Schauriger Lesespaß (nicht nur) zu Halloween
Grusel vom Feinsten präsentiert von Bree Paulsen, Kat Leyh, Emily J. Taylor und Naomi Novik
Süßes oder es gibt Saures? Egal ob die Jüngeren zu Halloween um die Häuser ziehen oder nicht, gute Grusellektüre daheim zu haben schadet nie. Vier Tipps für den schaurigsten Tag des Jahres und nasskalte Herbstabende.
Klein aber oho
Oftmals sind es die Kleinsten, die zu Höherem berufen sind. So auch Knobi, jedoch ahnt sie es noch nicht. Mit Abenteuern hat sie eigentlich nichts am Hut. Knobi möchte mit ihrem besten Freund Karotte weiterhin Hexe Agnes im Garten helfen und ein ruhiges, unaufgeregtes Leben führen. Als aus dem nahegelegenen Schloss Rauch aufsteigt, ist es mit der Ruhe vorbei. Ist da etwa ein Vampir eingezogen? Plant der gar die Menschen zu versklaven? Müsste man nicht etwas tun? Gefahr erkannt, Plan geschmiedet: Vampire haben Angst vor Knoblauch, also muss Knobi los. Denn sie ist ja eine wandelnde Knoblauchzehe. Was soll da schon schiefgehen? Die kleine Angsthäsin macht sich daher auf zum Schloss – und wächst dabei über sich hinaus. Bree Paulsens zauberhafte „Knobi“-Dilogie gehört zu den goldigsten Kindercomics dieser Halloween-Saison. Die Figuren der queeren Autorin sind so unterschiedlich wie ihre Herkunft, jede:r mit eigenem Charakter. Gemeinsam haben sie vor allem eines: ein gutes Herz. Paulsen nimmt ihre jungen Leser:innen mit auf zwei ungleiche Abenteuer, die mehr als nur eine Überraschung bereit halten. Ein wunderschön gezeichneter, großer Spaß für Jung und Alt.
Bree Paulsen: Knobi und der Vampir • Aus dem Amerikanischen von Tatjana Kröll • Knesebeck, München 2023 • 160 Seiten • Preis: € 16,00 • Empfohlen ab 8 Jahren
Bree Paulsen: Knobi und die Hexe • Aus dem Amerikanischen von Tatjana Kröll • Knesebeck, München 2023 • 160 Seiten • Preis: € 16,00 • Empfohlen ab 8 Jahren
Magie am Wegesrand
Hexen gibt es nicht. Oder doch? Comickünstlerin Kat Leyh entwirft in ihrer Graphic Novel „Snapdragon“ ein Szenario, in dem Magie auf Realität trifft – und Außenseiter:innen zu Held:innen werden. Dabei ist der Start der namensgebenden Heldin mit der vermeintlichen Stadt-Hexe Jacks kein guter. Snapdragon „Snap“ Bloom sucht ihren Hund Good Boy – und findet ihn ausgerechnet bei der Alten mit der Augenklappe. Doch die hatte das verletzte Tier einfach nur gesundgepflegt. Als das Mädchen ein paar verwaiste Opossumjungen findet, bringt sie diese zu Jacks – und freundet sich mit der Tierpräparatorin an. Dabei kommt Snap nicht nur hinter das magische Geheimnis der Seniorin, sondern entdeckt auch deren Verbindung zu ihrer eigenen Familiengeschichte. Kat Leyhs magisch-realistische Geschichte ist grafisch und erzählerisch eine Wucht. Die Chicagoerin nimmt sich gleich mehrerer Außenseiter:innen an und zeigt, welche Stärke ihnen innewohnt. Nicht nur Snap, die als Mädchen mit ihrer „nicht-mädchenhaften“ Art aneckt, bekommt den nötigen Raum, um ihren Platz in der Welt zu finden. Genauso ergeht es auch ihrem besten Freund Louis, der viel lieber ein Mädchen wäre und irgendwann ganz selbstverständlich als Lulu Nagellack und Röcke trägt. Und dann ist da noch Jacks mit ihrer ganz eigenen Geschichte, über die hier nichts weiter verraten wird. Eine großartige Erzählung mit toller Botschaft: Unsere Welt ist bunt – und genau das macht sie so schön.
