Festliche Lektüre

Weihnachten kommt Tag für Tag näher ‒ und somit auch die große Geschenkesause. Wer noch auf der Suche nach der passenden Lektüre für die Kinder in der Familie und dem Freundeskreis ist, wird vielleicht hier fündig. Es folgen ein paar lesenswerte Comics und Bücher.

In einer weit, weit entfernten Zukunft

Lust auf ein abgefahrenes Abenteuer? Dann ist „Alldine & die Weltraumpiraten“ genau das richtige. Pate für die charmanten wie auch überdrehten Geschichten stand der bekannte Comicstar Joann Sfar („Die Katze des Rabbiners“, Avant Verlag). Texter Emmanuel Guibert („Ariol“, Reprodukt) und Zeichner Mathieu Sapin haben seine Idee auf Papier verewigt. Worum geht es? In der weit, weit entfernten Zukunft beherrschen Diktator Supermuskelprotz und sein Assistent Dr. Knautsch das Universum. Doch wie in jeder guten Geschichte hat auch diese ein paar Rebellen: Alldine, Kapitän Jack Breitkreuz alias Onkel Jack, Lulu, die resolute Oma ‒ und natürlich eine Katze, warum auch nicht? Gemeinsam setzen sie alle Hebel in Bewegung, um den beiden Oberfieslingen das Handwerk zu legen, komme was wolle. Nicht einmal der perfide Trick, die Seitenreihenfolge zu ändern, kann Alldine und ihre Crew davon abhalten, den Bösen das Handwerk zu legen. Das Beispiel zeigt: Sfar und seine beiden Kollegen trauen sich auch, die ein oder andere Metaebene einzuführen. Ein wirklich herrlicher, leicht überdrehter Spaß.

Emmanuel Guibert, Joann Sfar, Mathieu Sapin: Alldine & die Weltraumpiraten 1. Nabelschau • Aus dem Französischen von Andreas Illmann • Schaltzeit Verlag, Berlin, 2022 • 128 Seiten • 14,00 € • Empfohlen ab 8 Jahren.

Emmanuel Guibert, Joann Sfar, Mathieu Sapin: Alldine & die Weltraumpiraten 1. Energie der Galaxie • Aus dem Französischen von Andreas Illmann • Schaltzeit Verlag, Berlin, 2022 • 128 Seiten • 14,00 € • Empfohlen ab 8 Jahren.

Jona und der Wal

Bei manchen Namen ahnen wir, worum es in der Geschichte gehen wird. In unserem Kulturkreis ganz weit oben in der Assoziationskette: die Bibel. Und so spielt in „Jonas Reise“ (im Shop) natürlich auch ein Wal eine Rolle. Einiges ist dann aber doch anders als im Alten Testament. Jona ist kein Prophet, sondern ein kleiner Junge. Gemeinsam mit seinem Vater, seiner Mutter, Großmutter und kleinen Schwester ist er auf der Flucht: vor einer Naturkatastrophe, der Pest und dem gnadenlosen Herrscher Ninives. Als die Familie an Bord eines Schiffes in ein Unwetter gerät, bricht der Segler auseinander und Jona landet im Bauch des Wals. Die Zeit vergeht und 3.000 Jahre später strandet nicht nur das Meerestier, sondern auch der Junge an der sizilianischen Küste. Verloren hat er nicht nur seine Familie, sondern auch jede Erinnerung an seine Herkunft. Der Journalist, Theaterautor und Schriftsteller Peter von Becker („Wach auf und träume“, S. Fischer Verlag) schildert in seinem Kinderbuchdebüt eine zeitlose Geschichte über Flucht, Hoffnung und Liebe. In seinem Roman verschwimmen die Grenzen zwischen Altertum und Neuzeit, den Dramen von damals und heute, die sich doch nur in Nuancen voneinander unterscheiden. Umso wichtiger ist die dahinterliegende Botschaft: Bleibt menschlich. Denn niemand verlässt gern seine alte Heimat.

Peter von Becker: Jonas Reise. Ein Abenteuer durch Raum und Zeit • Mit Illustrationen von Stella Dreis • cbj, München, 2022 • 192 Seiten • 16,00 € • Empfohlen ab 8 Jahren.

In einem Land zu Anfang unserer Zeit

Apropos Zeitreise: Die unternimmt auch der 13-jährige Franck in der nach ihm benannten Comicreihe. Was es bei „FRNCK“ mit dem fehlenden Vokal auf sich hat, wird noch erklärt ‒ keine Sorge. Doch zurück zum Anfang vom Anfang: Franck lebt in einem Kinderheim und in dem Glauben, keine Eltern mehr zu haben. Kurz bevor der Junge in sein neues Zuhause zieht, erfährt er jedoch, dass er eines Tages im Wald gefunden wurde. Seine Eltern könnten also noch leben! Kurzerhand türmt der Teenager, verläuft sich prompt und landet auf der Baustelle eines Urzeit-Freizeitparks. Doch statt zwischen lauter Pappmaschee und Schauspielern findet er sich in der Steinzeit wieder, gefühlt 10.000 Jahre vor unserer Zeit. Und es ist, wie nicht anders zu erwarten, ein Kulturschock. Nicht nur, dass die Höhlenmenschen die Vokale noch nicht für sich entdeckt haben, auch mit dem Essen ist es nicht weit her. Moderner Komfort? Fehlanzeige in einer Zeit, in der noch nicht einmal das Feuer gebändigt wurde. Was nun? Franck macht das Beste aus der Situation und versucht, seinen Aufenthalt so gut es geht zu überleben ‒ auch wenn er dabei für seine neue Wahlfamilie an seine Grenzen gehen muss. Szenerist Olivier Bocquet und Zeichner Brice Cossu haben mit „FRNCK“ einen unterhaltsamen, mitreißenden Urzeitspaß mit viel Herz geschaffen, der vom ersten Band an überzeugt. Band 4 erscheint übrigens im März kommenden Jahres – wer also jetzt die ersten drei Comicalben zu Weihnachten verschenkt, kann schon einmal einen Tipp für den Osterhasen vormerken lassen.

