18. November 2025

„Wes Anderson – Alle Filme, alle Fakten“ – Von Rushmore zur Asteroid City

Ein prächtiger Band über einen der großen Autorenfilmer der Gegenwart

Lesezeit: 3 min.

Es überrascht nicht, dass mit Christophe Narbonne ein französischer Journalist und Filmkritiker ein Buch über Wes Anderson geschrieben hat, schließlich wurde einst in Frankreich die Autorentheorie erdacht, die auch in der an sich durch und durch kollaborativen Kunst des Kinos eine Person, eben der Autor, der Auteur, der Regisseur, als überragenden Verfasser eines Werkes ansieht.

Und kaum ein Regisseur des zeitgenössischen Kinos entspricht dem Bild des Auteurs mehr als Wes Anderson, dessen Filme nach wenigen Sekunden durch ihre unverkennbare Handschrift als Filme Andersons zu erkennen sind. Seit fast 30 Jahren dreht Anderson inzwischen Spielfilme, als Mitfünfziger dürfte bald die Zeit für große Retrospektiven und Preise fürs Lebenswerk beginnen, perfekter Anlass also für einen prächtigen Bildband, bei dem man nur bedauert (abgesehen von der oft arg holprigen Übersetzung), dass er nach 270 Seiten schon zu den Fußnoten und dem Index übergeht.

Wes Anderson – Alle Filme, alle Fakten“ (im Shop), beschreibt nur deswegen nicht alle Filme in Andersons Œuvre, da die französische Originalausgabe schon letztes Jahr erschien, der aktuelle Film „Der Phönizische Meisterstreich“ also nicht vorkommen konnte. Vom 1996 ins Kino gekommenen Debüt „Bottle Rocket“ bis zu „Asteroid City“ von 2023 reicht also der Bogen, den Narbonne schlägt. Jedem Film ist ein ausführliches Kapitel gewidmet, das einen kurzen Abriss über Genese, Dreharbeiten und Rezeption bietet, angereichert von kuriosen Fakten und Anekdoten.

Dazwischen finden sich thematische Kapitel, die Andersons Werke thematisch einordnen, seine Lust an dynamischer Bewegung, dem Fokus auf mehr oder weniger funktionale Familien, die seine Filme unterschwellig autobiographisch erscheinen lassen, dem Faible für einen peniblen Vintage-Look. Der sich in zunehmend ausgefeilteren, manche sagen manieriertem Setdesign spiegelt.

Den Schauspielern der Anderson-Filme – inzwischen längst ein Schaulaufen von Hollywood-Stars – wird dagegen kaum Platz gewidmet, allein dem Faktotum Bill Murray, der mit zehn Auftritten in Anderson-Filmen den „Rekord“ hält, ist ein (sehr kurzes) Kapitel gewidmet. Typisch Französisch eben: Der Auteur ist der Star.

Etwas zufälliger- aber doch passenderweise findet sich das besonders lange Kapitel über die Produktion von Andersons erstem Animationsfilm „Der fantastische Mr. Fox“ genau in der Mitte des Buches. Denn diese im traditionellen und aufwändigen Stop-Motion-Verfahren entstandene Roald Dahl-Verfilmung war der erste Film, bei dem Anderson jede Einstellung mittels eines animierten Storyboards schon im voraus festgelegt hatte. Eine Technik, die er in seinen folgenden Spielfilmen weiterführte, die sich zunehmend aus der realen Welt verabschiedeten und teilweise komplett in Sets gedreht wurden.

Zwar spielten auch frühe Filme wie „Die Royal Tenebaums“ nicht im realen, sondern in einem Phantasie-New York, doch sie wurden noch in realen Kulissen in New York gedreht. Inzwischen hat Anderson in den Potsdamer Babelsberg-Studios eine neue Heimat gefunden und dazu Bühnenbildner, die ihm seine Entwürfe ins Studio stellen. So wie er in den Stop-Animation-Filmen die fast perfekte Kontrolle über jedes Bild hatte, so hat er es nun auch zunehmend in den Realfilmen, die nicht mehr den Hindernissen (allerdings oft auch Möglichkeiten) von Dreharbeiten etwa auf dem Meer oder in Indien unterworfen sind.

Folgt man dem Bogen von Andersons Filmen, den Narbonne in seinem Buch schlägt, wirkt der oft vorgebrachte Vorwurf, Anderson würde immer nur den selben Film drehen, um so absurder. Natürlich, Themen, stilistische Mittel, bevorzugte Schauspieler, ziehen sich durch das Werk, aber viel wichtiger sind die Veränderungen, die inhaltliche Entwicklung, in den letzten Jahren auch ein zunehmend komplexes Spiel mit Erzählperspketiven. Man darf gespannt sein, wohin Andersons filmische Entwicklung ihn in den nächsten Jahren führt, dieses Buch macht Lust, seine bisherige Karriere noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Christophe Narbonne: Wes Anderson – Alle Filme, alle Fakten • Sachbuch • Prestel, München 2025 • 288 Seiten • Hardcover • 42,00 € • im Shop

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