Tycho: „The Phantom“
Ambient-Dance aus San Francisco
Mit „elektronischer“ Musik ist das ja so eine Sache. Entstanden aus dem Gepiepse, Geplucker und Gewaber erster Synthesizer bekam die Sache in den 1970ern viel Schub aus Deutschland, wo die einen (Klaus Schulze, Tangerine Dream u.a.) eher in Richtung Soundscape unterwegs waren, meist ohne Gesang, wunderbar geeignet für imaginäre Reisen durchs All oder an sonstige Orte, die der VW Käfer nicht erreichte. Die anderen – also der Klüngel rund um Kraftwerk – zog es eher Richtung Pop … und diversifizierte sich dabei so sehr in die Breite, dass die heutige Musiklandschaft ohne ihre Pionierarbeit gar nicht denkbar wäre.
Ein Strang dieser Entwicklung kümmerte sich besonders darum, dem oft Kalten und Technischen der elektronischen Musik die Kanten zu nehmen, dem Futuristischen eine wärmere und irgendwie lebenswertere Variation an die Seite zu stellen. Hört man sich Werke von La Düsseldorf (z.B. das Debüt von 1976) oder Michael Rother (etwa „Sterntaler“) an, mag man kaum glauben, dass die 50 Jahre auf dem Buckel haben. Würde man das bei „Pull & Bear“ über die Store-Boxen schicken, kämen bestimmt ein paar Kunden zum Tresen, um zu fragen, was denn da für ein seltsam cooler Retro-Future-Sound läuft, oder versuchen es mit Shazam.
In diese Richtung von Dance Ambient, gechillt, gefällig, absolut gar nicht nervig, ist auch Scott Hanson alias Tycho seit gut 20 Jahren unterwegs, und das mit ziemlich großem Erfolg, der sich auch in diversen Grammy-Nominierungen niedergeschlagen hat. Er hat sich in dieser Zeit eine feste Fanbase geschaffen, die ganz gut ohne Hype und Charts auskommt, aber seine Musik als Hintergrund des täglichen Lebens schätzt. Das klingt erstmal schrecklich, nach austauschbarer Fahrstuhlmusik, greift aber doch deutlich zu kurz. Denn Tychos Tracks sind zu crisp und gekonnt, um ganz im Background zu verschwinden. Es ist Musik für gute Tage oder solche, die es werden sollen.
Gerade ist ein Vorgeschmack seines neuen Albums „Infinite Health“ gelandet, das am 30. August erscheint. „Phantom“ ist ein ganz typischer Tycho-Song. Wahnsinnig easy, entspannter Beat, keine epische Großtat, aber schwer wieder aus dem Kopf zu bekommen.
Als Zugabe unter „Phantom“ gibt es noch „Japan“ (mit und ohne Vocals) vom Album „Weather“ (2019), das mir während der Covid-Zeit über den Weg lief und einfach nicht verschwinden wollte.
Tychos Musik gibt es u.a. bei Bandcamp, YouTube und allen üblichen Diensten.
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