23. Dezember 2015 1 Likes

Dort oben tut sich was

Eine Vorschau auf die Space-Highlights der Weltraumagenturen für das kommende Jahr 2016

Lesezeit: 6 min.

2015 war ein grandioses Jahr für die Erforschung unseres Sonnensystems. Wir sind am Pluto vorbeigeflogen und noch voll damit beschäftigt, die Daten der Sonde New Horizons zu empfangen und auszuwerten. Alle paar Wochen meldet sich die dem Tode geweihte Sonde Cassini aus dem Saturn-System und schickt faszinierende Bilder der vielen Monde, aufgenommen bei immer spektakuläreren Überflugmanövern. Wir haben die erste erfolgreiche Landung einer Rakete erlebt – Blue Origin, die Aerospace-Firma von Amazon-Gründer Jeff Bezos, holte sich die Lorbeeren vor ihrem härtesten Konkurrenten SpaceX, denen das gestern gelungen ist. NASA-Astronaut Scott Kelly und sein russischer Kollege Mikhail Kornienko verbrachten fast ein Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS, wo sie unter anderem den ersten Weltraumsalat ernteten und aßen. Nach über 500 Tagen im All werden sie voraussichtlich am 16. März 2016 zur Erde zurückkehren und den Wissenschaftlern wertvolle Daten über die Auswirkungen eines langen Aufenthalts in der Schwerelosigkeit liefern – essenzielle Informationen für die ersten bemannten Missionen zum Mars, auf dem die NASA im Oktober 2015 Hinweise auf flüssiges Wasser entdeckt hat.

Aber auch im kommenden Jahr ist einiges los im All. Vor allem dem Mars werden wir 2016 weiter auf die Pelle rücken, denn es machen sich gleich zwei Sonden zum roten Planeten auf: am 4. März startet NASAs InSight-Mission von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien, zehn Tage später geht dann ExoMars der ESA in Baikonur an den Start. InSight steht für Interior Exploration using Seismic Investigations, Geodesy and Heat Transport und ist die Schwestersonde des Phoenix-Landers, der 2007 das unterirdische Eis in der Nähe des marsianischen Nordpols untersucht hat. Sie soll in Elysium Planitia landen und mit geophysikalischen Instrumenten ins Innere des Planeten schauen. Die NASA will herausfinden, wie sich die inneren Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars in unserem Sonnensystem gebildet haben. Der geologisch nicht mehr sonderlich aktive Mars enthält vermutlich in seinem Inneren eine besser erhaltene „Chronik“ der Vorgänge als die sehr aktive Erde. InSight soll die „Fingerabdrücke“ dieser Prozesse aufspüren und darüber hinaus Aufschluss über die „Vitalfunktionen“ des Mars geben: Puls (Seismologie), Temperatur (Wärmefluss im Mantel) und Reflexe (Bewegungen des Planeten unter dem Einfluss der Anziehungskraft der Sonne). Zudem soll InSight die Auswirkungen der zahllosen Meteoriteneinschläge erforschen. Die dazu verwendeten Instrumente stammen unter anderem aus Frankreich und Deutschland. InSight soll, wenn alles glatt läuft, am 28. September 2016 auf dem Mars landen und bis September 2018 (also 708 Sols lang) Daten sammeln.

ExoMars ist eine groß angelegte, mehrstufige ESA-Mission zum roten Planeten, deren Start immer wieder verschoben werden musste, unter anderem, weil die NASA ihre Partnerschaft aus finanziellen Gründen stark einschränken musste. Am 14. März 2016 soll es jetzt endlich mit der ersten Phase der Mission losgehen, wenn der Trace Gas Orbiter und das Lande-Simulationsmodul namens Schiaparelli auf einer russischen Proton-Rakete von Baikonur aus starten. Das Hauptziel der ersten Missionsphase ist die Suche nach Gasen in der Atmosphäre, die einen Hinweis auf biologische oder geologische Aktivitäten liefern können, wie beispielsweise Methan. Schiaparelli soll den nächsten Abschnitt vorbereiten, bei dem ein Rover auf der Marsoberfläche abgesetzt werden soll. Beide Einheiten sollen im Oktober nach rund sieben Monaten Flug den Mars erreichen, dann wird sich Schiaparelli vom Orbiter trennen. Während letzterer in eine stabile Umlaufbahn geht, wird ersterer zur Landung ansetzen. Schiaparelli wird mit rund 21 000 Kilometern in der Stunde in die Marsatmosphäre eintreten und soll durch eine Atmosphärenbremsung sowie einen Fallschirm seine Geschwindigkeit so weit verzögern, dass er die letzten Meter mit Hilfe der Triebwerke überwinden und sicher landen kann. Der Orbiter hingegen wird in einer Höhe von rund 400 Kilometern den Mars umkreisen und soll bis 2022 Daten über die Atmosphäre liefern. Zudem soll er als Relaisstation für den ESA-Rover, der sich 2018 auf den Weg machen soll, dienen.

