In die Zukunft teleportiert
Tal M. Kleins launiger Pageturner „Der Zwillingseffekt“
Tal M. Klein wurde in Israel geboren, wuchs jedoch in New York auf. Hauptberuflich vermarktet er Technologie-Produkte, weshalb er viel mit Computerwissenschaftlern und Physikern zu tun hat. In seinem Romandebüt „Der Zwillingseffekt“ – im Original „The Punch Escrow“ – beschäftigt sich der lebenslange Science-Fiction-Fan, der als Junge massiv von der Hard-SF des „Ringwelt“-Erfinders Larry Niven beeinflusst wurde, mit den Möglichkeiten, Schattenseiten und Problemen der kommerziellen Teleportation. Bei der Ausarbeitung der Details seiner gehaltvollen, faktenreichen Zukunftsvision half Klein der befreundete Medizinphysiker Joe Santoro.
„Der Zwillingseffekt“ springt zeitlich 130 Jahre in die Zukunft. Wo die Mona Lisa bei einer Frachtteleportation während eines Sonnensturms 2109 noch pulverisiert wurde, ist die kommerzielle Teleportation von Fracht und von lebenden Personen 2147 ganz alltäglich. Auch sonst hat sich einiges in der Welt getan: Der letzte Krieg liegt noch nicht allzu lange zurück. Großkonzerne haben Regierungen abgelöst und alles privatisiert. Die Nanomedizin hat alle Krankheiten besiegt. Autos brauchen keinen Fahrer mehr. Genetisch veränderte Moskitos reinigen die verschmutzte Luft. Türkischer Kaffee und perfekte Big Macs kommen direkt aus dem Materiedrucker. Und gereist wird entweder per Drohne, oder eben per Teleportation.
In dieser schönen neuen Welt arbeitet Joel als Salter, was bedeutet, dass er sein Geld verdient, indem er die künstliche Intelligenz von Apps und digitalen Assistenten durch gewitzte Interaktion voller Rätsel und Fangfragen verbessert. Joels Ehefrau Sylvia arbeitet indes bei International Transport – der Firma, die der fortschrittlichen Menschheit das Geschenk der Teleportation gemacht hat, die von den Leuten in 2147 so genutzt wird, als würden wir in ein teures Taxi steigen. Dass die Teleportation weit unsicherer ist als gedacht und International Transport sogar ein amoralisches Geheimnis hütet, muss Joel dann schließlich am eigenen Leib erfahren – und das auch noch doppelt. Ein Anschlag religiöser Terroristen, die gegen IT und ihre Reisemethode sind, bringt Joels Teleportation in den dringend nötigen Liebesurlaub auf Costa Rica durcheinander. Joel wird bei der fehlgeschlagenen Teleportation dupliziert, woraufhin er und sein Doppelgänger in die Machenschaften von Konzernriesen, Terroristen, Geheimdiensten und verrückten Wissenschaftlern gezogen werden, die zudem Joels Ehefrau bedrohen …
Tal M. Klein ist mit „Der Zwillingseffekt“ ein Buch gelungen, das jeden Lehrer für kreatives Schreiben vor Verzweiflung in den Tisch beißen lassen dürfte. Denn wie gut der Hard-SF-Roman des israelisch-amerikanischen Autors wirklich ist, wird durch die vermeintlichen Stolpersteine auf den rund 400 Paperback-Seiten deutlich, die keinerlei nachteiligen Effekt auf den Lesegenuss oder den Pageturner-Faktor des launigen Techno-Thrillers haben. Weder die futuristisch-quantenphysikalischen Info Dumps in den zum Teil halbseitigen Fußnoten, die in der ersten Hälfte des Romans regelmäßig zwecks exzessiven Worldbuildings aufpoppen, noch der lockere Umgang mit den klassischen Grenzen der Ich-Perspektive stören beim Lesen. Dafür erzählt Klein die Story der beiden Joels, die den Tropen der Teleportation und des Doppelgängers viel Frische abringt, einfach zu charmant und sympathisch, und letztlich zu fesselnd.
„Der Zwillingseffekt“ nimmt seinen Leser mit in eine plausible, coole SF-Zukunft und gehört definitiv zu den Genre-Romanen, die man diesen Sommer gelesen haben muss. Da wundert es nicht allzu sehr, dass die Verfilmung durch Regisseur James Bobin („Da Ali G Show“, „Die Muppets“, „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“) bereits in Vorbereitung ist. Bis Bobin und Co. Tal M. Kleins Geschichte auf die Leinwand teleportiert haben, ist der Roman ein – zumindest aus belletristischer Sicht – sicherer Transport in die Welt von Morgen.
Tal M. Klein: Der Zwillingseffekt • Heyne, München 2018 • 414 Seiten • E-Book: 11,99 Euro (im Shop)
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