7. Juli 2022

„Thor: Love & Thunder“ – Als wäre ein Thor nicht genug

Taika Waititis zweiter Ausflug ins Marvel-Universum ist vor allem wirr

Lesezeit: 3 min.

Mit großem Tamtam und noch größerem Einspielergebnis ging im April 2019 die dritte Phase des Marvel Cinematic Universe zu Ende. „Avengers: Endgame“ war ein überdimensionales Klassentreffen der Marvel-Stars, entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten und hinterließ mit dem Tod von Tony Stark und dem Abschied des alten Captain America große Lücken.

Sieben Filme später befindet sich Marvel tief in dem, was die vierte Phase des MCU sein soll, findet aber noch nicht so recht in den Tritt. Filme wie „Eternals“ oder „Shang-Chi“ brachten zwar Diversitätspunkte ein (und wurden von manchen genau deswegen kritisiert), blieben aber vor allem Solitäre, die in den längst zum Standard gewordenen Post-Credit-Sequenzen mehr zum großen Ganzen der Geschichte beitrugen, als in den Filmen selbst.

Nun also „Thor: Love & Thunder“, schon der vierte Teil, in dem der Hammer schwingende nordische Gott im Mittelpunkt steht. Und der zweite, bei dem der neuseeländische Tausendsassa Taika Waititi Regie führt. Und diesmal auch am Drehbuch beteiligt war, was vielleicht manches erklärt, im Guten wie im Schlechten.

Mit dem Vampir-WG-Film „What We Do in the Shadows“ wurde Waititi einst bekannt, ein Film, der durch seinen ungewöhnlichen, bizarren, originellen Witz bestach. Der zieht sich seitdem durch alle Projekte, an denen Waititi beteiligt ist, was auch für seine Hitler-Komödie „Jojo Rabbitt“ gilt, in dem Waititi selbst Hitler als etwas albernen, überdrehten imaginären Freund spielt. Für das Drehbuch bekam Waititi den Oscar und seitdem kaum zur Ruhe: Gerade schneidet er einen Film über den Versuch von Fußballern aus Samoa, sich für die WM zu qualifizieren, ist in der HBO-Serie „Our Flag Means Death“ als Pirat Blackbeard zu sehen, schreibt an einem neuen Star Wars-Film und spricht im neuen Pixar-Film „Lightyear“ eine Rolle. Man mag sich fragen, wo da noch Zeit blieb „Thor: Love & Thunder“ zu schreiben, eine Rolle zu sprechen und Regie zu führen, es erklärt vielleicht aber den Tonfall des Films.

Die Story an sich ist betont simpel: Thor (Chris Hemsworth) trennt sich von den Guardians of the Galaxy und macht alleine Jagd nach dem God Butcher (Christian Bale), der durch das Universum reist und Götter tötet. Währenddessen ist Thors Ex Jane Foster (Natalie Portman) an Krebs erkrankt, was sie dazu verleitet die Reste von Thors Hammer in Neu Asgard aufzusuchen, was sie aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen ebenfalls zu Thor macht.

Viel Aufhebens wurde im Vorfeld daraus gemacht, dass Natalie Portman den Staffelstab bzw. den Hammer von Chris Hemsworth übernehmen würde, im eigentlichen Film erweist sich die angeblich emanzipatorische Geschichte jedoch als falsche Fährte. Die Hauptlast trägt weiterhin der männliche Thor, wobei das Hauptaugenmerk des Films ohnehin auf anderem liegt, nur worauf eigentlich? Wie man es angesichts von Waititis Hang zur ADHS erwarten (oder befürchten) kann, wechselt „Thor: Love & Thunder“ ungefähr alle fünf Minuten die Tonlage. Eben noch alberne Komödie, dann schon emotionale Romanze; eben noch generischer Superheldenfilm, dann wieder schlüpfrige Zoten, bei denen Grazien im Olymp angesichts des nackten Thors reihenweise in Ohnmacht fallen…

Interessant wiederum, wie Waititi den Wunsch des Mutterkonzerns Disney, sich diverser, weltoffener zu präsentieren, einbaut, Anflüge von lesbischer Begierde zeigt, aber auch den von ihm selbst gesprochenen Steinbeißer Korg, der einen Partner gleichen Geschlechts findet.

Inwieweit dieser nunmehr 29. Film des MCUs Teil des großen Ganzen sein soll, mag man sich fragen, ähnlich wie am Ende aller Marvel-Filme der letzten Jahre. So recht gelingt es Marvel-Mastermind Kevin Feige in dieser vierten Phase der Superhelden-Abenteuer noch nicht, einen großen Bogen zu schlagen, Filme umspannende Geschichten zu erzählen, einen neuen, das Universum bedrohenden Antagonisten zu etablieren. Was bedeutet, dass jeder Marvel-Film nur noch für sich steht, was an sich nicht notwendigerweise ein Problem ist, aber um so mehr, wenn die einzelnen Filme kaum mehr versuchen, als inzwischen doch sehr bekannte Muster zu variieren. Sich ganz auf den Charme ihrer jeweiligen Hauptfiguren zu verlassen oder gar darauf, dass die Diversität der Helden das Publikum schon bei der Stange halten wird, das dürfte nicht mehr lange funktionieren.

Thor: Love & Thunder • USA 2022 • Regie: Taika Waititi • Darsteller: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Christian Bale • Kinostart: 8. Juli 2022

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