26. Dezember 2016

Erstkontakt mit Trisolaris

Wie entschlüsseln wir eigentlich Alien-Nachrichten, wenn wir welche empfangen sollten?

Lesezeit: 8 min.

Die Frage, wie eine Kommunikation mit Aliens vonstatten gehen könnte, beschäftigt derzeit nicht nur Kinogänger, sie spielt auch in Cixin Lius Roman Die Drei Sonnen (im Shop) eine zentrale Rolle. Lius Trisolarier sind nicht ganz so friedlich wie die Außerirdischen in Arrival, finden aber eine einmalige Methode, um über viereinhalb Lichtjahre hinweg Nachrichten mit der Erde auszutauschen. Doch wie könnte ein solcher Kontakt in der realen Welt ablaufen? Diese Frage habe ich mir im August 2015 bereits gestellt und damals diesen kurzen Essay gepostet: 

Seit 1960 richtet das SETI-Institut gigantische Radioteleskope gen Himmel und lauscht, ob dort draußen jemand wie wir ist – lies: eine andere intelligente Lebensform, auf einem anderen Planeten entstanden, die möglicherweise Botschaften durch die unendlichen Weiten des Alls zu uns schickt. Bisher haben wir keine derartige Botschaft empfangen, und auf die, die wir selbst losgeschickt haben, hat uns noch niemand geantwortet. Doch mal angenommen, wir fangen tatsächlich eine Botschaft von den Sternen auf, die von intelligenten Aliens geschickt wurde, und angenommen, diese Wesen sprechen eine uns unbekannte Sprache (was ja nicht unwahrscheinlich ist). Wie wollen die Wissenschaftler diese Botschaft eigentlich entschlüsseln?

SETI hat dafür die Unterabteilung CETI, kurz für Communication with Extraterrestrial Intelligence, eingerichtet, die sich mit dem Senden und Empfangen von Botschaften zwischen uns und Alien-Zivilisationen befasst. Wenn wir eines Tages eine Nachricht empfangen, ist es die Aufgabe der CETI-Mitarbeiter, sie zu entschlüsseln. Ob uns das gelingen wird, hängt vor allem davon ab, um welchen Typ Nachricht es sich dabei handelt: Versuchen Aliens ganz bewusst, mit uns in Kontakt zu treten? Antworten sie vielleicht auf eine unserer Nachrichten? Oder handelt es sich um ein zufällig aufgefangenes Signal, das gar nicht für einen Kontaktversuch mit einer anderen vernunftbegabten Spezies konzipiert wurde, vielleicht eine zufällig aufgefangene Radiosendung oder einen Funkspruch?

SETI

Die erste Aufgabe der Wissenschaftler am SETI-Institut ist zunächst einmal, ein Alien-Signal auch tatsächlich als solches zu identifizieren. Das könnte leichter gesagt als getan sein, denn im Kosmos ist es alles andere als leise. Es gibt eine Menge Objekte da draußen, die elektromagnetische Wellen im Radiobereich ausstrahlen. Als die Pulsare, schnell rotierende Neutronensterne, die Strahlung im Radiofrequenzbereich abgeben, 1967 entdeckt wurden, hielten die Entdecker Jocelyn Bell und Anthony Hewish die regelmäßigen Signale zunächst für künstlichen Ursprungs, mussten sich dann eines Besseren belehren lassen. (Wie Pulsare genau funktionieren, erklärt Robert L. Forward in seinem Roman Das Drachenei (im Shop).) 1977 fing das Big-Ear-Radioteleskop der Ohio State University ein 72-sekündiges Schmalband-Radiosignal aus Richtung des Sternbildes Schütze auf, das sich aufgrund seiner Stärke deutlich vom kosmischen Hintergrundrauschen abhob. Der Astrophysiker Jerry R. Ehman schrieb ein großes rotes „Wow!“ daneben und gab dem Signal so seinen Namen. Bis heute ist nicht ganz klar, woher es kommt, aber die Vermutung, es handele sich nicht um ein Alien-Signal, sondern habe einen natürlichen Ursprung oder ist gar von der Erde, hat sich durchgesetzt. Dennoch schickten wir 2012 eine Antwort, bestehend aus 10 000 Twitter-Nachrichten, um möglichen Aliens zu zeigen, dass wir intelligente Lebewesen sind. Wer jetzt befürchtet, dass vielleicht der ein oder andere nicht ganz stubenreine Tweet dabei gewesen sein könnte, kann unbesorgt sein: Nacktbilder haben wir bereits an Bord von Pioneer 10 und 11 ins All geschickt.

