22. Oktober 2021 2 Likes

„Das Ministerium für die Zukunft“

Der große neue Roman von Kim Stanley Robinson zum Thema Klimawandel

Lesezeit: 3 min.

Kim Stanley Robinson (im Shop) gilt als einer der größten Science-Fiction-Autoren seiner Generation – die internationale Presse feiert sein Romanschaffen als den Goldstandard der realistischen SF oder nennt den Amerikaner gar einen der bedeutendsten Schriftsteller unserer Zeit. Jetzt ist mit Das Ministerium für die Zukunft“ (im Shop) Mr. Robinsons neuerster Roman bei Heyne auf Deutsch erschienen – und wir schauen ihn uns an dieser Stelle nicht allein deshalb ganz genau an, weil er wegen seines Titels wie die Faust aufs Auge zu diesem Online-Magazin passt, sondern weil er mit ziemlicher Sicherheit das aktuell wichtigste SF-Werk zum Thema Klimawandel und Zukunft ist.

Robinsons Roman beginnt mit einem eindringlichen Kapitel, in dem 20 Millionen Menschen in Indien bei einer brutalen Hitzewelle sterben, die dadurch zustande gekommen ist, dass sich die meisten Nationen nicht an das Klimaabkommen von Paris gehalten haben. Dabei gibt es seit 2025 eine von den Vereinten Nationen auf den Weg gebrachte Institution, die genau solche Dinge verhindern soll. Deren Aufgabe es ist, den blauen Planeten und alle jetzigen und künftigen Lebensformen zu schützen, die vielleicht nicht oder noch gar nicht für sich selbst eintreten können. Besagte Institution ist das Ministerium für die Zukunft oder kurz das Zukunftsministerium, das seinen Hauptsitz in Zürich hat und von der irischen Politikerin Mary Murphy geleitet wird. Doch der Kampf gegen uneinsichtige Länder, feste Strukturen, wirtschaftliche Interessen und schnöde Gier, die den Klimawandel und das Artensterben bis hin zum Massenaussterben weiter befeuern, ist schwierig und frustrierend. Die Erkenntnis, dass man womöglich Black Operation-Geheimmissionen dafür braucht oder dass nationale Alleingänge sowie selbst Terrorgruppen effizienter sein könnten, setzt Mary ebenfalls schwer zu. Wie also lässt sich die Zukunft des Planeten bewahren?

Kim Stanley Robinson kam 1952 in Ray Bradburys (im Shop) Geburtsort Waukegan, Illinois auf die Welt. Vielleicht war sein Weg zum SF-Autor und modernen Star des Genres deshalb vorgezeichnet. Aufgewachsen ist Robinson in Kalifornien, folgerichtig promovierte er 1982 über die Romane eines weiteren SF-Giganten, nämlich Philip K. Dick (im Shop). Ende der 1970er veröffentlichte Robinson erste Erzählungen, 1984 erhielt er für eine Novelle den World Fantasy Award, zudem erschien sein erster Roman. Internationale Berühmtheit erlangte er schließlich Anfang der 1990er durch seine bis heute in Ehren gehaltene „Mars“-Trilogie (im Shop). Inzwischen wurde der Amerikaner mit dem Hugo, dem Nebula, dem Locus Award und vielen anderen Preisen ausgezeichnet. Nachdem er schon in seinem vorangegangenen Romanwälzer „New York 2140“ (im Shop) das Thema Klimawandel ins Visier genommen hat, legt er in „Das Ministerium für die Zukunft“ noch ein paar Schippen drauf.


Kim Stanley Robinson. Foto © Sean Curtin

Auf 700 vollgepackten Seiten vermischt Robinson viele Handlungselemente, Figuren, Stile und Perspektiven. Zum Muskelspiel des Autorenschwergewichts gehören vor allem auch Sachbuch-ähnliche Passagen, die viel mit Science und wenig mit Fiction zu tun zu haben. Hinzu kommt, dass sich der Amerikaner oft direkt an die Lesenden zu wenden scheint, wenn er Zusammenhänge herstellt oder potenzielle Lösungswege betrachtet. Man merkt jederzeit, wie wichtig Robinson der einschüchternde, wichtige und erstaunlicherweise noch immer polarisierende Themenkomplex Klimawandel ist, ja, dass es ihm bei Weitem nicht nur um Unterhaltung geht. Dafür ist der Bestsellerautor sogar bereit, den Plot hinter dem erschreckenden Topic zurückstecken zu lassen, um eine exzellent recherchierte und gehaltvolle, möglichst breit gefächerte Betrachtung vorzunehmen. Robinson schrieb seine Geschichte 2019 und meinte vor ein paar Wochen in einem Essay für die „Financial Times“, dass die Realität (des Klimawandels, der Pandemie) einige Aspekte seiner Vorstellung und seiner Story viel schneller eingeholt habe – manches, das er erst in den 2030ern verortet habe, sei bereits eingetroffen.

Am Ende ist „Das Ministerium für die Zukunft“ weit mehr als ein Science-Fiction-Roman – nicht zuletzt das eindringliche Panorama und Pamphlet eines großen, hellwachen und zutiefst besorgten Futuristen, der uns sagen will, dass es noch nicht zwingend zu spät sein muss, jedoch bald definitiv sein wird, wenn wir einfach so weitermachen und weiterhin die Augen verschließen, anstatt endlich gemeinsam und entschlossen zu handeln. Auf dem Spiel stehen immerhin das Leben und die Erde, wie wir sie kennen – und die sich schon längst dramatisch verändert hat.

Kim Stanley Robinson: Das Ministerium für die Zukunft • Roman • Aus dem Amerikanischen von Paul Bär • Wilhelm Heyne Verlag, München 2021 • 720 Seiten • als Paperback und E-Book erhältlich • Preis des E-Books: € 13,99 im Shop Leseprobe

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