29. September 2015 4 Likes 4

Marsianische Wasserspiele

NASAs Mars Reconnaissance Orbiter findet den bisher stärksten Beweis für flüssiges Wasser auf dem Mars

Lesezeit: 5 min.

Sagen Ihnen die Namen Garni, Horowitz und Hale etwas? Nein? Das sind drei Krater an unterschiedlichen Orten auf dem Mars, die von Mars Reconnaissance Orbiter der NASA genauer unter die Lupe genommen wurden. Denn an allen drei finden sich Hinweise auf flüssiges Wasser. Nicht einfach nur darauf, dass in ferner marsianischer Vergangenheit dort einmal Wasser geflossen ist, wie an vielen anderen Orten auf dem roten Planeten (zum Beispiel in Echus Chasma). Vielmehr deuten die Bilder aus dem Orbit darauf hin, dass heute noch Wasser die Kraterwände hinabfließt. Diese Sensation gab die amerikanische Weltraumagentur NASA gestern bekannt.


Echus Chasma

Der Mars Reconnaissance Orbiter entdeckte Signaturen von hydrierten, also mit Wasser in Berührung gekommenen Mineralien an den Hängen, an denen vor allem im Sommer immer wieder rätselhafte dunkle Linien auftauchen. Diese Linien verstärken sich in den wärmeren Jahreszeiten und verblassen in den kalten. Sie wurden bisher an verschiedenen Orten auf dem Mars beobachtet, an denen die Temperaturen auf über minus 23 Grad Celsius steigen können. „Wir haben nach Spuren von Wasser auf dem Mars gesucht“, erklärte Astronaut und NASA-Administrator John Grunsfeld gestern in Washington. „Diese signifikante Entdeckung scheint zu bestätigen, dass es auch heute noch flüssiges Wasser auf der Marsoberfläche gibt – wenn auch sehr salziges.“

Die dunklen Linien sind Fließstrukturen an den Abhängen und wurden immer wieder mit flüssigem Wasser in Zusammenhang gebracht. Die jetzt vom MRO gefundenen hydrierten Salze könnten, in Wasser gelöst, den Gefrierpunkt soweit abgesenkt haben, dass es flüssig bleibt – ganz ähnlich, wie wir im Winter Salz auf die Straßen streuen, um sie am Überfrieren zu hindern. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass wenig Wasser knapp unter der Oberfläche die Hänge hinunterfließt, gerade so viel, dass die dunklen Linien entstehen. Die Wissenschaftlerin Lujendra Ojha vom Georgia Institute of Technologie in Atlanta, der die dunklen 2010 Linien erstmals aufgefallen sind, sagte gestern: „Wir konnten die hydrierten Salze nur dann finden, wenn die jahreszeitlich bedingten dunklen Linien da waren. Das deutet darauf hin, dass entweder die dunklen Linien selbst oder der Prozess, der für ihre Entstehung verantwortlich ist, die Wasserquelle sein müssen. In beiden Fällen bedeutet der Fund der hydrierten Salze auf den Abhängen, dass Wasser eine entscheidende Rolle bei der Bildung dieser Linien spielt.“


Fließstrukturen im Newton-Krater / NASA

Das High Resolution Imaging Experiment (HiRISE) an Bord des Mars Reconnaissance Orbiters machte die Bilder, auf denen Ojha die Linien entdeckte. Inzwischen kennen die Forscher etwa ein Dutzend Orte auf dem Mars, an denen die Linien auftauchen. Die HiRISE-Daten wurden dann mit denen des Compact Reconnaissance Imaging Spectrometer for Mars (CRISM) abgeglichen, einem weiteren Instrument an Bord des MROs. Dabei stellte sich heraus, dass die Salze nur im Zusammenhang mit den dunklen Linien nachgewiesen werden konnten. Ojha und ihre Kollegen interpretieren die Signaturen im Spektrometer als Perchlorate, hydrierte Salze im Marsboden. Wahrscheinlich handelt es sich um Magnesiumperchlorat, Magnesiumchlorat und Natriumperchlorat. Von einigen dieser Perchloraten ist bekannt, dass sie Flüssigkeiten am Gefrieren hindern, selbst wenn die Temperaturen auf minus siebzig Grad Celsius fallen. Auf der Erde kommen sie vor allem in Wüsten wie der Atacama in Südamerika vor.