Und auch die private Weltraumfirma SpaceX ist auf dem Weg zum Mars. Die Firma von Elon Musk kündigte den ersten Teststart ihrer Falcon-Heavy-Rakete für das Frühjahr 2016 an, vermutlich Ende April oder Anfang Mai. Die Schwerlast-Version der Falcon-Rakete soll bis zu 53 Tonnen in den niedrigen Erdorbit befördern können und hat auch so viel Power, dass damit eines Tages auch Menschen in Richtung Mars aufbrechen könnten.

Im Juli 2016 erwartet uns dann eine richtiggehende Seifenoper im All, denn Juno erreicht das Jupiter-System. Nachdem die größeren Monde nach den Geliebten des Gottes Jupiters benannt sind, hat die NASA am 5. August 2011 Jupiters Ehefrau Juno losgeschickt, um nachzusehen, was sich auf dem größten Planeten unseres Sonnensystems so tut. Da soll noch mal jemand sagen, Ingenieure hätten keinen Humor!

Obwohl Jupiter seine Missetaten durch einen dicken Dunstschleier zu verbergen suchte, war die Göttin Juno mühelos in der Lage, diesen zu durchschauen. Die Sonde Juno hat zehn Instrumente an Bord, mit der sie genau das tun soll: Hinter Jupiters Dunstschleier blicken. Dazu geht die Sonde voraussichtlich am 5. Juli 2016 in einen polaren Orbit etwa 4000 Kilometer über den obersten Wolkenschichten gehen. Sie soll meteorologische Daten aus den niedrigeren Atmosphärenschichten sammeln und feststellen, wie sie sich zusammensetzen; herausfinden, woher die Jupiteratmosphäre kommt; die Temperatur in verschiedenen Schichten bestimmen sowie Jupiters Magnet- und Gravitationsfeld näher untersuchen. Außerdem soll sie erste Hinweise darauf liefern, ob Jupiter einen festen Kern hat oder komplett gasförmig ist. Wegen der hohen Strahlung, die vom Jupiter ausgeht, ist Juno höchstwahrscheinlich keine allzu lange Lebensdauer beschieden. Die Sonde soll aber mindestens 30 Orbits lang halten.

Im September steht das Ende der Rosetta-Mission an. Die treue ESA-Sonde, die nach wie vor den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko umkreist, wird sich auf dessen Oberfläche stürzen und dabei den Wissenschaftlern bis zuletzt Daten senden. Ob sich Philae, die Landeeinheit, die im November 2014 auf „Tschuri“ landete, bis dahin noch einmal meldet, ist unwahrscheinlich. Selbst bei der größten Annäherung an die Sonne im August 2015 war es Philae nicht gelungen, ausreichend Energie zu erzeugen, um dauerhaft mit Rosetta und damit auch mit der Erde Kontakt halten zu können.
Wer jetzt traurig ist, dass wir unseren liebsten Kometenjäger verlieren werden, kann sich bereits am 3. September mit OSIRIS-REx (kurz für Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security, Regolith Explorer) trösten, denn die NASA-Sonde ist unterwegs zum Asteroiden 101955 Bennu, einem kohlenstoffhaltigen Apollo-Asteroid, der in der Frühzeit des Sonnensystems entstanden ist. Er könnte die Spuren enthalten, aus denen sich das Leben auf der Erde entwickelt hat. Allerdings besteht auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Bennu im späten 22. Jahrhundert auf der Erde einschlagen wird – bei einem mittleren Durchmesser von 492 Metern alles andere als ungefährlich. Deswegen soll OSIRIS-REx seine physikalische und chemische Zusammensetzung bestimmen, damit die Wissenschaftler der Zukunft, die sich eines Tages mit dem Problem abplagen könnten, Bennu irgendwie loszuwerden oder abzulenken, einen Ausgangspunkt haben. Genau festzustellen, wieviel Ressourcen wie Wasser, organisches Material oder Edelmetalle in einem solchen Asteroiden stecken, könnte auch einen Einfluss auf die „wirtschaftliche Nutzung“ solcher Himmelskörper in der Zukunft haben. Das beeindruckendste und sicherlich sehr hoch gesteckte Ziel ist jedoch das Zurückbringen von Bodenproben des Asteroiden zur Erde. Dazu wird die Sonde sich sehr langsam an den Asteroiden annähern und mit einem Roboterarm eine Probe nehmen. Diese wird dann mit der Sample Return Capsule zur Erde zurückgeflogen. Wie die NASA sich das genau vorstellt, kann man sich in der Timeline auf der offiziellen Seite der OSIRIS-REx-Mission in bewegten Bildern ansehen. Ich werde das bestimmt atemlos und mit gedrückten Daumen auf NASA-TV verfolgen!

UPDATE 23.12.: Leider muss die NASA ihre InSight-Mission zum Mars verschieben. Aufgrund eines Fehlers in dem Seismometer des Landers kann die Sonde nicht starten. Das nächste Startfenster tut sich erst wieder in 26 Monaten auf (was ein Startfenster ist und was das in Zusammenhang mit Flügen zum Mars zu tun hat, erfahren Sie in unserem Sachbuch Der Weg zum Mars (im Shop)). 

Titelbild: künstlerische Darstellung der Jupitersonde Juno © NASA/JPL-Caltech

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