2. Mai 2017 3 Likes

Magisches Kind der Gewalt

Nnedi Okorafors Science-Fantasy-Roman „Wer fürchtet den Tod“

Lesezeit: 3 min.

Es ist immer erfreulich, wenn ein Autor bei einem Verlag ein Zuhause gefunden hat. So, wie die Amerikanerin Nnedi Okorafor, deren viel beachtete, zum Teil preisgekrönte Bücher, die unter anderem von den Genre-Meistern Ursula K. LeGuin und Peter S. Beagle in höchsten Tönen gelobt werden, seit Herbst vergangenen Jahres bei Cross Cult auf Deutsch erscheinen. Nach dem ungewöhnlichen Erstkontakt-Roman „Lagune“ folgt nun die postapokalyptische Science-Fantasy-Schwarte „Wer fürchtet den Tod“, die erneut von SF-Expertin Claudia Kern butterweich übersetzt und von Top-Künstler Greg Ruth mit einem exklusiven Covermotiv versehen wurde.

„Wer fürchtet den Tod“ kam im englischsprachigen Original bereits 2010 unter dem Titel „Who Fears Death“ heraus und war damals Okorafors erster Roman explizit für Erwachsene, nachdem sie zuvor mehrere Young-Adult-Bücher veröffentlicht hatte. Den deutschsprachigen Leser, der ihr Schaffen mit „Lagune“ kennengelernt hat, wird es indessen nicht weiter überraschen, dass „Wer fürchtet den Tod“ wieder heftig von Okorafors afrikanischen Wurzeln beeinflusst und geprägt ist: Die 1974 in Cincinnati, Ohio geborene Fantastik-Erfrischerin kanalisiert die persönliche Verbindung zur Heimat ihrer ausgewanderten Familie abermals in einem ungeheuer exotischen und reizvollen Setting, das einem westlich geprägten Leser viel Neues und Unbekanntes präsentiert. Durch unsere oft gewaltige Ignoranz und Unkenntnis, was das alte oder das aktuelle Afrika angeht, wirken Okorafors Kulisse und ihre Mythologie am Ende gleich noch ein ganzes Stück divergenter, ausgefallener und abwechslungsreicher.

Letztlich spielt „Wer fürchtet den Tod“ jedoch in der Wüste, den Dörfern und den Städten eines vage postapokalyptischen Sudan. Motorroller und alte, wiederaufbereitete Computer sind ebenso Teil des afrikanischen Zukunftsszenarios wie kauzige oder grausame Zauberer, ihre Lehrlinge und weise Stammesälteste. Während Okorafor die klassische magische Heldenreise der jungen, aus einer rassistisch motivierten Vergewaltigung hervorgegangenen Gestaltwandlerin Onyesonwu – übersetzt bedeutet ihr Name Wer fürchtet den Tod? – schildert, spricht sie diverse reale und schwierige Themen an, die für das heutige Afrika relevant sind: Vergewaltigungen, die im Krieg als Waffe eingesetzt werden (was Okorafor überhaupt erst zu ihrem Roman inspirierte). Die traditionelle Genitalverstümmelung bei jungen Frauen. Rassismus und Sexismus. Doch es existiert auch Platz für Liebe, Lust und eben viel, viel Magie in der Welt, die Okorafor hauptsächlich durch die Augen ihrer Ich-Erzählerin Onyesonwu beschreibt.

Manchmal verläuft Okorafor sich in der Wichtigkeit der brisanten Themen, die sie im Verlauf ihrer Geschichte unbedingt ansprechen will. Dafür wirkt Okorafors magisch-afrikanische Heldenfahrt, die der Fantasy am Ende dann doch näher steht als der Science-Fiction, aufgrund ihrer Perspektive und Einsichten frischer, außergewöhnlicher und innovativer als vieles, was in dieser Ecke der fantastischen Genres sonst ähnlichen Handlungsstrukturen um erwachsenwerdende Zauberlehrlinge, ihre Gefährten, eine anstrengende Reise und dräuende Prophezeiungen abhandelt. Deshalb erhielt „Wer fürchtet den Tod“ 2011 wohl den World Fantasy Award für den besten Roman des Jahres und 2010 den Carl Brandon Kindred Roman für ein herausstechendes Werk über Rasse und Ethnizität. Obendrauf kamen Nominierungen für den Nebula und den Locus Award sowie ein Eintrag auf der Tiptree Award Honor List.

Das Prequel zu „Wer fürchtet den Tod“, das Nnedi Okorafor 2015 vorgelegt hat, ist bei Cross Cult als „Das Buch des Phönix“ für Oktober angekündigt.

Nnedi Okorafor: Wer fürchtet den Tod • Cross Cult, Ludwigsburg 2017 • 512 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 18,00 Euro

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