„Kimi“ - Manchmal ist weniger mehr
Steven Soderberghs minimalistischer Tech-Thriller
In vielerlei Hinsicht ist Steven Soderbergh einer der spannendsten Regisseure der Gegenwart. Wie kaum ein anderer wechselt er zwischen den Genres, dreht mal teure Mainstreamfilme, dann wieder kleine Independentwerke, mal für ein Studio, dann für einen Streamer, dann versucht er sich mit Freunden am Selbstverleih. Als sein eigener Kameramann experimentiert er zudem mit Bildformaten, dreht mal auf einem iPhone, mal mit den besten Digitalkameras. Scheinbar ständig dreht Soderbergh, was fraglos ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass seine Filme, unabhängig von ihrem Inhalt, enorm souverän gefilmt sind.
Und das ist es auch, was seinen jüngsten Film „Kimi“ auszeichnet. Denn das Drehbuch von David Koepp („Jurassic Parc“, „Panic Room“) könnte nicht konventioneller sein: Es geht um die junge Angela (Zoë Kravitz), die wegen Covid, aber auch eines traumatischen Erlebnisses, ihr Loft in Seattle nicht verlässt. Besuch bekommt sie nur gelegentlich von ihrem Nachbarn (Byron Bowers) mit dem sie Sex hat, aber nicht mehr. Geld verdient sie mit ihrer Arbeit für das Tech-Unternehmen Amygdala, das bald an die Börse gehen und viel Geld einnehmen will. Denn sie haben Kimi entwickelt, eine Art Alexa, nur noch besser.
Angelas Aufgabe ist es nun, aufgezeichnete Unterhaltung mit Kimi anzuhören und mögliche Fehler und Missverständnisse auszumerzen. Doch dann glaubt sie, dass eine Kimi zufällig einen Mord aufgezeichnet hat. Ihre Vorgesetzten wollen zunächst nichts von dem Verdacht hören, dass Angela schon einmal psychotische Episoden hatte, macht sie nicht glaubwürdiger. Doch spätestens als sie sich doch aus ihrer Wohnung wagt und prompt von finsteren Männern verfolgt wird, steckt sie mitten in einem Komplott.
Wenn sich das sehr bekannt anhört und an Filme wie Coppolas „The Conversation“ oder de Palmas „Blow Out“ denken lässt, dann ist das genau der Punkt. Überdeutlich stellen Soderbergh und Koepp die Bezüge zu diesen und anderen Filmen her, ein wenig „Das Fenster zum Hof“-Isolation darf nicht fehlen, spätere Bilder von schier grenzenloser Überwachung lassen an „Enemy of the State“ denken.
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Was da erzählt wird ist nicht weiter bemerkenswert, ist das, was früher als B-Picture bezeichnet worden wäre. Nur das hier ein absoluter A-Klasse-Regisseur Regie führt, der sichtlich viel Spaß dabei hat, jede visuelle Möglichkeit auszureizen. Kaum 90 Minuten kurz ist „Kimi“ nur und hat kein Gramm Fett. So rasant filmt und schneidet Soderbergh die Geschichte, dass kaum Zeit bleibt, über manche Oberflächlichkeit des Drehbuchs zu stolpern oder zu viele Fragen über die nicht wirklich zwingende Motivation der Antagonisten zu stellen.
„Kimi“ ist im besten Sinne des Wortes ein altmodisches B-Picture, das nicht mehr ist und auch nicht mehr sein will, als 90 Minuten atemlose Unterhaltung. Und wenn so etwas von einem herausragenden Regisseur wie Steven Soderbergh inszeniert wird, dann lässt man sich gerne auf das kurze, kurzweilige Vergnügen ein.
Kimi • USA 2022 • Regie: Steven Soderbergh • Darsteller: Zoë Kravitz, Byron Bowers, Jaime Camil, Erika Christensen, Derek DelGaudio, Robin Givens, Charles Halford, Devin Retray, Jacob Vargas, Rita Wilson • Abb. Warner Bros • jetzt im Kino
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