„Die Entdeckung des Higgs-Teilchen“ – Auf der Suche nach Antworten
Ein kurzer Sammelband liefert eine interessante Einführung in ein kompliziertes Thema
Nein, das Universum ist nicht implodiert, ist nicht in einem Schwarzen Loch verschwunden, wurde nicht von dunkler Materie oder sonst etwas vernichtet. Solche und andere Befürchtungen waren angesichts der geplanten Experimente geäußert worden, die im LHC am CERN durchgeführt wurden: Dem Large Hadron Collider, der tief unter der Erde in der Grenzregion zwischen Frankreich und der Schweiz liegt, betrieben vom Conseil européen pour la recherche nucléaire, dem Europäische Organisation für Kernforschung, wo tausende Wissenschaftler nach den Ursprüngen unseres Kosmos suchen. Genauer gesagt dem Higgs-Teilchen, ein schon in den 60er Jahren vom britischen Physiker Peter Higgs postuliertes Teilchen, dessen Existenz erst viele Jahre später und dann auch nur auf Umwegen bewiesen werden konnte. Am 4. Juli 2012 gaben Wissenschaftler bekannt, dass ihnen der Beweis gelungen war, ein Jahr später erhielt Higgs den Nobelpreis.
Anlass genug für den Populär-Wissenschaftler Harald Lesch den Band „Die Entdeckung des Higgs-Teilchens“ (im Shop) herauszugeben, der nun neu aufgelegt wird. Einem breiteren Publikum dürfte Lesch aus der ZDF Wissenschaftssendung „Leschs Kosmos“ bekannt sein, wo er fundiert und auch mal flapsig komplizierte Phänomene erläutert. Hauptberuflich ist Lesch Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Für diesen kurzen Band rekrutierte Lesch etliche seiner Kollegen und Studenten, die in knappen Kapiteln unterschiedliche Aspekte rund um die Entdeckung des Higgs-Teilchens beleuchten, mal die journalistische Berichterstattung analysieren, die sich oft auf die Formel des „Gottteilchens“ konzentrierte, dann versuchen, grundsätzlich zu erklären, was denn an der Entdeckung des Higgs-Teilchens überhaupt so spektakulär war.
Immerhin wurde dafür ein Teilchenbeschleuniger gebaut, der nicht nur gigantische Ausmaße hat, sondern auch gigantische Kosten verursacht hat: Viele Milliarden Euro wurden unter der Erde verbaut, eine kilometerlange „Rennstrecke“ entworfen, auf der Teilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinanderprallen, in einem auf sagenhafte -271°C abgekühlten Raum, um im Moment des Aufpralls eine unfassbare Datenmenge zu produzieren, die auf komplizierte Weise gefiltert werden muss, damit auf Umwegen bewiesen werden kann, dass das Higgs-Teilchen existiert.
Kleiner als das Higgs-Teilchen wird es im Universum nicht, so viel ist klar, zumindest für den Moment. Denn so langsam stößt die Wissenschaft an ihre Grenzen, wirklich eindeutige Antworten auf Fragen nach dem Ursprung unseres Universums, dem Urknall und anderem kann es nicht geben, denn dafür müsste man von Außerhalb auf das Universum schauen und es analysieren, was aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich sein wird. Hier kommt dann der Begriff Gottteilchen auf durchaus treffende Weise ins Spiel, der einst eher unfreiwillig entstand, so zumindest die Legende. Eigentlich hatte der Physiker Leon Lederman geplant, ein 1993 erschienenes Buch zum Thema „The Goddamn Particle“ zu nennen, also das verdammte Teilchen. Doch der Verleger bevorzugte einen Titel ohne Fluch und kürzte das „damn“. Der Begriff God Partcle, Gotteilchen, war geboren, der einerseits völlig falsch erscheint, schließlich geht es hier um Wissenschaft und keineswegs um das Wirken einer höheren Macht, andererseits aber auch passt, denn wissenschaftlich zu beweisen werden viele der Theorien über die Ursprünge des Universums nicht sein. Man kann also nur an sie glauben oder nicht – eben genauso wie Menschen an Gott glauben oder nicht. Eine Dualität, mit der vor 25 Jahren schon der Pop-Autor Dan Brown spielte, der seinen Roman „Angels & Demons“ (auf Deutsch noch reißerischer „Illuminati“ betitelt) auch im CERN ansiedelte und Astrophysiker zum Opfer einer Intrige werden lässt. So dramatisch ist die wissenschaftliche Realität zwar nicht, aber, wie dieser Band zeigt, nicht minder aufregend.
Harald Lesch (Hrsg.): Die Entdeckung des Higgs-Teilchens • Sachbuch, Penguin, München 2025 • 176 Seiten • Erhältlich als Taschenbuch und eBook • Preis des Taschenbuchs: 12,00 € • im Shop
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