„Thor Hanson: Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen“

Über den menschengemachten Klimawandel ist nicht erst in jüngster Zeit viel gesagt und geschrieben worden, doch es gibt immer noch zu wenig gute Bücher, die uns neben den Problemen auch mögliche Antworten der Natur vermitteln. Dies ist umso bedauerlicher, als uns trägen Menschen die Biologie mal wieder weit voraus ist und zahlreiche Tier- und Pflanzenarten schon ihr Möglichstes tun, um sich an die immer schwierigeren Lebensbedingungen auf unserem Planeten einzustellen.

In diesem Zusammenhang ist es wahrlich ein Glücksfall, einen Fachmann wie Thor Hanson zu haben, der als Biologe schon seit langem ein Auge auf genau diese Phänomene wirft und über seine Erkenntnisse fundiert wie einprägsam Auskunft gibt. Das jüngste Werk des im Bundesstaat Washington beheimateten Hanson ist bereits im November endlich auch auf Deutsch erschienen und trägt nicht umsonst seinen wunderbar griffigen Titel. „Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen“ (im Shop) nimmt uns mit auf eine Vielzahl an Streifzügen in die Welt der Natur, in der die Folgen des Klimawandels längst Konsequenzen nach sich gezogen haben und, wie der Titel anklingen lässt, zu bemerkenswerten Reaktionen geführt haben.

Dabei besticht das Buch neben seinem angenehm mitnehmenden, jeden Sachverhalt gut erklärenden Stil über eine klare Struktur. Nachdem Hanson zunächst der Frage nachgeht, warum Kohlendioxid eigentlich so relevant für klimatische Veränderungen ist, geht es in den nachfolgenden drei Hauptkapiteln um Probleme wie Chancen, Reaktionen und Folgen, die sich aus der Klimamisere für Tiere und Pflanzen ergeben. Dabei bleibt Hanson fast immer bei sich und klagt weder an noch erteilt er besserwisserische Ratschläge, sondern gibt sich als feinfühliger und interessierter Naturbeobachter zu erkennen, der einfach beschreibt, was er sieht und daraus ableitet.

So lernen wir beispielsweise, dass manche Tierarten wie bestimmte Schmetterlinge sich bereits evolutionär an immer häufiger auftretende Tornados oder größere Hitze angepasst haben, Baumpopulation dank tierischer Co-Abhängigkeit in andere Regionen umgezogen sind oder sich ganz neue, resilientere Arten aus Kreuzungen ergeben, die wiederum ihr Verhalten oder ihre Nahrung umgestellt haben, um überleben zu können. Die Beispiele reichen von Bären über Fische bis hin zu Vögeln, Algen, Bäumen oder Käfern und bilden so ein spannendes wie vielfältiges Spektrum, um die oft im Verborgenen liegenden Anpassungsstrategien zahlreicher Arten und Naturräume in ihrer Breite gut nachvollziehen zu können.

Es wird deutlich, wie die Natur Resilienzen entwickelt oder eben auch gerade an dieser Herausforderung (erstmal) scheitert, aber die Kapitel vermitteln dabei immer eine realistische Portion Hoffnung, die sich vor allem aus der Tatsache speist, dass die Tier- und Pflanzenwelt evolutionär nicht nur verliert, sondern immer wieder in der Lage ist, einen Neustart hinzulegen. Dank Hansons sehr persönlichem Blick fühlt man sich als LeserIn wie eine BegleiterIn, die mit dem Autor (und mehrfach sogar dessen Familie) durch die Wälder pirscht, um abends am Lagerfeuer über das Erlebte zu diskutieren.

Ein besonders persönliches Kapitel, in dem nochmal die hohe Eigen- bzw. Mitverantwortung des Menschen ebenso betont wird wie dessen Eingebundensein in die Abläufe der Natur, rundet dieses mit ca. 240 Seiten Umfang sehr kompakt gehaltenes Lesevergnügen angenehm ab. Wichtige Begriffe werden dazu in einem Glossar erklärt und einige illustrierende Bilder untermauern den positiven Gesamteindruck. Kurzum: Wer sich für biologische Prozesse interessiert, sollte Thor Hanson auf seinen Exkursionen unbedingt begleiten. Man lernt schließlich nie aus.

Thor Hanson: Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen • Sachbuch • Aus dem Englischen von Andrea Kunstmann • Kösel, München 2022 • Erhältlich als Hardcover und eBook • Preis des Hardcovers: € 22,00 • im Shop