Die meisten SETI-Wissenschaftler sind sich einig, dass ein echtes Alien-Signal unzweideutig sein wird. Natürliche elektromagnetische Signale breiten sich immer weiter aus, wie Wellen in einem Teich, die schwächer werden, je weiter sie sich von der Quelle entfernen. Gerichtete, künstliche Signale hingegen können fokussiert abgegeben werden. Frequenz und Intensität werden ehr wahrscheinlich dabei helfen, ein künstliches Signal von einem natürlichen zu unterscheiden. Aber es besteht natürlich immer die Möglichkeit, wie im Falle der Pulsare, dass natürliche Prozesse, die wir noch nicht kennen, Signale erzeugen, die wir für künstlich halten. Signale, die sich vom kosmischen Hintergrundrauschen abheben und die sich nicht über die gesamte Bandbreite erstrecken, sondern wie ein Radiosender kontinuierlich auf einer bestimmten Frequenz senden, wären vielversprechende Kandidaten für eine nicht-natürliche Herkunft.

Gesetzt den Fall, wir bekommen irgendwann ETs Radiosender herein, ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer uns unverständlichen Sprache gesendet wird, sehr hoch. Wie sollen wir diese Sprachbarriere überwinden? Können wir das denn überhaupt? Immerhin ist es uns bisher nicht gelungen, alle irdischen Sprachen und Schriftsysteme zu entschlüsseln, wie das Beispiel die Linearschrift A, eines der beiden Schriftsysteme der antiken Minoer auf Kreta zeigt. Wenn es sich bei dem von uns empfangenen Signal um eine zufällig aufgefangene Sendung handelt, ist es unwahrscheinlich, dass wir sie entschlüsseln werden können.

Anders sieht es aus, wenn die Aliens bewusst Kontakt mit uns suchen. Dann machen sie den ersten Schritt zur Überwindung der Sprachbarriere. Vielleicht bauen sie ihre Kommunikation mit uns auf Gemeinsamkeiten auf – etwa der Tatsache, dass wir dasselbe physikalische Universum bewohnen. Dazu könnten sie uns ebenfalls bekannte Größen – die Form unserer Galaxis, die Position von Pulsaren, die Größenverhältnisse zwischen verschiedenen Planeten oder Sonnen – benutzen, um eine Grundlage für die Verständigung zu schaffen. Wir hätten damit eine Art „Radiosendung von Rosetta“, aus denen wir die grundlegenden Elemente ihrer Sprache ableiten könnten. Nicht ganz ausgeschlossen ist auch, dass eine außerirdische Zivilisation, die sich in unserer nächsten Nachbarschaft befindet – vielleicht vierzig oder fünfzig Lichtjahre entfernt – durch unsere Radio- und TV-Sendungen einiges über uns weiß, sofern es ihnen gelungen ist, unsere frühen Sendungen zu entschlüsseln. Denn dabei hätten die Aliens ja dieselben Probleme wie wir.

Intelligenten Lebensformen sollte es nicht schwer fallen, bewusst auf eine Weise mit uns Kontakt aufzunehmen, die wir auch verstehen können. Das wird deutlich, wenn man darüber nachdenkt, was wir an der Stelle der Aliens tun würden. Wie könnten wir mit einer anderen intelligenten Spezies Kontakt aufnehmen?

Eine Alternative zur schwer entschlüsselbaren natürlichen Sprachen mit arbiträren Zeichen oder Symbolen für die Kommunikation ist die mathematische Logik. Mit Zahlen lässt sich alles ausdrücken, das irgendwie quantifiziert, also gemessen, werden kann. Eines der grundlegenden Prinzipien der Mathematik ist das Zählen. Neben der einfachen Folge 1 – 2 – 3 gibt es noch andere, komplexere Möglichkeiten, die auf Intelligenz hinweisen. Wir könnten den Aliens etwa die Fibonacci-Folge schicken, bei der immer die beiden letzten Zahlen der Reihe zusammengezählt werden: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13 und so weiter, bis das System dahinter deutlich erkennbar ist. Oder wir erklären ihnen die Grundlagen des Binärcodes, etwa durch hochfrequente Signale, die für 1 stehen, und niederfrequente Signale für 0. Sobald wir den Aliens so die Anzahl der von uns verwendeten Bits übermittelt haben, könnten wir mit Zählen anfangen, indem wir ihnen Binärzahlen übermitteln. Wenn wir übermittelt haben, dass wir beispielsweise 16-Bit-Gruppen als eine Zahl betrachten, könnten wir ihnen die Binärzahlen bis 65 536 senden: 0000000000000000, 0000000000000001, 0000000000000010 und so weiter.

