26. Oktober 2023

„Die Theorie von Allem“ – Ziellose Mystery-Sci-Fi mit schönen Bildern

Arthouse-Grindhouse aus Deutschland

Lesezeit: 3 min.

Die bereits seit der Antike bekannte Annahme einer parallel existierenden Welt, eines Universums außerhalb des uns bekannten, ist wahnsinnig faszinierend. Noch faszinierender ist die Vorstellung, dass nicht nur eine Parallelwelt, sondern eine ganze Reihe an Parallelwelten existieren, die zwar an die gleichen Gesetze der Physik gebunden sind, sich aber abgesehen davon vielleicht sogar signifikant von unserer unterscheiden.

Letzteres nennt man Multiversen, und Multiversen sind derzeit das große Ding in der hollywoodschen Comicverwurstungsmaschinerie, allerdings auf eine eher wenig faszinierende Art und Weise. Meist wird mangelnde Kreativität und die ökonomische Notwendigkeit verschleiert, dass jedes nur halbwegs einträgliche Franchise immer weiter und weiter und weiter geführt werden muss. Und da ist so ein Multiverse natürlich prima, da können Todes- und andere Unglücksfälle im Handumdrehen wieder rückgängig gemacht werden. Letztendlich ist alles, was passiert, egal, Hauptsache, es geht weiter.

Origineller geht dagegen die deutsche Produktion „Die Theorie von Allem“ von Timm Kröger vor: So ist hier das große Mysterium nicht nur eine Parallelwelt, der Film selbst ist ein Multiversum: Zusammengesetzt aus disparaten Elementen, die allesamt eine eigene Historizität mit sich bringen: Unter anderem Hitchcock, Welles, Wallace, Hermann, der Film Noir der 40er-Jahre, Science-Fiction aus den 1950ern, der in den 70ern so beliebte Paranoia-Thriller oder die italienischen B-Filme dieser Ära. Allerdings handelt es sich nicht um direkte Referenzen, sondern um mit filmgeschichtlicher Tiefe und Erinnerungen aufgeladene Bausteine, Universen narrativ verwoben zu einem großen, neuen Ganzen, das zahllose, wahrscheinlich unendliche Assoziationsketten auslöst.

Eigentlich ungemein reizvoll, auch da mit prächtigen, kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bildern bebildert: Wolkenstreifen über dem Gebirgsmassiv, Männer in schwarzen Mänteln auf weiß glänzenden Schneehängen – man möchte versinken und nie wieder auftauchen.

Doch Krögers Geschichte fehlt eine Richtung: Die „Theorie von Allem“ führt alles zusammen, ist aber gleichzeitig nicht nichts, aber halt auch nicht so viel, wie er gerne sein möchte: Erzählt wird von einem jungen Doktoranden, Johannes Leinert (Jan Bülow), der zusammen mit seinem Doktorvater zu einem Physikkongress in die Schweizer Alpen zur Vorstellung der neuen Theorie der Quantenmechanik eines iranischen Wissenschaftlers fährt. Doch der iranische Gast ist im Hotel nirgends zu finden, weswegen sich die anwesenden Physiker Dinnerpartys und dem Skifahren widmen. Johannes aber bleibt im Hotel um seine Doktorarbeit fortzusetzen und trifft dort auf eine junge Jazzpianistin, die seltsamerweise Dinge über ihn weiß, die sie eigentlich gar nicht wissen kann. Schließlich wird einer der Physiker tot aufgefunden und etwas später verschwindet die Frau spurlos, was Grund für den Doktoranden ist, eine Besessenheit in bester „Vertigo“-Manier zu entwickeln. Während in Hitchcocks Film der Fokus aber strikt auf James Stewart und Kim Novak liegt, wird hier gleichzeitig von einem Gelehrtenstreit und einem Mysterium in der Tiefe des Berges erzählt, das zwei bizarre Ermittler auf den Plan bringt. Das resultiert in ein mäanderndes Erzähllabyrinth, dessen Ausgang sich im Nirgendwo befindet.

Die Theorie von Allem“ (Deutschland/Österreich/Schweiz 2023) • Regisseur: Timm Kröger • Darsteller: Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler, Gottfried Breitfuss, David Bennent, Phillipe Graber • ab 26. Oktober 2023 im Kino

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