5. Januar 2021

„Equinox“ – Sex mit dem Osterhasen

Eine dänische Serie spielt clever mit heidnischen Mythen

Lesezeit: 2 min.

Als neues „Dark“ hat Netflix die dänische Mystery-Thriller-Serie „Equinox“ schon vor der Veröffentlichung angepriesen, und um es gleich zu sagen: Der Vergleich hinkt. Zwar verschwinden auch in „Equinox“ Kinder, sogar gleich 21 auf einen Schlag, zwar gibt es auch hier gewisse mystische Dimensionen, doch hier hören die Parallelen zum deutschen Serien-Hit schon auf.

Hauptfigur in „Equinox“ ist Astrid (Viola Martinsen), die 1999 als Neunjährige erleben musste, wie ihre größere Schwester Ida (Karoline Hamm) zusammen mit 20 Schulkameraden spurlos verschwand. Allein drei der Schüler tauchten wieder auf: Jakob (August Carter), Falke (Ask Truelsen) und Amelia (Fanny Bornedal), die die sprichwörtlichen dunklen Geheimnisse mit sich herum tragen.

In der Gegenwart des Jahres 2020 ist Astrid (nun gespielt von Danica Curcic) Moderatorin beim Radio, ausgerechnet bei einer Sendung, die sich mit seltsamen, unerklärlichen Phänomenen beschäftigt. Aus scheinbar heiterem Himmel ruft plötzlich Jakob in ihrer Sendung an und bringt Astrid völlig aus dem Lot. Die alten Wunden brechen wieder auf, lange unterdrückte Alpträume kommen an die Oberfläche, und so macht sich Astrid auf die Suche. Endlich will sie die Geheimnisse um das Verschwinden von Ida lösen, will erfahren, welche Rolle ihre seltsame Mutter Lene (Hanne Hedelund) gespielt hat und vor allem, was das alles mit dem Osterhasen zu tun hat.

Dieser taucht in etwas abgewandelter Gestalt in der fraglos seltsamsten Sequenz des Sechsteilers auf, in einer modernen Variante eines heidnischen Rituals, das im Mittelpunkt der Mysterien steht. In einem magischen Buch namens Grimoire hatte Jakob von der germanischen Göttin Ostara gelesen, die kein Ausbund der Phantasie der Drehbuchautoren ist, sondern schon von Jacob Grimm beschrieben wurde. Weniger in den Grimmschen Märchen, als in Abhandlungen über heidnische Rituale, deren Nachwehen bis in das moderne Osterfest zu spüren ist.

Die Tage der Sonnenwende und der Tagundnachtgleiche spielten bei diesen und anderen Riten bekanntermaßen eine große Rolle, Menschenopfer erfanden wohl eher findige Drehbuchautoren dazu, um das Geschehen noch eine Spur aufregender zu machen. Wenn man bei „Equinox“ also an einen Klassiker wie „The Wicker Man“ denkt oder auch an einen modernen Film wie „Midsommar“ liegt man gewiss nicht falsch, auch wenn die von Tea Lindeburg erdachte Serie nicht die Qualität dieser Vorbilder erreicht.

Etwas zu behäbig entwickelt sich die Geschichte, etwas zu vorhersehbar fallen die Teile des Rätsels zusammen, die Alpträume, die Visionen, die schwer zu entziffernden Anweisungen des magischen Buches. In früheren Zeiten hätte der Stoff einen zweistündigen Spielfilm gefüllt, heute werden gut vier Stunden und ein 6-Teiler daraus. So sehr wie „Dark“ beansprucht „Equinox“ also nicht die Gehirnwindungen, ob es weitere Staffeln geben wird, ist ebenfalls unsicher, denn am Ende der trotz mancher Schwächen unterhaltsamen Episoden lösen sich die rätselhaften Ereignisse in einem mystischen Finale auf, das keine Fragen offen lässt.

Equinox • Dänemark 2020 • Creator: Tel Lindberg • Darsteller: Danica Curcic, Lars Brygmann, Karoline Hamm, August Carter, Hanne Hedelund • sechs Teile, jetzt bei Netflix

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