Ist der Schlüssel zum verwendeten mathematischen Code erst einmal übermittelt, können wir auch dazu übergehen, Bilder zu schicken. Frank Drake, Astronom und Astrophysiker, tat genau das 1974 mit der sogenannten Arecibo-Botschaft, die einmalig am 16.11.1974 vom Arecibo-Observatorium in Puerto Rico in Richtung Kugelsternhaufen M13 gesendet wurde.

SETI

Die Nachricht bestand aus 1 679 Bits, angeordnet in 73 Zeilen á 23 Zeichen. Die Empfänger müssen die Signale in einer 23x73-Matrix als Schwarzweißbild anordnen, um sie zu entziffern. Die Nachricht beinhaltet die Zahlen von 1 bis 10 in binärer Codierung, den Zahlen „1 6 7 8 15“, den chemischen Ordnungszahlen von Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Phosphor, die wichtige biochemische Bestandteile von Leben, wie wir es kennen, sind. Sie bilden eine Leseanleitung für den dritten Teil, der die vier Nukleotide, die Bestandteil der DNS sind, beinhaltet. Der nächste Abschnitt zeigt die Anzahl dieser Nukleotide im menschlichen Genom, die 1974 allerdings etwas zu hoch geschätzt wurde, und die räumliche Struktur der DNS. Es folgen Informationen über die Wesen, die von dieser DNS bestimmt werden: Wir Menschen, unsere Größe, Gestalt und ungefähre Bevölkerungszahl auf der Erde. Der sechste Absatz verrät dem Empfänger das Aussehen unseres Sonnensystems anhand der Größenverhältnisse der Planeten zueinander (ja, damals war Pluto noch ein Planet und demzufolge noch dabei). Die Erde ist dabei hervorgehoben. Zum Schluss sieht man eine stilisierte Beschreibung des Absenders, des Arecibo-Teleskops. Diese Botschaft, ebenso wie die oben erwähnte Pioneer-Plakette oder die goldenen Schallplatten, die an Bord der Voyager-Sonden unser Sonnensystem verlassen haben, sind nicht perfekt oder sonderlich anspruchsvoll (und obendrein ziemlich veraltet, wenn sie eines Tages einen Empfänger erreichen). Aber sie übermitteln simple Grundlagen, die von einer anderen intelligenten Spezies entschlüsselt werden können, solange sie bestimmte Dinge mit uns gemein haben – etwa das Zahlenverständnis und Logik. Eine außerirdische Zivilisation könnte uns durchaus eine ähnliche Botschaft beim ersten Kontakt zukommen lassen. Aber was machen wir, wenn die Aliens wider Erwarten darauf verzichten, mit uns durch die mathematische Logik zu kommunizieren, und stattdessen auf eine uns unbekannte natürliche Sprache zurückgreifen? Uns fehlt, wie oben erklärt, bisher ein System, arbiträren Symbolen einen eindeutigen Sinn zuzuordnen. Laurance Doyle, ein Mitglied des SETI-Institutes, versucht dieses Problem mittels der Informationstheorie zu lösen. Er entwickelt ein System, das linguistische Konzepte in scheinbar zufälligen Symbolen entdecken kann. Sein Verfahren wird heute in der Meeresbiologie zur Untersuchung der Walgesänge angewandt, ließe sich aber auch bei extraterrestrischen Sprachen anwenden.

Eine ganz andere Frage ist, ob es denn so wahnsinnig klug ist, Botschaften ins All auszusenden? Was, wenn die Aliens nicht ganz so friedfertige Absichten haben? Wenn sie uns eine Art Trojanisches Pferd, einen Computervirus, der uns in die Steinzeit zurückkatapultiert, schicken? Wenn sie weiter entwickelt sind als wir uns zunehmender technischer Fortschritt nicht mit Friedfertigkeit Hand in Hand gehen? Eine Kontaktaufnahme mit ET ist unter Umständen nicht ganz ungefährlich für die Menschheit insgesamt.

Jetzt Vorsicht walten zu lassen käme allerdings reichlich spät. Allein aufgrund der von uns erzeugten radioaktiven Strahlung könnte eine raumfahrende Zivilisation bereits auf uns aufmerksam geworden sein, auch ohne dass sie eine unserer hochwertigen TV-Produktionen aufgefangen haben. (Wer wissen möchte, was ET am Erdfernsehen so sehr schätzt, sollte unbedingt zu Rob Reids Roman Galaxy Tunes (im Shop) greifen, der die einzig plausible Lösung für das Fermi-Paradox bietet.) Und selbst wenn, stünden sie ja vor dem Problem, eine (oder gar mehrere) natürliche Sprache entschlüsseln zu müssen. Mit einem gerichteten, starken und mathematischen Signal zeigen wir ihnen, dass wir bereit sind, Kontakt aufzunehmen. Aber wäre es das Risiko wert? 

Bilder: Wikipedia

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