29. September 2014

Auf dem Weg in die Südstaaten-Hölle

Das Roman-Debüt von „True Detective“-Erfinder Nic Pizzolatto auf Deutsch

Lesezeit: 2 min.

True Detective ist die wohl meistgelobte Krimi-Fernsehminiserie des Jahres, deren erste Erzähleinheit mit Woody Harrelson und Matthew McConaughey sich sogar bei den Horror- und Crime-Noir-Klassikern aus den unvergesslichen amerikanischen Pulp Magazines bedient hat. Ganz feiner Home-Box-Office-Stoff, den wir nicht umsonst ebenfalls und oft genug hervorgehoben haben und dessen zweite Instanz schon heiß erwartet wird.

Der Erfolg des Südstaaten-Krimis im Serienformat, den es inzwischen auch auf DVD gibt, hat noch einen erfreulichen Nebeneffekt: „Galveston“ – der erste Roman von Nic Pizzolatto, dem Erfinder und Drehbuchautor von True Detective – erhielt eine deutsche Ausgabe.

Dabei beweist Pizzolatto vor allem eines: Er kann auch ohne einen Hauch von kosmischen Schrecken zwischen Lovecraft und Chambers und ohne satanische Rituale starkes Noir-Feeling erzeugen. „Galveston“ ist schon ein paar Jahre vor der bemerkenswerten HBO-Serie entstanden und hält sich von den Genre-Einflüssen (und den Detectives auf der Seite des Guten) fern – aber sonst ist alles da, was man an True Detective so leicht und so sehr lieben kann: Die Stimmung, die Figuren, die Dialoge, der philosophische Pessimismus, und natürlich das Southern-Gothic-Flair und die ganze dazugehörige Kulisse.

In seinem Roman – diesem literarischen Prototypen zu True Detective, wenn man so möchte – erzählt Pizzolatto von Roy Cady, einem Profi-Kriminellen aus New Orleans, der an dem Tag, an dem er seine Lungenkrebsdiagnose erhält, wegen einer schönen Frau auch noch von seinem skrupellosen Boss in eine Falle gelockt wird. Roy entkommt knapp und flüchtet mit einer in die Ereignisse hineingesogenen jungen Prostituierten bis über die Staatsgrenze und nach Galveston – doch die Probleme werden nicht weniger an der texanischen Küste, da Roy sich für die junge Frau und ihr Päckchen Elend und Probleme verantwortlich fühlt und deshalb schwer mit seinen Instinkten und Gefühlen kämpft …

Pizzolattos Erstling ist ein toller Noir-Roman. Keineswegs perfekt, aber ziemlich nah dran. Nicht, weil er vor atmosphärischen Gangster-Milieu-Studien strotzt, sondern weil das True Detective-Genie schon seinen Einstand als Romancier mit viel Südstaaten-Flair angereichert hat: Weil er also eine gute Stimme und noch bessere Figuren hat, die er an einem interessanten Schauplatz menschlich scheitern, sie zappeln und zaudern lässt. Dazu kommt, dass manche Metaphern und Bilder auf den Seiten dieses Krimi-Roadmovie-Gemischs um einen angeknacksten Antihelden einen fast schon genre-persiflierenden Unterton haben in ihrer lyrischen Pseudo-Versponnenheit. Wer das mag (und wer Rusts Denkweise in True Detective mochte), wird den Sound von Pizzolattos Ich-Erzähler schnell mögen und ihm bis zur letzten Seite viel abgewinnen können.

Außerdem sollten Krimi-Geschichten über alte Haudegen, die für nichts als Ärger bringende Mädchen so etwas wie den gewaltsamen Pfad der Läuterung beschreiten, seit Léon der Profi immer einen Blick wert sein. Es kann sich lohnen – wie im ersten Band der neuen Krimi-Reihe bei Metrolit, wo man „Galveston“ auch noch eine wirklich schöne Aufmachung als schickes Hardcover mit Schutzumschlag spendiert hat.

Nic Pizzolatto: Galveston • Metrolit, Berlin 2014 • 253 Seiten • € 20,00

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