„Ich warte auf dich“ von Kim Bo-young
Von Menschen und Lichtgeschwindigkeit: Ein Episodenroman aus Südkorea
Popkulturelle Exporte aus Südkorea boomen international schon seit einigen Jahren, gerade im Bereich Musik. Doch auch Film, Comic, Streaming-Serien und selbstredend Literatur ziehen seit geraumer Zeit nach. Ausgerechnet Netflix’ Animationsfilm „K-Pop Demon Hunters“ und sein eingängiger Soundtrack haben diesen Sommer den Hype um koreanische Stoffe jetzt noch mal auf ein völlig neues Level der Superlative gehoben (und hoffentlich bringt der Streaming-Hit möglichst viele Menschen dazu, sich ebenfalls den süßen SF-Animationsfilm „Lost in Starlight“ auf derselben Plattform anzusehen). Schön, dass wir passend zum Hype und zum Boom nun über ein weiteres, frisch auf Deutsch erschienenes Science-Fiction-Buch aus Korea reden können: „Ich warte auf dich“ von Autorin Kim Bo-young (im Shop).
Bevor die 1975 geborene Kim SF-Prosa veröffentlichte, arbeitete sie als Drehbuchautorin, Entwicklerin und Grafikdesignerin für den koreanischen Videogame-Hersteller Garam & Baram. Außerdem wirkte sie als Beraterin an der „Snowpiercer“-Verfilmung von Bong Joon-ho („Parasite“, „Okja“, „Mickey 17“) aus dem Jahr 2013 mit. 2004 publizierte sie ihre erste SF-Geschichte, die ihr direkt den Korean Science & Technology Creative Writing Award einbrachte, ab 2014 kamen mehrere South Korean SF Novel Awards hinzu. Allerdings erinnert der Erfolg von Kim Bo-young ein bisschen an die Erfolgsgeschichte des chinesischen SF-Superstars Cixin Liu (im Shop): Erst durch Übersetzungen ins Englische und für den US-Markt, wurden sie unabhängig ihrer Triumphe in der Heimat auch zu internationalen Genre-Größen. Bei Kim kam das durch Veröffentlichungen ihrer Erzählungen im US-Magazin „Clarkesworld“ ab Mitte der 2010er.
„Ich warte auf dich“ ist ein schöner, vielseitiger Einstieg in Kims Schaffen: Auch, weil das Buch aus zwei Teilen besteht, die sich wiederum aus mehreren Episoden bzw. Erzählungen zusammensetzen, die von der Autorin selbst so aufbereitet, so kompiliert wurden. Dadurch, dass es stets um die Komplikationen zwischen menschlichem Streben und interstellarem Reisen bei Lichtgeschwindigkeit geht, werden allerdings eine thematische und selbst eine chronologische Klammer um alle Episoden gemacht. Dennoch dürften viele Lesende ihr Highlight in der ersten Hälfte des Bandes finden: Die titelgebende Episode schrieb Kim aufgrund der E-Mail-Anfrage eines Fans, der sie darum bat und letztlich damit beauftragte, eine romantische Science-Fiction-Geschichte zu verfassen, mit der er seiner Freundin einen Heiratsantrag machen könnte.
Das Ergebnis ist eine wunderbare Verbindung von Hard-SF und Herzschmerz: Braut und Bräutigam verpassen sich auf dem Weg zum irdischen Altar, da sie per Raumschiff und Lichtgeschwindigkeit von Alpha Centauri anreist, und er als Erdenbewohner die Wartezeit auf einem anderen Schiff verkürzen will, das die relative Zeit zwischen Erde und Weltraum aufgrund der Gesetze interstellaren Reisens genauso wegfrisst. Am Ende besucht er leider gleich mehrfach eine endzeitliche und postapokalyptische Erde, wo er nur Spuren seiner verschollenen, verpassten Traumfrau findet. Das zweite Kapitel des Buches ist gewissermaßen die Antwort auf dieses romantische Drama, sprich, die Geschichte der verhinderten Braut – wobei Kim fast schon in Richtung Generationenraumschiff-Geschichte geht. Natürlich ergänzen sich „Ich warte auf dich“ und „Auf dem Weg zu dir“ auf hübsche Weise.
Via „In die Zukunft gehen“, dem dritten Teil des Buches, denkt Kim die Sache mit dem interstellaren Reisen, den Tücken und Chancen der Lichtgeschwindigkeit, dann konsequent zu Ende: In fast schon etwas old-fashioned wirkenden Geschichten erlebt ein Raumfahrer Evolution sowie Devolution von Erde und Menschheit zwischen den Eiszeiten wie im Zeitraffer – einmal wird er von den abermals-primitiven Bewohnern des Planeten sogar wie ein Gott willkommen geheißen und zu einem anderen „Gott“ in dessen Tempel geführt. Doch der Raumfahrer will nicht verehrt werden, sondern das Ende des Universums erreichen, wo ihn dann aber auch wieder eine Überraschung erwartet …
Egal ob man seine Science-Fiction nun romantisch, klassisch, gegenwärtig oder traditionell mag: Die Erzählungen bzw. Episoden von Kim Bo-young in „Ich warte auf dich“ bieten für jeden etwas. Allerdings wundert es einen nicht, dass Regisseur Denis Villeneuve („The Arrival“, „Blade Runner 2049“, „Dune“) die Titelgeschichte adaptieren will. Am besten tut der Kanadier das jedoch, bevor er ganz mit 007 beschäftigt sein wird. „Ich warte auf dich“ zeigt ja, wie das sonst läuft, wenn man sich trotz Versprechungen und Bestrebungen bloß noch verpasst …
Kim Bo-young: Ich warte auf dich • Roman • Aus dem Koreanischen von Sun Young Yun, Alexandra Schiefert • Heyne, München 2025 • 336 Seiten • Erhältlich als Hardcover und eBook • Preis des Hardcovers: 18,00 € • im Shop
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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“ erschienen.
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