27. September 2022

Blutvergießen auf dem Mars

Warum wir darauf achten sollten, was für einen Unsinn Elon Musk so von sich gibt

Lesezeit: 4 min.

Ich verlange wirklich nicht viel vom Leben.

Ein Dach über dem Kopf, ein bisschen was zu essen, hin und wieder mal ein Bier und gelegentlich einvernehmlichen und wilden Sex. Da ich das alles schon habe, ist die Liste dessen, was mir noch fehlt, so gut wie nichtexistent.

Aber nur so gut wie, denn zwei Dinge vermisse ich in meinem Leben doch. Oder besser gesagt: Auf zwei Dinge könnte ich wirklich gut verzichten.

1. Ich will mal einen Tag erleben, an dem ich nicht „So blöd kann doch keiner sein“ sagen muss. Momentan sage ich das ungefähr drei Mal am Tag. Eher öfter.

2. Ich will nie wieder über Elon Musk nachdenken, schreiben, reden oder sonst irgendwie mit ihm zu tun haben müssen.

Denn seien wir ehrlich: Die Welt ist auch ohne die weinerlichen Trotzanfälle dieses verwöhnten Riesenbabys schlimm genug dran. Musk und ich haben genau eines gemeinsam: Wir sind beide Südafrikaner. Aber ich möchte wetten, dass ich in letzter Zeit öfter in der alten Heimat war als er, und eines kann ich Ihnen sagen: Wenn man den Namen Elon Musk in der Gegenwart eines Südafrikaners erwähnt, verzieht er das Gesicht, als wäre ihm gerade ein sehr unangenehmer Geruch in die Nase gestiegen – eine Miene, die bedeutet: „Verflucht, musst du den unbedingt erwähnen?“

Hin und wieder vereinigen sich die beiden Punkte auf meiner Liste zu einer einzigen riesenhaften Idiotie. Zu einer Supernova der Dummheit. Und zwar jedes Mal, wenn Musk etwas so abgrundtief Bescheuertes sagt oder tut, dass es mich nicht wundern würde, sollte das Universum für einen Augenblick aufhören, sich auszudehnen, um dieses gewaltige Ausmaß an Blödheit zu bewundern.

Lassen Sie mich das etwas genauer ausführen. Musk hat vor, Menschen auf den Mars zu schaffen. Wenn es nach ihm geht, sollen dort bis 2050 eine Million Leute in einer wie auch immer gearteten Kolonie leben. Um der tödlichen Strahlung auf der Marsoberfläche zu entgehen, müsste diese Kolonie unterirdisch angelegt werden. Das einzige Wasser auf der Marsoberfläche befindet sich an den Polen, wo es viel zu kalt zum Leben ist. Da ist also schwer ranzukommen, von Nahrungsmitteln ganz zu schweigen. Für eine Million Menschen braucht man 1.500 Quadratkilometer Ackerland – unterirdisch, wohlgemerkt. Die ersten zehn Jahre wären die Kolonisten also auf künstliche Nährstoffe angewiesen. Das ist zwar kein unlösbares Problem, erhöht aber auch nicht unbedingt die Lebensqualität.

Damit will ich keinesfalls behaupten, dass so ein Vorhaben völlig unmöglich ist. Technologisch gesehen ist es machbar.

Aber ich bezweifle doch stark, dass die Kolonisten alle vom gleichen optimistischen Pioniergeist beseelt sind und diese Probleme gemeinsam anpacken. Machen wir uns nichts vor: Wenn man eine Million Menschen zehn Jahre lang ohne frische Luft und Sonnenlicht in eine Höhle einsperrt, ihr Wasser rationiert und ihnen nur Labornahrung gibt, wird das nicht gut ausgehen. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Konzern hinter dem Projekt stehen wird, was bedeutet, dass diese glücklichen Siedler nichts weiter als Leibeigene sein werden.

Wie lange dauert es wohl, bis das Ganze in einer waschechten Dystopie endet, bei der jeder pessimistische Science-Fiction-Autor feuchte Träume kriegt? Ich würde schätzen: sechs Monate.

Aber Elon Musk – vergessen wir nicht: das ist seine Vision – wird das ja sicher vorausgesehen haben. Wenn man sich die Mühe macht, den Mars zu besiedeln, hat man vermutlich kein Interesse an Blutvergießen und aufgespießten Köpfen in seiner Kolonie. So was ist Gift fürs Geschäft. Also wäre es doch wohl am besten, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, oder?

Tja. Ein Schlaumeier hat Elon Musk in einem TED-Interview genau das gefragt (nur fürs Protokoll: Bei dem Schlaumeier handelt es sich um Chris Anderson, den Organisator der TED-Talks). Hier Musks Antwort im O-Ton: „Das stellt natürlich ein gewisses Risiko dar, aber hoffentlich sind die Menschen auf dem Mars aufgeklärt genug, um Auseinandersetzungen weitestgehend zu vermeiden.“

Hoffentlich?

Aufgeklärt?

Das ist alles? Mehr hat er nicht zu bieten? Das war‘s?

Tun Sie mir einen Gefallen: Schreiben Sie sich dieses Zitat auf oder speichern Sie es sich auf dem Smartphone, sodass Sie es jederzeit zur Hand haben. Und wenn Sie das nächste Mal die Behauptung hören, dass Musks Geschäftsideen den Gipfel aller menschlichen Errungenschaften darstellen, dann lesen Sie das Zitat noch einmal.

Wenn Musk das nächste Mal große Reden über die menschliche Zivilisation und die Kolonisierung anderer Planeten und den Griff nach den Sternen schwingt, dann lesen Sie das Zitat noch einmal.

Oder wissen Sie was? Lesen Sie es einfach jeden Tag einmal.

Erinnern Sie sich regelmäßig daran, dass der reichste Mensch der Welt abgesehen von der Hoffnung, dass die Menschen schon nett zueinander sein werden, nicht den leisesten Schimmer hat, wie er damit umgehen soll, wenn seine Marskolonisten unzufrieden werden.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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