„M3GAN“ - Chucky wird weiblich
Eine hübsche Satire über die Fallstricke von KI
Sehen Figuren in Horror-Thrillern eigentlich keine Filme? Wissen Erfinder inzwischen nicht, dass es keine gute Idee ist, künstlichen Wesen egal welcher Art, eine Form von Bewusstsein zu verleihen, sie zu denkenden, fühlenden und dann irgendwann praktisch zwangsläufig mordenden Wesen zu machen? Auch Gemma (Allison Williams), Hauptfigur in „M3GAN“, der neuesten Genre-Variation aus der Produktionsschmiede Blumhouse, scheint ihre Zeit eher im Labor als im Kino verbracht zu haben. Jedenfalls hat sie nicht einen Funken Bedenken, als sie dem Prototypen eines Androiden ein Latexgesicht überstülpt, eine Perücke anzieht und auf Start drückt. M3GAN nennt sich die Androiden, was für Model 3 Generative Android steht und sehr schnell eigenes Leben entwickelt.
Als beste Freundin von Gemmas Nichte Cady (Violet McGraw) soll M3GAN agieren, denn Cady hat gerade ihre Eltern verloren und Tante Gemma kann mit Kindern so gar nichts anfangen. Was den Vorteil hat, dass sie keinerlei Bedenken hat, Cady komplett mit einem technischen Gerät allein zu lassen, hauptsache sie hat ihre Ruhe. Dass Cady und M3GAN immer mehr zu einer Einheit werden, dass Cady ohne M3GAN nicht mehr leben will entgeht Gemma dabei ebenso wie der Umstand, dass M3GAN einen Beschützerinstinkt der eher derberen Art entwickelt. Asimovs Robotergesetze hat Gemma ihrem Prototypen augenscheinlich nicht einprogrammiert, dafür die Fähigkeit zum autonomen Lernen und unbeschränkten Zugriff auf das Internet: Dass sich M3GAN also in Windeseile in einen BFF verwandelt, dazu je nach Situation in eine Psychologin, eine Enzyklopädie, aber auch einen Beschützer ist kaum noch als Science-Fiction zu bezeichnen. Angesichts der sich rasend schnell entwickelnden technischen Möglichkeiten kennen uns die Algorithmen von Google, Facebook oder Amazon inzwischen oft besser als unsere Freunde, inwieweit Kaufentscheidungen, das Seh- oder Klickverhalten da noch eine freie Willensentscheidung darstellt ist eine Frage, die Philosophen und Neurowissenschaftler intensiv diskutieren.
Lose spielen diese Fragen auch in „M3GAN“ eine Rolle, ein Film, der weniger als Thriller denn als Satire funktioniert. Die freiwillige Abhängigkeit von Computern, den sozialen Medien, immer mehr auch Robotern und technischen Geräten wie Alexa bietet viel Stoff für oft pointierte, immer wieder zynische Momente, die Regisseur Gerard Johnstone solide inszeniert.
Dass „M3GAN“ nicht in höhere Sphären vordringt ist angesichts des Konzeptes und seinen potentiellen Möglichkeiten ein wenig Schade. An die besseren Blumhouse-Produktionen vergangener Jahre wie etwa die neue Version von „Der Unsichtbare“ oder den stilistisch herausragenden „Black Phone“ kommt Gerard Johnstone nicht heran. Was zum einen an einem etwas konventionellen Stil liegt, zum anderen am Versuch, allzu brutale Momente zwecks Jugendfreigabe zu vermeiden. Manches Potential des Konzeptes wird so zwar verschenkt, eine pointierte Satire mit manch hübsch zynischen Momenten bleibt „M3GAN“ dennoch.
M3GAN • USA 2022 • Regie: Gerard Johnstone • Darsteller: Allison Williams, Violet McGraw, Ronny Chieng, Amie Donald • Kinostart: 12.1.2023
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