Super-Dystopie
Brandon Sandersons neuer Roman „Steelheart“
In knapp zehn Jahren wurde Brandon Sanderson einer der populärsten fantastischen Autoren der Welt. Zuletzt beendete er für den verstorbenen Robert Jordan sogar dessen „Das Rad der Zeit“-Fantasy-Saga – und irgendwo, auch wenn das jetzt noch niemand so gerne zugeben möchte, ist der 1975 geborene Sanderson schon so etwas wie der Backup-Plan für die Fans von George R. R. Martin und „Game of Thrones“.
Neuerdings macht Sanderson, der seine dicken Romane mit Bestseller-Garantie aus allen Ecken des fantastischen Genres fast wie am Fließband raushaut, auch in Superhelden. Obwohl, streichen wir das Helden besser. Der Amerikaner macht aktuell in Superwesen, genauer gesagt, in Epics, die den Rest der Menschheit knechten und eine neue Weltordnung geschaffen haben, in der es kein Spaß ist, ein normaler Mensch zu sein. Keine neue Idee, jedoch von Sanderson gewohnt solide umgesetzt und flockig weg zu lesen.
„Steelheart“ (im Shop), das erste Buch der „Reckoners“-Serie, ist stellenweise recht hart und düster, aber trotzdem unverkennbar ein zeitgenössisches dystopisches Jugendbuch, was Perspektive und Fokus und vor allem die etwas naive Herangehensweise des Protagonisten angeht, der überdies selbstverständlich durchgehend ein toughes Mädchen beeindrucken will. Seit sein Vater kurz vor der Machtübernahme durch den grausam-mächtigen Epic namens Steelheart vor zehn Jahren von eben diesem getötet wurde, hat der inzwischen achtzehnjährige Dave nur ein Ziel: Seinen Plan in die Tat umsetzen, Steelheart zu töten! Deshalb gibt er zu Beginn des Buches alles, um von den Rächern aufgenommen zu werden, den vom Professor angeführten Widerständlern gegen das Regime der fiesen Super-Tyrannen, die sich auch untereinander bekämpfen. Was die Rebellen mit jemandem wie Dave wollen? Nun, Sandersons Ich-Erzähler hat immerhin gesehen, wie sein Vater den als unverwundbar geltenden Steelheart mit einer gewöhnlichen Pistole verletzt hat – und in den letzten Jahren nichts anders getan, als alles über die Schwächen der übermenschlichen Feinde herauszufinden. Jetzt greift der Supergeek in den Kampf gegen den gnadenlosen Epic ein, der seinen Dad auf dem Gewissen und ganz Chicago in Stahl verwandelt hat…
Superhelden und -schurken funktionieren im Comic am Besten und auf der Leinwand mit Abstrichen noch ziemlich gut – besonders in Prosaform stoßen die Beschreibungen der außerordentlichen Fähigkeiten, die in „Steelheart“ von einem geheimnisvollen roten Stern ausgehen, hingegen gerne frühzeitig an ihre Grenzen. Brandon Sanderson fängt die Welt seiner Metas, die den Rest der Menschheit terrorisieren und unterdrücken, trotzdem recht gefällig ein, was wohl auch daran liegt, dass er keinen Roman zu einem etablierten Superhelden geschrieben hat, wie das etwa sein Kollege Jim Butcher vor ein paar Jahren mit seinem Spider-Man-Roman getan hat, sondern sich primär auf den menschlichen Widerstand gegen die obendrein von ihm geschaffenen Superschurken konzentriert. Eigenen Aussagen zufolge hat Sanderson zudem bewusst darauf geachtet, eben nicht an die bekannten Superhelden-Prosa-Grenze zu stoßen, und sich beim Schreiben immer wieder gesagt, dass er keinen Superhelden-Roman schreibt – stattdessen rief er sich ins Gedächtnis, dass er einen spannenden Action-Adventure-Thriller schreiben wolle. Ganz hat Sanderson das Ursprungs-Genre allerdings nicht verleugnet, wie etwa der besonnene Rebellen-Anführer Professor oder die Adresse Ditko Palace zeigen, ersterer eine Art geistiger Verwandter von Professor Charles Xavier aus den X-Men-Comics, letztere benannt nach dem zeichnenden Mitschöpfer von Spider-Man und Dr. Strange.
Der Gedanke zum ersten Roman dessen, was zunächst als Trilogie geplant ist und zum Auftakt schon von Kollegen wie Patrick Rothfuss und Christopher Paolini gelobt wird, kam Mr. Sanderson vor ein paar Jahren übrigens während einer Lesereise, als er im Auto von einem anderen Verkehrsteilnehmer so sehr genervt wurde, dass Sanderson sich vorstellte, wie er den fremden Fahrer samt seines Vehikels mit Superkräften von der Fahrbahn fegen würde (und natürlich hat es sich am Ende gelohnt, ein paar Jahre mit dem Schreiben, der Fertigstellung und der Veröffentlichung zu warten – der Zeitpunkt, um in der Nähe zum Mainstream eine Mischung aus SF-Dystopie und Superhelden-Action zu inszenieren, könnte kaum günstiger sein).
Mal sehen, was für einen Sanderson-Roman die nächste unerfreuliche Autofahrt hervorbringt.
Brandon Sanderson: Steelheart • Heyne fliegt, München 2014 • 446 Seiten • € 13,99
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