„Mickey 17“ – Lost in Translation
Bong Joon-ho versucht sich einmal mehr an einem englischsprachigen Film
Am Wochenende bewies die Oscar-Verleihung einmal mehr, dass das Kino universeller wird: Zwei auf spanisch gedrehte Filme – das brasilianische Drama „Für Immer Hier“ und das französische Musical „Emilia Perez“ – waren als Bester Film nominiert, eine Kategorie, die einst englischsprachigen Filmen vorbehalten war. Nur ganz selten verirrte sich mal ein internationaler Film in diese Kategorie, der deutsche Klassiker „Das Boot“ gehört dazu, doch dann geschah das kaum Denkbare: Mit dem südkoreanischen Film „Parasite“ von Bong Joon-ho wurde vor fünf Jahren tatsächlich zum allerersten Mal ein nicht englischsprachiger Film als Bester Film ausgezeichnet. Ob das ein Fortschritt ist oder doch eher seltsam, schließlich werden bei den französischen Filmpreisen, dem César, auch nicht auf einmal indische Filme oder bei den spanischen Goyas ein Film aus dem Kongo ausgezeichnet, sei dahingestellt, die Internationalisierung des Kinos schreitet jedenfalls voran.
Was vor allem bedeutet, dass immer mehr Regisseure auf Englisch drehen und zwar nicht im Sinne von etwa Wolfgang Petersen, Roland Emmerich und vielen anderen, die nach Hollywood wechselten und sich ganz in den Dienst des Studio-Systems stellten, sondern im Sinne einer Coralie Fargeat, die ihren Überraschungserfolg „The Substance“ als französische Produktion, mit einem Hollywoodstar auf Englisch drehte oder eben einem Bong Joon-ho, der nun mit „Mickey 17“ zum dritten Mal auf Englisch dreht.
Nun ist Film zwar ein visuelles Medium und Bong Joon-ho ein ausgezeichneter Stilist. Dennoch funktionieren seine Filme meist stark über die Sprache, erzählen sie in der Regel doch von dystopischen Gesellschaften, wollen Satiren über Ungerechtigkeiten im kapitalistischen System sein und versuchen daher zwangsläufig, Dinge nicht nur visuell, sondern vor allem auch sprachlich auf den Punkt zu bringen.
Dass gelang Bong auf Koreanisch sehr gut, nach seinem ersten großen Erfolg, dem Krimi „Memories of Murder“, vor allem in der überdrehten Monster-Satire „The Host“, die dank ihrer visuellen Qualitäten ohne Frage die Aufmerksamkeit von Hollywood weckte. Ein paar Jahre später begann dann auch mit der Netflix-Produktion „Okja“ Bongs englische Phase, gefolgt von der Graphic Novel-Verfilmung „Snowpiercer.“ Für den Oscar-Gewinner „Parasite“ kehrt er nach Korea zurück, jetzt also „Mickey 17“, eine weit über 100 Millionen Dollar teure Romanverfilmung (Edward Ashtons Vorlage „Mickey7 – Der letzte Klon“ erschien auf Deutsch bei Heyne; im Shop), in der Robert Pattinson den Titelhelden Mickey spielt, bzw. die.
16 Versionen von Mickey wurden bei einer langen Reise in die Tiefen des Weltraums, mit dem Ziel einen fremden Planeten zu kolonisieren, schon verbraucht, bei gefährlichen Aufgaben verheizt, als Versuchskaninchen missbraucht, bis man nun bei Nr. 17 angekommen ist. Der wird einmal mehr für tot gehalten, ein Nachfolger ausgedruckt – und auf einmal existieren zwei Mickeys. Gemeinsam machen sich die Mickeys nun daran, um ihr Überleben zu kämpfen und vor allem die finsteren Pläne von Kenneth Marshall zu durchkreuzen, einen größenwahnsinnigen Politiker, den Mark Ruffalo wie eine Mischung aus Donald Trump und Elon Musk spielt.
Auch wenn alle Beteiligten allzu deutliche Ähnlichkeiten zu lebenden Figuren der politischen Gegenwart abzustreiten versuchen, kann man gar nicht anders als den wahnsinnigen Marshall als Karikatur des aktuellen amerikanischen Präsidenten lesen: Selbstverliebt, unsympathisch, großkotzig.
Die subtileren Aspekte von „Mickey 17“ werden durch diese grobe Karikatur nicht etwas überschattet, wobei sich Bong hier wie schon in „Okja“ und „Snowpiercer“ einer eher schematischen Satire bedient, die möglicherweise auch durch die verwendete fremde Sprache grobschlächtig bleibt: Hier die Guten, da die Bösen, hier die unterdrückte Unterschicht, dort die im Luxus lebende Oberschicht: All das hat Bong schon in „Snowpiercer“ durchdekliniert, unzählige Filme und TV-Sendungen versuchten ähnliches. Klar, über die satirisch überhöhten Exzesse der Reichen und Mächtigen zu lachen geht immer, gerade wenn ein so guter Regisseur wie Bong Joon-ho Regie führt. Komplexer wirkt seine Gesellschaftskritik dann aber doch, wenn er das Ganze in seiner Muttersprache versucht.
Mickey 17 • USA 2025 • Regie: Bong Joon-ho • Darsteller: Robert Pattinson, Naomi Ackie, Steven Yeun, Toni Collette, Mark Ruffalo • jetzt im Kino
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