„Nine Witches: Family Disruption“: Nazihexerei in Norwegen
Das Pixel-Adventure von Indiesruption weckt Erinnerungen an „Monkey Island“ und Co.
Wenn sich ein abenteuerlustiger Professor mit Nazis anlegt und dabei kruden Verschwörungen inklusive Magie auf die Schliche kommt, mag sich so mancher Leser zurecht an die Indiana Jones-Filmreihe erinnert fühlen. Mit der hat Nine Witches zwar bis auf das bisher Gesagte nun wirklich nichts zu tun, doch der hier präsentierte Retroausflug in selige Adventure-Tage der späten 80er und frühen 90er serviert Genrefreunden einige amüsante Stunden voller Rätsel, Dialoge und ordentlich albernem Humor, die man auch ohne Peitsche durchaus zu schätzen wissen kann.
Im Zentrum des Alternate History-Geschehens steht der höchst exzentrische wie querschnittsgelähmte Professor Krakovitz und sein junger japanischer Assistent Akiro, die sich gemeinsam auf eine gefährliche Mission ins norwegische Örtchen Sundäe begeben. Denn als das Nazi-Regime der Deutschen 1944 eigentlich dabei ist, den Krieg zu verlieren, sist die Geheimorganisation Okkult-55 auf dem besten Weg, das Ruder zugunsten des Regimes noch einmal herumreißen zu können. Dass es sich dabei um einen mythischen Fluch handelt, der zunächst Sundäe in vermeintlich ewige Finsternis taucht, ist nur der Auftakt zu einer Reihe weiterer, teils herrlich absurder Wendungen aus der Sparte populärer Nazitrash, der Nine Witches durchzieht.
In den rund 6 Stunden des seit Anfang Dezember für PC, PS4, Xbox One und Switch erhältlichen Adventures sind wir mit unserem – natürlich – ungleichen Heldenduo an verschiedenen Settings der ländlichen Kleinstadt unterwegs, um zusammen mit dem lokalen Widerstand die Machenschaften von Okkulte-55 zu vereiteln. Zwar verfügen weder der Professor noch Akiro über die Power eines Dr. Jones, doch Krakowitz ist in der Lage, seinen Geist von seinem Körper zu trennen und so an zunächst unerreichbare Gebiete oder Gegenstände zu gelangen. Dazu kann er in dieser Form mit anderen Geistern kommunizieren - ein Feature, das sich gerade auf der Humorebene als konstanter Lieferant meist mehr oder minder zündender Gags entpuppt. Akiro hingegen verfügt über die Fähigkeit des Schusswaffengebrauchs, allerdings mutiert Nine Witches – um Genrepuristen gleich zu beruhigen – in den seltenen Action-Momenten nicht zu einem waschechten Shooter und hält den Waffengebrauch passenderweise auf einem seichten Niveau.
Spielerisch geht es vielmehr darum, in typischer Point&Click-Manier innerhalb der jeweiligen Szenarien nach wichtigen Gegenständen oder Personen Ausschau zu halten und klassische Kombinationsaufgaben zu lösen, um in der Story voranzukommen. Im Gegensatz zu den früheren Adventures aus dem Hause LucasArts steuern sich unsere Helden, zwischen denen wir auf Knopfdruck wahlweise flink wechseln können, sehr geschmeidig und ohne lästige Dauerklickerei mit genau angesetztem Cursor. Überhaupt fällt die Steuerung sehr flüssig aus (wir spielten mit Gamepad auf PS4) und bietet keinen Anlass zur Kritik. Das ist auch dann der Fall, wenn wir – ganz wie früher bei Monkey Island – auf einer im Vergleich zum ohnehin sehr abstrahierten Geschehen noch pixligeren Oberweltkarte unterwegs sind. Selbiges gilt erfreulicherweise ebenso für die gesamte technische Performance, die dank des Retroansatzes über die gesamte Spielzeit ohne nennenswerte Probleme ihren Dienst tut.
Das sieht bei den meist auf simpler Logik und etwas Kombinationsgeschick aufgebauten Rätseln schon etwas anders aus, denn die gestalten sich meist fast zu einfach und stellen selbst für Neulinge keine nennenswerte Herausforderung dar. In den recht abwechslungsreich inszenierten Szenarien verstreute Hinweise helfen bei jedem Problem und garantieren ein insgesamt frustfreies Erlebnis der zuweilen wunderbar bescheuerten Geschichte mitsamt seiner zahlreichen, wenn auch nicht ausufernden Textdialoge (englisch oder deutsch verfügbar). Einziges echtes Manko dabei: Manche Objekte, die wir für eine Lösung zwingend benötigen, werden erst nach einer bestimmten Aktion für uns verwendbar. D.h. es kann gut sein, dass man direkt vor einem Artefakt steht, das man „später“ braucht, es jedoch erst dann ins Inventar eingesammelt werden kann, wenn eine bestimmte Aktion zuvor erfolgte. Das ist nervig und gerade aus heutiger Gamersicht absolut unnötig, aber Schwamm drüber.
Insgesamt eignet sich Nine Witches speziell für Retrofans als kurzweiliger Adventure-Happen, wobei man definitiv ein Faible für teils beknackt pubertäre, gelegentlich sogar überraschend brutale Situationen mitbringen sollte. Stärker als das eher seichte Knobel- und Shooter-Gameplay wirken hier Atmosphäre, Setting, Grafikstil und Dialoge daran mit, Spielern für aktuell rund 18 Euro sehr solide zu unterhalten, ohne zu überfordern. Dass man hier allerdings nichts, also wirklich gar nichts ernst nehmen sollte (Stichwort Hexenflüche) versteht sich dabei hoffentlich von selbst.
Fazit
Gut gemachtes Pixel-Adventure mit schrulligen Charakteren und viel schwarzem Humor, dem es aber spielerisch trotz netter Ideen etwas an Tiefgang fehlt.
Nine Witches: Family Disruption • Indiesruption • Point&Click-Adventure • PC/PS4/Xbox One/Switch
Abb. © Blowfish Studio
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