Kat Leyh: Snapdragon • Aus dem Amerikanischen von Matthias Wieland • Reprodukt, Berlin 2023 • 240 Seiten • Preis: € 20,00 • Empfohlen ab 10 Jahren
… so kann er was erzählen. Oder in diesem Fall: So kann sie etwas erzählen. Denn was Jani und ihre kleine Schwester Zosa erleben, ist wahrlich einzigartig. Dabei haben es die Waisen nicht leicht. Nach dem Tod der Mutter versucht Jani, für sich und Zosa zu sorgen. Doch das Leben in Durc ist geprägt von Armut und Entbehrungen. Am liebsten möchte die Teenagerin zurück in ihre alte Heimat, doch dafür reicht das Geld nicht. Als das Hotel Magnifique seine Pforten öffnet, scheint sich das Blatt zu wenden. Das Gebäude, das täglich den Ort wechselt, sucht sich seine Gäste aus. Wer kein Ticket in das temporäre Glück erwischt, kann immer noch als Personal anheuern. Gesagt, getan: Während Zosa mit ihrer Goldkehlchen-Stimme einen der begehrten Verträge bekommt, geht Jani leer aus. Doch die 17-Jährige zieht alle Register, um nicht von ihrer Schwester getrennt zu werden – und legt sich dabei mit dem gutaussehenden Portier Bel an. Schon bald jedoch dämmert ihr, dass in diesem Haus nichts so ist, wie es scheint. Dass Jani und die anderen Mitreisenden ihren Sinnen nicht trauen sollten, wird in Emily J. Taylors Debüt recht schnell deutlich. Zwar bezirzen die angestellten Magier:innen jede:n mit ihrer Kunst, verzaubern die Opulenz und das Eigenleben des Hauses jeden Gast. Doch warum darf sich niemand mehr an die Reise erinnern, sobald er oder sie das Haus verlässt? Natürlich kommt Jani dem dunklen Geheimnis des Hotels und seines Direktors auf die Spur. Bis es soweit ist, vergeht die Zeit mit „Hotel Magnifique“ wie im Flug – auch dank des französischen Flairs, den Janis Welt umgibt.
Emily J. Taylor: Hotel Magnifique. Eine magische Reise • Aus dem Amerikanischen von Bettina Spangler • Heyne, München 2023 • 512 Seiten • Erhältlich als Hardcover und eBook • Preis des Hardcovers: € 22,00 • Empfohlen ab 14 Jahren • im Shop
Ene, mene, muh, geschluckt vom Monster wirst du
Kein Halloween ohne Naomi Novik? Nun, auch in diesem Fall hat die Empfehlung einen kleinen Haken. Der Abschlussband ihrer monströs spannenden „Scholomance“-Trilogie erscheint erst am 15. November als Taschenbuch. Dennoch bietet das anstehende Halloween-Fest den idealen Rahmen, um ihre tolle Anti-Heldin Galadriel „El“ Higgins kennenzulernen. Diese geht gemeinsam mit vielen anderen Hexen- und Zaubererkinder auf die titelgebende Magierschule. Wer jetzt an Hogwarts denkt, liegt ziemlich falsch. El und ihre Mitschüler:innen haben keine Lehrer:innen, dafür aber jede Menge Monster als Hausgäste ‒ und die haben die Kids und Teens zum Fressen gern. Wer sich nicht selbst Schutz- und Kampfzauber beibringen kann, endet als Dämonenfrühstück. Oder hat vielleicht das Glück, vom Schulheld und Monsterjäger Orion Lake beschützt zu werden. Ausgerechnet von so einem muss sich El retten lassen? Für die sarkastische Ich-Erzählerin mit dem Hang zu Massenmord-Zaubersprüchen ein klares No-Go. Zwischen den beiden knallt und knistert es heftig, zumal Orions Heldentum das Gleichgewicht zwischen Monstern und Schüler:innen durcheinander bringt. Und als wäre das alles nicht kompliziert genug, lastet auf El auch noch ein Fluch: Sie wird eines Tages die elitäre Magiergesellschaft und ihre schützenden Enklaven zu Fall bringen. Doch wie das so mit Prophezeiungen ist, kommt es häufig anders als man denkt. Ein actiongeladenes, düsteres Magieabenteuer voller überraschender Wendungen.
Naomi Novik: Scholomance • Aus dem Amerikanischen von Doris Attwood • cbj, München 2023 • je 480 bis 528 Seiten • Erhältlich als Hardcover, Taschenbuch und eBook • Preis der Taschenbücher je € 13,00 • Empfohlen ab 14 Jahren • im Shop
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