11. Oktober 2018

Doppelt ist besser, manchmal

Die Serie „Counterpart“ variiert bekannte Muster auf sehr originelle Weise

Lesezeit: 3 min.

Schon der Titel der neuen Amazon-Starz-Serie „Counterpart“ deutet an, dass es hier um das beliebte Doppelgängermotiv geht. J.K. Simmons spielt beide Versionen derselben Person, die beide Howard Silk heißen und einfachheitshalber in Howard Alpha (die Version in unserer Welt) und Howard Prime (die Version in einer anderen Welt) unterschieden werden. Howard Alpha ist trotz seines Alters nur einfacher Angestellter einer in Berlin angesiededelten UN-Behörde namens „Office of Interchange“, für die er banale, ziemlich langweilige Tätigkeiten verrichtet. Er ahnt nicht einmal, was die Behörde eigentlich tut. Seine Frau Emily (Olivia Williams) liegt seit einigen Wochen im Koma, ein mysteriöser Autounfall hatte sie verletzt. Während Howard Alpha zurückhaltend ist, sich fast duckmäußerisch in seine Rolle fügt, ist sein Doppel Howard Prime – natürlich – das Gegenteil: selbstbewusst bis zur Aggressivität, souverän, gefürchtet. Soweit so konventionell, doch diese Doppelung ist nur der Anfang der von Justin Marks erdachten Serie, die im Gegensatz zu so vielen aktuellen Reihen so gar nicht marktschreierisch daherkommt, deren große Qualitäten dadurch aber keineswegs übersehen werden sollten.

Denn „Counterpart“ funktioniert auf bemerkenswert vielen Ebenen: Zum einen als an den Kalten Krieg angelehnte Agentenstory, die nicht zwischen Ost und West spielt, sondern zwischen unserer und einer identischen Parallelwelt. Nun ja, fast identisch: Denn der Dreh ist, dass sich durch ein Experiment, das Ost-Berliner Wissenschaftler 1987 durchführten, die Welt aufgespalten hat. Seitdem verläuft unsere Welt in einer Weise, die Parallelwelt mit identischem Personal auf ihre Weise, fast gleich, aber eben doch nicht ganz. Vor der Bevölkerung wird diese Merkwürdigkeit geheimgehalten, nur besagte UN-Einrichtung schickt gelegentlich Personen in die andere Welt, zu welchen (natürlich nicht hehren) Zwecken ist eines der Rätsel.


Howard Silk (J.K. Simmons) …


… und Baldwin (Sara Serraiocco) in „Counterpart“

Doch noch spannender als diese Ebene ist das Zusammentreffen der beiden Howards und die Fragen, die sich daraus ergeben: 1987 begannen sie als in beiden Welten identische Person, 30 Jahre später sind sie auf den ersten Blick zwei unterschiedliche Menschen. Doch nach und nach – und das sie bald auch die Rolle ihres Doppelgängers in der jeweils anderen Welt übernehmen muss nicht extra erwähnt werden – wird deutlich wie viele Ähnlichkeiten es zwischen ihnen doch gibt. Was hat sie nun jeweils zu dem gemacht, was sie sind? Welche kleinen Ereignisse oder Entscheidungen haben ihr Wesen auf diese oder jene Weise verändert? Was macht uns zu dem, was wir sind? Wie viel Einfluss haben wir auf unser Wesen? Ist unser Weg prädestiniert oder veränderbar? All diese Fragen reißt „Counterpart“ auf verschiedenen Ebenen an, denn neben den beiden Howards und Emilys gibt es noch andere Doppelgänger, die mit sich und ihrer (Selbst-)Wahrnehmung kämpfen.

Erstaunlich ist nun, wie geschickt diese unterschiedlichen Ansätze ineinandergeflochten sie, wie Agentengeschichte, philosophische Momente und Science-Fiction-Ansätze sich zu einem Ganzen formen, das enorm reich ist, aber nie überfrachtet wirkt. Gerade angesichts allzu vieler Prestige-Serien, die allzu plakativ mit ihren Schauwerten prahlen, die betont transgressiv Gewalt und Sex zeigen, nicht weil es für die jeweilige Geschichte Sinn macht, sondern einfach weil man es kann, hebt sich „Counterpart“ wohltuend ab. Fast schon altmodisch wirkt der Erzählansatz, zumal die Hauptfiguren das sind, was auch die Serie ist, die erfreulicherweise bald fortgesetzt wird: erwachsen.

Counterpart • Creator: Justin Marks • Darsteller: J.K. Simmons, Harry Lloyd, Sara Serraiocco, Nazanin Boniadi 10 Folgen • ab jetzt bei Amazon Starz

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