22. November 2019 2 Likes

Diplomatie, Poesie und Cyberpunk

Arkady Martines Debütroman „Im Herzen des Imperiums“

Lesezeit: 2 min.

Galaktische Imperien sind böse – unendlich böse, und unendlich hungrig. So etwas weiß man als Science-Fiction-Fan einfach, und inzwischen bringt das Disney-Imperium in der Weihnachtszeit ja verlässlich einen neuen „Star Wars“-Film ins Kino, um auf die eine oder andere Weise daran zu erinnern. Auch das Teixcalaanlische Imperium in Arkady Martines SF-Romandebüt „Im Herzen des Imperiums“ (im Shop) zeichnet sich durch seine Größe und Gier aus. Aber es steht zugleich für eine strahlende Hochkultur, deren prächtige Hauptstadt auf dem Zentralplaneten um den Sonnenthron des Imperators von einer immensen künstlichen Intelligenz gesteuert wird. Das alltägliche, das höfische und das politische Leben werden indes von Poesie und Etikette beherrscht, wobei das Rezitieren und Adaptieren jahrtausendealter Heldengedichte eine wichtige Rolle spielen.

An diesen einschüchternd befremdlichen und staunenswerten Ort, diesem modernen und doch vergangenheitsbesessenen Zentrum der menschenbekannten Galaxie, kommt die junge Mahit Dzmare als Botschafterin der Lsel-Stationswelt, deren Unabhängigkeit vom Expansionsdrang des Imperiums bedroht scheint. Mahit, die von den Teixcalaanern als Barbarin betrachtet wird, muss sich im schwer zu durchschauenden politischen Ränkespiel auf der Thronwelt bewähren. Außerdem soll sie herausfinden, ob ihr Vorgänger ermordet wurde, und um jeden Preis die geheime Technologie der Lsel-Station schützen. Diese ermöglicht es, die Erinnerungen und die Persönlichkeit eines verblichenen Menschen für eine gedankliche, emotionale und motorische Symbiose in den Kopf eines Nachfolgers zu implantieren …


Arkady Martine

Arkady Martine heißt eigentlich Dr. AnnaLinden Weller und ist eine amerikanische Byzanz-Historikerin, Sprachforscherin und Stadtplanerin. Wellers Kenntnis der urbanen und kulturellen Geschichte speist ihren interessanten Einstand als Science-Fiction-Romanautorin unter Pseudonym, der z. B. von Ann Leckie (im Shop) gefeiert wurde. Es ist immer spannend und bereichernd, einen bewusst, oft brillant andersartigen, hin und wieder herausfordernden SF-Roman zu lesen, der sich von allem abhebt, was man in letzter Zeit in Sachen Zukunftsliteratur gelesen hat. Das Gefühl des Kulturschocks innerhalb eines von Menschen besiedelten Alls, wo sich Gesellschaften völlig unterschiedlich entwickelt haben, wird in „Im Herzen des Imperiums“ für einen eindrucksvollen „Alien-Effekt“ genutzt. Dabei setzt Martine nie auf Action, und dafür durchweg auf ihre sympathischen Handlungsträgerinnen und -träger, die in die sprachversierten, deutungskomplexe Intrigen im Kern des Imperiums verstrickt werden – die Spannung kommt aus der Interaktion und Implikation auf dem politischen Parkett. Den Gegenpol zum diplomatischen Drama in einer fremden Welt stellen Elemente des Cyberpunk und der Space Opera, die sich gut in das Setting und den Plot einfügen.

Zu sagen, dass Arkady Martines „Im Herzen des Imperiums“ anders ist als alles, was das literarische SF-Jahr 2019 bisher zu bieten hatte, ist keine in die Watte diplomatischem Geschicks gepackte Kritik, sondern eine direkte Empfehlung für jeden, der intelligente Science-Fiction abseits der vermeintlichen Komfortzone des Genre-Standards zu schätzen weiß.

Arkady Martine: Im Herzen des Imperiums • Aus dem Englischen von Jürgen Langowski • Heyne, München 2019 • 605 Seiten • E-Book: 11,99 Euro (im Shop)

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