19. Juli 2022

„Pickmans Modell“ von H. P. Lovecraft & Ulf K.

Gemaltes Grauen: Der neueste Band der Comic-Reihe „Die Unheimlichen“

Lesezeit: 2 min.

In der Reihe „Die Unheimlichen“, die seit 2018 von Künstlerin Isabel Kreitz herausgegeben wird, adaptierten deutschsprachige Comic-Stars klassische Horrorliteratur mit einem eigenen Ansatz und Dreh. Ralf König hat sich schon „Frankenstein“ vorgenommen, Olivia Vieweg „Antigone“, und Lukas Jüliger „Berenice“, um nur drei der subjektiven Highlights im edlen kleinformatigen Hardcover zu nennen. Nun adaptiert Künstler Ulf. K. („Neue Geschichten von Vater und Sohn“, „Alan C. Wilder Ltd.“) H. P. Lovecrafts Erzählung „Pickmans Modell“.

Mr. Lovecraft schrieb diese Weird-Fiction-Geschichte wohl im Herbst 1926, veröffentlicht wurde sie im Oktober des darauffolgenden Jahres einmal mehr im Pulp-Magazin „Weird Tales“ – es dürfte allerdings eher selten vorkommen, dass jemand diese Story als bekannteste, wichtigste oder liebste Lovecraft-Arbeit deklariert, ohne dass das etwas über ihre Güte aussagt. Lovecrafts Vorlage und die Adaption von Ulf K. handeln beide vom verrufenen Maler Pickman, der trotz seines Talents von der Kunstszene ausgeschlossen wird, weil er zu monströse, perverse und brutale Motive auf die Leinwand bannt. Ein treuer Bewunderer folgt dem berüchtigten Maler eines Tages trotzdem in ein heruntergekommenes Viertel und findet heraus, woher der garstige Pickman die Ideen für seine horrenden Bilder kriegt …

Wie in der Story „Die Musik des Erich Zann“ von 1922, ging es Lovecraft in „Pickmans Modell“ ebenfalls um Inspiration durch Dämonen, Abgründe und den Blick in fremde Höllen, statt durch freundliche Musen und liebliche Tagträume. In einem Kunstschaffenden, der aufgrund seiner unangepassten Werke des Horrors gewissermaßen aus dem Mainstream verbannt wird, könnte man gar Lovecrafts eigene Sichtweise seiner Person als Autor hineininterpretieren. Der 1969 in Oberhausen geborene Ulf K. interpretiert die fast 100 Jahre alte Story derweil in sehr aufgeräumten und klaren, sehr geometrischem und stilisierten Zeichnungen (als er zu Beginn des Comics den schweizerisch-englischen Maler Füssli zitiert, kanalisiert K. in einem Panel übrigens seinen inneren Mignola – großartig!). Die kantigen Graustufenbilder passen überraschend gut zu Lovecrafts Erzählung, wobei K. darauf verzichtet, Pickmans finstere Bilder zu zeigen, obwohl ihm diese Option in einer visuellen Adaption ja allemal zur Verfügung gestanden hätte – doch K. vertraut auf die Stimmung des Entsetzens, die Wortmalerei, die Expressionen seiner cartoonigen Figuren und die schauerliche Vorstellungskraft der Lesenden. Letzteres quasi als Antithese zu Lovecrafts typischen detailreichen Beschreibungen.

Am Ende gibt Ulf K. dem Stoff mit einem eigenen, über Lovecrafts ursprünglichen Text hinausgehenden Ende sogar noch eine frische Pointe, die den Pulp-Kontext von Autor und Geschichte nutzt. Und so ist die Vorzeigereihe „Die Unheimlichen“ um einen weiteren starken Band aus Deutschland, das Carlsen-Programm neben den Manga-Umsetzungen von Gou Tanabe um noch eine smarte und gelungene Lovecraft-Adaption reicher.

Abb.: Carlsen/Ulf K.

H. P. Lovecraft/Ulf K.: Pickmans Modell • Carlsen, Hamburg 2022 • 64 Seiten • Hardcover: 12 Euro

 

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.