diente. Hier ist es allerdings nicht Gwyneth Paltrow, die die Seuche verbreitet, sondern ein Container voller Migranten, die nach Korea geschmuggelt werden sollen. Dort angekommen sind fast alle Insassen tot, nur ein Überlebender siecht vor sich hin und wird als Patient Zero den Virus verbreiten.
Und zwar in der Trabantenstadt Bundang, einige Kilometer außerhalb von Seoul. Da es sich hier nicht um eine Dokumentation, sondern um einen Thriller handelt, verbreitet sich das Virus rasend schnell, was „Pandemie“ in Momenten wie einen Zombie-Film wirken lässt. Um das Virus einzudämmen wird beschlossen, die gesamte Stadt mit ihren knapp 500.000 Einwohnern unter Quarantäne zu stellen und im Notfall kurzerhand auszulöschen. So jedenfalls sieht es der Plan des amerikanischen Militärs vor, dessen Präsenz auf der koreanischen Halbinsel nicht von allen Bewohnern mit Wohlwollen betrachtet wird.
Um koreanische Autonomie geht es am Rand, um einen Präsidenten, der sich nicht nur mit einer tödlichen Pandemie herumschlagen muss, sondern auch mit einer Schutzmacht, die im Zweifelsfall ihre ganz eigene Interessen verfolgt. In diesem politischen Chaos spielt sich auch ein persönliches ab: Die Ärztin Kim In-hae (Soo Ae) kämpft um das Leben ihrer kleinen Tochter Mi-reu, die seit Tagen schnieft und schneuzt. Mit Hilfe des Rettungsfahrers Kang Ji-goo (Hyuk Jang) versucht Kim nun zu beweisen, dass es nicht die neue, tödliche Pandemie ist, an der ihre Tochter leidet, sondern nur eine gewöhnliche Grippe. Doch in Zeiten der Katastrophe sind solche Unterschiede nicht mehr relevant.
Ist es Sinn oder Unsinn, in diesen Tagen einen Film namens „Pandemie“ ins Kino zu bringen? Einerseits wird man ohnehin tagtäglich mit so vielen Informationen über Gefahren, mögliche Impfstoffe und Schutzmaßnahmen bombardiert, dass man im Kino vielleicht nicht unbedingt noch mehr zum Thema sehen muss. Andererseits könnte es gerade beruhigen, wenn man sich im Kino zeigen lässt, wie schlimm es bei einer wirklich dramatischen Pandemie kommen könnte. Denn auch wenn manches in „Pandemie“ ein wenig überdreht erscheint, die Rasanz der Ausbreitung des Virus ein paar Nummern schneller vorangeht, als es in der Realität möglich wäre: Im Kern mutet Kim Sung-sus Thriller erstaunlich authentisch an. Angefangen bei den streitenden Behördenvertretern, die die Gefahr teils verharmlosen, teils übertreiben, über unterschiedliche Interessen bei Regierung, Militär und Gesundheitswesen und den Ursachen der Pandemie, die auch hier in der zunehmend vernetzten globalen Welt, Migration und Kapitalismus zu finden sind, bis hin zur Möglichkeit, dass eine Vorerkrankung möglicherweise vor dem Schlimmsten schützt.
Wer also in den Monaten der Corona-Pandemie schon alle Seuchen-Filme von „Outbreak“ über „12 Monkeys“ bis „Contagion“ weggeguckt hat und immer noch nicht genug vom Thema hat, der sollte einen Gang ins Kino seiner Wahl in Erwägung ziehen.
„Pandemie“ startet am 6. August im Kino. Abb.: Busch Media Group, Kinostar
Pandemie (Korea 2013) • Regie: Kim Sung-su • Darsteller: Hyuk Jang, Soo Ae
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