Olivier Bocquet, Brice Cossu: FRNCK 1. Der Anfang vom Anfang • Aus dem Französischen von Jano Rohleder • Splitter Verlag, Bielefeld 2021 • 56 Seiten • 13,95 € • Empfohlen ab 9 Jahren

Olivier Bocquet, Brice Cossu: FRNCK 2. Die Feuertaufe • Aus dem Französischen von Swantje Baumgart • Splitter Verlag, Bielefeld 2022 • 56 Seiten • 13,95 € • Empfohlen ab 9 Jahren

Olivier Bocquet, Brice Cossu: FRNCK 3. Das Opfer • Aus dem Französischen von Swantje Baumgart • Splitter Verlag, Bielefeld 2022 • 56 Seiten • 13,95 € • Empfohlen ab 9 Jahren

Huba, huba!

Was ist eher klein, gelb, gefleckt wie ein Gepard und hat eine viel zu lange Route? Richtig, das Marsupilami! André Franquins 1952 erstmals gezeichnetes Fantasiewesen hat bereits Generationen von jungen und alten Leser:innen begeistert. Zum 70. Geburtstag des tierischen Helden durfte niemand geringeres als Flix („Glückskind“, Carlsen) einen Jubiläumsband zeichnen. Die Geschichte beginnt im Jahr 1801 irgendwo in Südamerika. Auf seiner Reise durch die unberührte Natur entdecken Alexander von Humboldt und sein Begleiter Aimé Bonpland allerlei Unbekanntes, darunter auch dieses seltsame gelb-schwarze Tier. Dieses rettet die beiden Männer vor einem Waldbrand, verliert danach jedoch das Bewusstsein. Gemeinsam mit anderen Fundstücken, landet das Marsupilami in einer Kiste. 130 Jahre später öffnet diese die junge Mimmi und lässt das Tier auf das verschneite Berlin los, wo es seine Jungen sucht. Flix’ „Das Humboldt-Tier“ ist ein warmherziges, temporeich erzähltes Abenteuer mit viel Lokalkolorit. Der Zeichner erweckt das Lebensgefühl der Weimarer Republik wieder, die sich gerade in ihren letzten Zügen befindet. Und keine Sorge: Das Marsupilami weiß, wie es die braune Brut aus dem Konzept und zumindest temporär zu Fall bringen kann. Nicht nur deswegen ist dieser Comic ein großer Spaß für kleine und große Leser:innen.

Flix: Das Humboldt-Tier. Ein Marsupilami-Abenteuer • Carlsen, Hamburg, 2022 • 72 Seiten • 16,00 € • Empfohlen ab 10 Jahren.

Monster, Monster, überall Monster

Seien wir mal ehrlich: Wer die Wörter „Zauberer“ und „Schule“ in einem Satz hört, denkt automatisch an „Harry Potter“. Joanne K. Rowlings Hogwart hat die Vorstellung von einem Internat für angehende Magier:innen für Jahrzehnte geprägt. Und nur wenige Autor:innen trauen sich, dieses Konzept auf den Kopf zu stellen. Naomi Novik (im Shop) gehört zu den wenigen Ausnahmen. Ihre „Scholomance“ hat so viel mit Hogwarts zu tun wie Äpfel mit Birnen. An dieser Schule gibt es weder Klassen, noch Lehrer:innen. Stattdessen lernen die Schüler:innen auf eigene Faust, um zu überleben. Denn die Scholomance ist von Monstern bewohnt, die die Kinder zum Fressen gern haben. Ich-Erzählerin El kann eigentlich gut auf sich selbst aufpassen. Immerhin hat ihr einst ihre indische Urgroßmutter prophezeit, eine schreckliche Hexe zu werden, die irgendwann alle Enklaven ‒ die Heimat der meisten Hexen und Zauberer ‒ in Schutt und Asche legen wird. Entsprechend reichhaltig ist ihr Arsenal an Todeszaubern. Allerdings: Die mächtige, eigenbrötlerische junge Frau wird regelmäßig von Orion gerettet. Der umschwärmte Schulstar hat nur eine Leidenschaft: Monster zu jagen und zu töten. Als die Schule von immer mehr Monstern überrannt wird, ist es an El und ihren Verbündeten, zunächst den Abschlussjahrgang, später alle Schüler:innen und am Ende ihre Welt zu retten. Probleme sind bei diesem wahnwitzigen Unterfangen natürlich vorprogrammiert. Ob El es schafft oder doch zur bösen Hexe wird? Das wird an dieser Stelle nicht verraten. Eins ist jedoch gewiss: Naomi Noviks „Scholomance“-Trilogie ist beste Dark Fantasy-Unterhaltung und ein toller Schmöker über Freundschaft, Mut und das Über-sich-hinaus-Wachsen.

Naomi Novik: Scholomance. Tödliche Lektion • Aus dem Englischen von Doris Attwood • cbj, München, 2021 • 480 Seiten • 20,00 € • Empfohlen ab 14 Jahren.

Naomi Novik: Scholomance. Der letzte Absolvent • Aus dem Englischen von Doris Attwood • cbj, München, 2021 • 512 Seiten • 20,00 € • Empfohlen ab 14 Jahren.

Naomi Novik: Scholomance. Die Goldenen Enklaven • Aus dem Englischen von Doris Attwood • cbj, München, 2022 • 528 Seiten • 20,00 € • Empfohlen ab 14 Jahren.