8. Juli 2014

Evolutionärer Staub aus der Schweiz

Frederik Peeters neue Science-Fiction-Comicserie „Aama“

Lesezeit: 3 min.

In der fernen Zukunft hat der bibliophile, technophobe Verloc Nim alles verloren, was seinem Leben einmal Sinn und Halt gegeben hat. Seine Frau hat ihn verlassen, er darf seine Tochter nicht mehr sehen, und Trickbetrüger haben den Laden leergeräumt, den Verloc von seinem Vater geerbt hat. Selbst die Flucht in betäubende Drogen reicht nicht mehr, um mit all dem fertig zu werden. Verloc ist so gut wie abgestürzt. Just in dieser finsteren Stunde taucht plötzlich Verlocs zahnbürsten-versessener, erfolgreich als Problemlöser für einen Großkonzern arbeitender Bruder Conrad mit seinem Gorilla-Roboter-Bodyguard auf und nimmt Verloc mit auf eine Reise zum Planeten Ona(Ji), der erst vor Kurzem entdeckt wurde. Dort soll Conrad eine Forschungs-Kolonie aufsuchen, die fünf Jahre lang vom seinem amoralischen Arbeitgeber in Stich gelassen wurde, und die revolutionäre Substanz namens Aama bergen – eine Art Ursuppe aus Pico-Robotern, die selbstständig Materie auf subatomarer Ebene verändern kann. Vor Ort stellen Verloc, Conrad und ihr tougher Robo-Begleiter in Affengestalt jedoch schnell fest, dass die Dinge auf Ona(Ji) nicht zum Besten stehen…

Mit Panel-Werken wie dem Krimi „RG  –Verdeckter Einsatz in Paris“, dem Meta-Science-Fiction-Fantasy-Märchen „Koma“, dem twilightzone-mäßigen „Sandburg“ oder der autobiografischen HIV-Betrachtung „Blaue Pillen“ hat der Schweizer Comic-Künstler Frederik Peeters seine beeindruckende thematische Vielseitigkeit hinlänglich bewiesen – von seinem Können ganz zu schweigen. Mit „Der Geruch von heißem Staub“ legt der Eidgenosse als Autor und Zeichner nun seinen neuesten Comic vor, und wieder einmal zieht es Peeters zu neuen Ufern – oder vielleicht sollte man besser sagen, zu neuen Sternen (zumindest was sein deutschsprachiges Portfolio angeht; mit dem bisher noch nicht übersetzten Vierteiler „Lupus“ stieß Peeters auf Französisch zwischen 2005 und 2007 bereits in die Gefilde der Science Fiction vor).

Der Auftaktband seiner SF-Serie „Aama“, auf dem berühmten Comic-Festival im französischen Angouleme 2013 mit dem wohl wichtigsten europäischen Comic-Preis ausgezeichnet, verbindet nicht nur Peeters unverkennbaren Zeichenstil mit den amerikanischen Großmeistern klassischer Science-Fiction-Kunst, also mit Alex Raymond, Wally Wood, Al Williamson und Alex Toth. Auch inhaltlich hat das trotz aller Eigenständigkeit und aller Ideen einen geradezu klassischen Touch. Darüber hinaus stimmen das Feeling und das Flair von Peeters SF-Universum auf Anhieb, und die Charakterbeziehungen wissen von vorne bis hinten zu überzeugen. Lediglich beim Pacing – dem Tempo – hat „Aama“ nach diesem ersten Album mit knapp 90 Seiten noch etwas Luft nach oben. Andererseits kann man es dem 1974 in Genf geborenen Comic-Multitalent irgendwo sogar zugute halten, dass er hier ebenfalls seinen eigenen Weg geht und einfach sein Ding durchzieht.

Man ist längst nicht mehr überrascht, wenn Frederik Peeters einen weiteren gelungenen Comic vorlegt, der zudem völlig anders ist als das, was der Schweizer bisher in Frankreich, England und Deutschland veröffentlicht hat. Umso schöner, dass er sich nun mit Erfolg der traditionsbewussten Science Fiction zugewandt hat.

Die Qualität von „Aama“ ist hoch, das Potenzial groß – und die Vorfreude auf den zweiten Band schon jetzt absolut berechtigt.

Frederik Peeters: Aama Bd. 1: Der Geruch von heißem Staub • Reprodukt, Berlin 2014  • 88 Seiten • € 20,00

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