Auch ein Vierjähriger hat’s schwer!
„Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft“ - Zeitreise-Märchen direkt aus dem Leben
Endlich kommen die Eltern nach Hause und haben im Gepäck ein neu fabriziertes Menschenkind, Mirai (= japanisch für Zukunft), die kleine Schwester des vierjährigen Kun! Doch Kuns Freude hält nicht lange an, denn er muss die schmerzliche Erfahrung machen, dass der größte Teil der Aufmerksamkeit der immer gestressteren Eltern ab sofort nicht mehr ihm, sondern dem doofen Baby gilt! Egal, was er macht, er fühlt sich abgeschrieben – nimmt bei Mama und Papa nur noch Platz 2 ein! Argh! Doch plötzlich erlebt der kleine Wüterich im Garten des Hinterhofs gar Wunderliches: Nach jedem Anfall trifft er dort mysteriöse Gestalten, unter anderem eine Jugendliche namens Mirai, die behauptet seine aus der Zukunft gekommene Schwester zu sein, einen Mann, der sich als Mensch gewordener Familienhund entpuppt oder er reist in die Vergangenheit und begegnet dort seiner Mutter, die sich im gleichen Alter wie er befindet. Dank dieser Bekanntschaften lernt der Junge langsam aber sicher, doch noch die Welt aus anderen Augen zu sehen und vor allem einen Platz in ihr zu finden.
Das eine – kommerziell überaus erfolgreiche – Produktion wie „Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft“ aus Japan kommt, merkt man schon an der Erzählerperspektive, aus amerikanischen Studios wäre ein Film, der dermaßen konsequent aus der Sicht eines Vierjährigen erzählt wird, kaum denkbar. Und so handelt es sich bei Kun zwar um einen kleinen Jungen mit dem Niedlichkeitsfaktor, der kleinen Jungen von Geburt nun mal so mitgegeben wird, aber eben auch um einen kleinen Jungen, der schreit und nervt und dank seinem noch lange nicht zur Reife gelangten Gefühlshaushalt einem Baby eine Spielzeuglok an den Kopf haut. Man möchte das Balg in manchen Momenten am liebsten von der Leinwand zerren und eigenhändig durchprügeln!


Es ist aber genau diese Realitätsebene, die den Anime von Mamoru Hosoda („Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“, „Ame & Yuki – Die Wolfskinder“) zum Gewinner der Herzen werden lässt, denn Quasi-Auteur Hosoda, der sich mit einer Verknüpfung von alltäglichen und fantastischen Elementen über die Jahre praktisch eine eigene Nische geschaffen hat, erweist sich wieder mal als einfühlsamer, präziser Beobachter, der Kun zwar oft in einem nur wenig sympathischen Licht zeigt, ihn aber auch nicht verurteilt: Es handelt sich nun mal um ein vierjähriges Kind, das schlichtweg nicht begreift, was passiert; das von den Eltern aufgefordert wird, vernünftig zu sein, obwohl es eigentlich gar nicht weiß, aus welchem Grund. Die fantastischen Elemente setzen einen Erkenntnisprozess in Gang, welcher nicht nur den kleinen Buben reifen lässt, sondern ebenso einen tröstlich-versöhnlichen Blick auf das Konstrukt Familie wirft, der aufzeigt, dass so manche Schwierigkeit der Realität überwunden werden kann, wenn wir uns mehr unser Selbst bewusst werden und auch die anderen mehr als Individuen wahrnehmen.
Dabei hätte mehr erzählerische Stringenz gut getan, das Geschehen hüpft etwas unverbunden hin und her, dennoch ist dem Ausnahmeregisseur ein weiterer sehenswerter, dieses Mal sehr persönlicher, verhältnismäßig leiser Film gelungen, der auch einer Reise in die eigene Vergangenheit gleichkommt, denn so anstrengend Kun zuweilen ist: Wir waren letztendlich alle nicht viel besser!
„Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft“ läuft am 28. Mai 2019 im Rahmen der KAZÈ Anime Nights (eine Kinoliste findet sich hier!) und ab dem 30. Mai 2019 regulär im Kino!
Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft (Japan 2018) • Regie: Mamoru Hosoda • Sprecher (Originalversion): Haru Kuroki, Moka Kamishiraishi, Gen Hoshino, Kumiko Aso, Mitsuo Yoshihara, Yoshiko Miyazaki, Koji Yakusho, Masaharu Fukuyama
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