Die Existenz von Perchloraten auf dem Mars wurde vom Phoenix-Lander und dem Rover Curiosity bestätigt. Manche Wissenschaftler glauben, dass es Perchlorate waren, die in den Experimenten der Viking-Sonden 1976 gefunden wurden, damals aber nicht als solche erkannt wurden. Jetzt wurden zum ersten Mal Perchlorate vom Orbit aus nachgewiesen. „Wir brauchten verschiedenen Raumfahrzeuge und mehrere Jahre, um dieses Rätsel zu lösen“, sagte Michel Meyer, der führende Wissenschaftler des Mars Exploration Program der NASA. „Je mehr wir über den Mars erfahren, desto besser verstehen wir, wie sich Leben erhält und welche Ressourcen es für den Erhalt des Lebens gibt.“


Garni Krater liegt in Melas Chasma, einem Teil der Valles Marineris

Was bedeuten diese Funde also für die Möglichkeit, dass es Leben auf dem Mars geben könnte? Um das zu betonen: Niemand hat bisher Leben auf dem Mars entdeckt. Aber Ojhas Funde könnten die Orte, an denen wir nach möglichem Leben auf unserem Nachbarplaneten suchen sollten, eingrenzen. Viele Wissenschaftler glauben, dass es einmal Leben in Form von Mikroben auf dem Mars gegeben haben könnte. Aber wo sollte man anfangen, nach Beweisen – etwa Fossilien – oder gar gegenwärtigem Leben zu suchen? „Wo wir flüssiges Wasser finden, könnten wir auch Leben finden“, sagte Jim Green, Planetologie-Direktor bei der NASA. „Jetzt haben wir einen Ort gefunden, an denen wir mit der Suche beginnen können.“ Weitere Untersuchungen des entdeckten Wassers könnten auch die Frage beantworten, wie diese Mikroorganismen auf einer Welt, die so lebensfeindlich ist wie der Mars, überhaupt bestehen konnten. Die NASA plant, ihren nächsten Rover, der den roten Planeten 2020 erreichen soll, nach Spuren der kleinen grünen Mikroben suchen zu lassen. Der Roboter soll sich allerdings von den Stellen mit flüssigem Wasser fernhalten, um eine Kontamination mit irdischen Mikroben zu vermeiden. Fossile Spuren zu finden dürfte also nicht ganz einfach werden. Damit stellt auch bereits die nächste Frage: Könnten Mikroorganismen von der Erde auf dem Mars überleben? Das Mars-Wasser ist nicht wirklich trinkbar, aber allein die Tatsache, dass es existiert und fließt, bedeutet, dass wir dem Ziel einer Marskolonie näher sind als vorher. „Mars sieht mehr und mehr wie ein potenzieller Wohnort für uns aus“, so John Grunsfeld. Eine zukünftige Marskolonie fände neben flüssigem Wasser auch Stickstoff vor, was für Pflanzenzucht unerlässlich ist. Und: „Was ist Wasser? Nun, es ist Sauerstoff und Wasserstoff – und daraus machen wir Raketentreibstoff“, so Grunsfeld weiter. Auf ein Datum zur Erstbesiedelung wollten sich weder Grunsfeld noch Green festlegen. „Das ist nicht Star Trek“, meinte Greene. „Wir müssen alles über einen Planeten in Erfahrung bringen, ehe wir Menschen dorthin schicken.“


v.l.n.r.: Garni, Hale und Horowitz Crater auf dem Mars (NASA Marstrek)

Das Sachbuch Der Weg zum Mars, das ab dem 12.10.2015 in unserem Shop sein wird, zeigt, wie die erste bemannte Mars-Mission aussehen könnte. Was ein findiger Astronaut alles können muss, um die gescheiterte dritte bemannte Mars-Mission zu überleben, zeigt Mark Watney in Andy Weirs Bestseller Der Marsianer (im Shop) und ab dem 8. Oktober in den Kinos.

Quelle: NASA / Titelbild: NASA/JPL-Caltech/Univ. of Arizona / Bilder: photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA14472 / maps.google.com/Mars / marstrek.jpl.nasa.gov 

Kommentare

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Wow, danke für den ausführlichen Bericht!

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Gern geschehen! So du es noch nicht ausprobiert hast: Marstrek ist genial!

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Tsss. Been there, done that... Aber: ja, sehr genial!

Bild des Benutzers Shrike

Es wird täglich spannender !

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